Wie verändern neue Technologien die Arbeit in Produktionsbetrieben?

Die Arbeitswelt verändert sich tiefgreifend durch die Globalisierung, die Digitalisierung und den demografischen Wandel. Ein Konzept, das dabei zunehmend an Bedeutung gewinnt, ist New Work. Wie kann New Work in der Produktion funktionieren und was sind die Erfolgsfaktoren?
Von   Angelika C. Bullinger-Hoffmann   |  Professur Arbeitswissenschaft und Innovationsmanagement   |  Technische Universität Chemnitz
  Martin Krzywdzinski   |  Professor für Internationale Arbeitsbeziehungen   |  Helmut-Schmidt-Universität in Hamburg
  Hartmut Hirsch-Kreinsen   |  Seniorprofessor Wirtschafts- und Industriesoziologie   |  TU Dortmund
30. Juli 2025

Was ist New Work und wie verändert es die Produktion?

 

New Work steht für neue Arbeitsformen, bei der Autonomie, Flexibilität und Sinnhaftigkeit in den Fokus rücken. Der Mensch mit seinen individuellen Bedürfnissen steht im Mittelpunkt. Dies eröffnet die Chance, Arbeit human zu gestalten und traditionelle Strukturen sowie Hierarchien zu hinterfragen. Ein entscheidender Faktor kann dabei der Einsatz von neuen Technologien sein.

Herausfordernd ist der Wandel in der Arbeitswelt besonders in der industriellen Produktion, die lange von festen Schichtplänen, starren Abläufen und körperlicher Arbeit geprägt war. Doch gerade hier entstehen neue Perspektiven. Spannend ist der Bereich, der die Wissensarbeit mit der Produktion verbindet. In der Industrie gibt es Aufgaben, die sowohl bürobasierte Wissensarbeit als auch manuelle Tätigkeiten auf dem Shopfloor vereinen. So erfordern Inbetriebnahmen, Wartungen, Reparaturen sowie die Planung von Umbauten und Erweiterungen eine Mischung aus diagnostischen und problemlösenden Fähigkeiten, fundiertem Fachwissen und praktischen Aufgaben wie Inspektionen und Montagen. Eine erfolgreiche Umsetzung gelingt jedoch nicht isoliert, sondern erfordert ein Zusammenspiel von Mensch, Technologie und Organisation.

Veränderungen in der Organisationsstruktur können sich positiv auf die Arbeitsbedingungen der Menschen auswirken. Eine offene und agile Organisationsstruktur mit flachen Hierarchien ermöglicht eine flexible Anpassung an neue Herausforderungen. Die Mitarbeitenden profitieren von einem Arbeitsumfeld, das Selbstbestimmung fördert, mentale Unterstützung bietet und digitale Vernetzung erleichtert. Führungskräfte spielen eine zentrale Rolle, indem sie die Kompetenzen der Mitarbeitenden wertschätzen, Talente gezielt fördern und sie aktiv in Entscheidungsprozesse miteinbinden.

Neue Technologien wie digitale Personaleinsatzplanung, Cobots (kollaborative Roboter) und AR (Augmented Reality) eröffnen vielfältige Möglichkeiten, die Arbeitswelt neu zu gestalten. Sie reduzieren körperlich belastende und repetitive Tätigkeiten und unterstützen Beschäftigte mit digitalen Assistenzsystemen bei komplexeren Aufgaben. Gleichzeitig erleichtern sie die Vereinbarkeit von Beruf und Familie und tragen zur mentalen Gesundheit bei – entscheidende Faktoren im Kampf gegen den Fachkräftemangel. Doch technologische Innovation allein genügt nicht, um diesen Wandel erfolgreich zu gestalten.

Die Herausforderung liegt darin, dass Unternehmen ihre bisherigen Routinen der Organisation und des Personaleinsatzes verlassen und Technologie, Organisation und Qualifikationen systematisch und ganzheitlich aufeinander abstimmen müssen. Wichtig ist eine offene Unternehmenskultur, die Vertrauen schafft und Lernbereitschaft stärkt, um das Potenzial von New Work voll auszuschöpfen. Nur so lassen sich die Anforderungen der Produktionsumgebung mit den Bedürfnissen der Mitarbeitenden in Einklang bringen.

 

Technologische Innovationen in der Produktion – Chancen, Herausforderungen und Erfolgsfaktoren

Die Digitalisierung in der Produktionsarbeit eröffnet neue Möglichkeiten, Arbeitsprozesse flexibler und effizienter zu gestalten. Diese Technologien bieten großes Potenzial, stellen Unternehmen jedoch vor Herausforderungen – von der Implementierung bis hin zur Akzeptanz im Arbeitsalltag. Im Folgenden werden exemplarisch drei vielversprechende digitale Technologien beleuchtet.

Digitale Personaleinsatzplanung sorgt dafür, dass Produktionsbedarfe, arbeitsrechtliche Bedingungen sowie die Kompetenzen und Präferenzen der Mitarbeitenden effizient aufeinander abgestimmt werden. Dies ermöglicht es den Mitarbeitenden, flexibel über die Annahme von Schichten zu entscheiden und fördert somit mehr Selbstbestimmung und Transparenz.

Cobots sind speziell entwickelte Roboter, die sicher mit Menschen zusammenarbeiten können. Sie übernehmen körperlich anstrengende oder monotone Aufgaben und entlasten so die Mitarbeitenden. Durch ihre benutzerfreundliche Bedienung und einfache Programmierung können die Mitarbeitenden sie leicht selbst anwenden und die Weiterbildung an Cobots erhöht die Jobzufriedenheit vieler Beschäftigter.

AR-Brillen ermöglichen die Anzeige von relevanten Informationen in Echtzeit und steigern so die Effizienz der Arbeitsabläufe. AR ermöglicht eine anschauliche Darstellung von Maschineneinstellungen und erleichtern neuen Mitarbeitenden das Verständnis komplexer Prozesse.

Digitale Einsatzpläne, Cobots und AR-Brillen bieten zahlreiche Vorteile: Sie reduzieren sich wiederholende Aufgaben, fördern die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben, schaffen Raum für anspruchsvollere Tätigkeiten und erleichtern komplexe Abläufe, wodurch die mentale Belastung sinkt.

Gleichzeitig sind mit ihrer Einführung auch Herausforderungen verbunden. So sind AR-Brillen anfällig für Cyberangriffe und Datenschutzverletzungen, und es besteht die Gefahr, dass sie die Arbeitsintensität erhöhen. Visuelle Ermüdung, Beeinträchtigungen des Sichtfeldes und ergonomische Probleme können durch unzureichenden Tragekomfort auftreten.

Digitale Personaleinsatzplanung bringt auch Risiken mit sich: So könnte die Erhebung und Auswertung personenbezogener Daten den Leistungsdruck auf Mitarbeitende erhöhen. Zudem besteht die Gefahr eines schleichenden Entgrenzungsprozesses, da die Erwartung entsteht, ständig erreichbar zu sein und auch die steigende Eigenverantwortung kann als Belastung empfunden werden.

Beim Einsatz von Cobots besteht die Möglichkeit der Überwachung und einer Verletzung der Privatsphäre der Mitarbeitenden. Wenn Cobots mit dem Internet verbunden sind, könnte dies zu Sicherheitsrisiken durch Hackerangriffe führen. Zunehmende Automatisierung bestimmter Aufgaben könnte zu einem Verlust kritischer Kompetenzen führen.

Ein effektiver Ansatz zur Bewältigung dieser Herausforderungen ist bei all diesen Technologien die frühzeitige Einbindung aller relevanten Akteure – von der Personalabteilung über den Betriebsrat bis hin zu den Schichtplanenden und den betroffenen Mitarbeitenden. Durch integrative Kommunikationsstrategien und eine neutrale Moderation können Lösungen entwickelt werden, die auf breiten Konsens stoßen. Wenn Mitarbeitende aktiv an der Definition der Anforderungen für neue Technologien beteiligt werden, steigt das Vertrauen und die Bereitschaft, diese im Arbeitsalltag zu nutzen.

Neben der Mitbestimmung ist auch die Qualifikation entscheidend für den Erfolg neuer Technologien. Eine systematische Schulung, die genügend Raum für Tests und Experimente bietet, ist unerlässlich, um die Akzeptanz zu fördern. Idealerweise finden diese Schulungen praxisnah direkt am Arbeitsplatz statt und werden durch moderne Methoden wie Extended Reality (XR) oder Telepräsenzrobotik oder interaktive Trainings ergänzt. So wird den Mitarbeitenden gezeigt, dass an dem Wissensaufbau Interesse besteht.

Außerdem sollten Unternehmen eine offene Fehlerkultur etablieren, die es ermöglicht, Innovationen schrittweise und ohne Angst vor Misserfolgen umzusetzen. Wenn Technologie, Organisation und Qualifikation systematisch aufeinander abgestimmt werden, können Produktionsbetriebe nicht nur effizienter, sondern auch flexibler, attraktiver und zukunftssicher gestaltet werden. Gerade kleine und mittlere Unternehmen können von diesen Ansätzen profitieren und den Wandel aktiv mitgestalten.

 

Fazit

New Work in der Produktion eröffnet zahlreiche Chancen, die Arbeitswelt zu modernisieren und stärker auf den Menschen auszurichten. Digitale Technologien wie intelligente Personaleinsatzplanung, Cobots und AR-Brillen veranschaulichen, wie Prinzipien wie Flexibilität, Autonomie und Sinnhaftigkeit erfolgreich in der Industrie umgesetzt werden können. Doch der Wandel geht über technologische Innovationen hinaus: Die Einführung neuer Technologien erfordert frühzeitige Information und kontinuierliche Kommunikation, eine transparente Personalplanung sowie eine fehlertolerante Systemeinrichtung mit großen Spielräumen für Tests und Experimente. Die Digitalisierung der Prozesse kann es ermöglichen, Grenzen flexibler Arbeitsmodelle zu verschieben und neue Freiräume für Beschäftigte zu schaffen.

Angelika C. Bullinger-Hoffmann ist Professorin für Arbeitswissenschaft und Innovationsmanagement an der TU Chemnitz und Mitglied im Forschungsbeirat Industrie 4.0. Sie forscht zur Mensch-Technik-Interaktion. Sie hat an FAU Erlangen-Nürnberg und an der University of Pennsylvania, PA, habilitiert.

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