Wie KI unsere Gesellschaft verändert: Worauf es jetzt ankommt

Von   Jörg Doebler   |  Dozent   |  karriere tutor GmbH
11. Juni 2019

Roboter und Künstliche Intelligenz (KI) revolutionieren heute unsere Gesellschaft wie einst die Dampfmaschine. Die Grundidee von KI, die zu den wichtigsten Treibern der Digitalisierung gehört, besteht darin, durch Maschinen eine Annäherung an wichtige Funktionen des menschlichen Gehirns zu schaffen (Lernen, Urteilen und Problemlösen). Dazu gehören das Natural Language Processing (NLP), Deep Learning (DL) und das Machine Learning (ML), das ein wichtiges Werkzeug für die Gewinnung und Verarbeitung immer weiter wachsender Daten-Berge ist, die eine entscheidende Grundlage für die Wertschöpfung in Unternehmen [1] darstellt.
KI gehört bereits seit Jahren zu den wichtigsten Treibern der Digitalisierung und ist in immer mehr Bereiche vorgedrungen. Immer öfter übernimmt Künstliche Intelligenz menschliche Tätigkeiten. Anfang 2014 gab IBM bekannt, 1,2 Milliarden US-Dollar in sein lernendes und sprechendes Programm „Watson“ zu investieren. Bereits 2011 hatte der Supercomputer bei der US-Gameshow „Jeopardy!“ zwei menschliche Champions besiegt. Heute kommt „Watson“ unter anderem bei der Krebsdiagnostik im Gesundheitswesen zum Einsatz und analysiert über eine Million Gigabyte Gesundheitsdaten [2] (Królikowski/Loebel/Ullrich). Jürgen Schmidhuber, einer der renommiertesten deutschen Forscher zum Thema KI, prognostiziert [2] eine rasante Entwicklung: „In naher Zukunft werden wir erstmals relativ billige Maschinen haben, die so viel rechnen können wie ein Menschenhirn.“

Diese neuen Technologien haben das Potenzial, zur Lösung der großen Herausforderungen unserer Zeit beizutragen: Künstliche Intelligenz vereinfacht Arbeitsabläufe, stärkt Unternehmen bei der Produktivität und Flexibilität, schafft neue Geschäftswerte, ermöglicht genauere Prognosen, schafft neue datenbasierte Geschäftsmodelle und erlaubt schnellere Entscheidungen auf einer besseren Datenbasis. Weiterhin erhöht sie die Anpassungsfähigkeit von Unternehmen auf Marktveränderungen durch Echtzeitinformationen sowie Vorhersagen jenseits menschlicher Fähigkeiten, führt oft zu deutlichen Effizienzgewinnen, weil wiederholbare Aufgaben in Prozessen automatisch ablaufen. Hinzu kommt, dass Mitarbeiter und Führungskräfte dadurch auch mehr wertvolle Zeit für das Wesentliche (strategisch wichtige Aufgaben, Kreativität und Innovation) erhalten. Maschinen und Künstliche Intelligenz werden also zu neuen „Mitarbeitern“ der Belegschaft. Sie bringen neue Fertigkeiten ein, die Menschen darin unterstützen, neue Aufgaben zu übernehmen.

Sorgen machen sich die Beschäftigten allerdings häufig um die eigene Ausbildung. Das ist das Ergebnis des automatica Trend Index 2018 [3], für den im Januar 2018 insgesamt 7.000 Arbeitnehmer in den USA, China, Japan, Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Italien über ein Marktforschungsinstitut bevölkerungsrepräsentativ befragt wurden. 64 Prozent aller Arbeitnehmer aus den befragten sieben Ländern wollen für die Zusammenarbeit von Mensch und Maschine KI einsetzen. 73 Prozent gehen davon aus, dass KI es den Menschen erleichtert, der Maschine neue Aufgaben zu geben. Etwa jeder vierte Arbeitnehmer ist davon überzeugt, dass die Aus- und Weiterbildung für den Arbeitsplatz der Zukunft bereits eine wichtige Rolle spielt.

Die neue Zusammenarbeit mit Robotern wird von der Mehrheit aller sieben Länder als Chance gesehen, qualifiziertere Arbeit zu erlernen. Besonders in China (86 Prozent) und in den USA (74 Prozent) rechnen die Menschen mit positiven Impulsen, sich über die Robotik-Automation beruflich fortzubilden. Die Anzahl qualifizierterer und besser bezahlter Jobs wird über die neuen Mensch-Roboter-Teams künftig ansteigen – vermutet rund jeder zweite Befragte in Deutschland, Frankreich, Italien, Großbritannien und Japan.

Der Reifegrad bleibt bei der Aus- und Weiterbildung für den digitalen Arbeitsplatz der Zukunft bisher deutlich hinter den Erwartungen der Beschäftigten zurück. In der Arbeitswelt der Zukunft werden Mensch-Roboter-Teams die Fertigung verbessern, indem menschliche Talente mit den Stärken der Robotik kombiniert werden – davon sind rund 70 Prozent [2] überzeugt.

KI führt aber auch zu neuen Geschäftsmodellen und ist ein Schlüssel zu erhöhter Wettbewerbsfähigkeit. Es werden repetitive Jobs verloren gehen, doch es entstehen auch neue Arbeitsprofile. Allerdings bringen die neuen Technologien nicht nur Veränderungen und neue Anforderungen in der Arbeitswelt mit sich – sie werfen auch ethische, rechtliche und soziale Fragestellungen auf. So müssen wir beispielsweise auch an den Möglichkeiten arbeiten, unsere innere emotionale Freiheit gegenüber Künstlichen Intelligenzen zu bewahren und menschliche Beziehungen weiterhin vorzuziehen. Künstliche Intelligenz sollte uns bei unseren täglichen Entscheidungen sinnvoll unterstützen. Es geht also auch darum, sie so zu gestalten, dass sie beispielsweise unsere Privatheit nicht verletzen. Zudem dürfen Meinungen und Vermutungen von Maschinen nicht pauschal zu Wissen erhoben werden.

Vor diesem Hintergrund sollten auch die ethischen Grundsätze und Werte der EU Berücksichtigung finden, ebenso die Sicherheit der Technologie, menschliche Verantwortung, auch sollten gesellschaftliche und ökologische Konsequenzen berücksichtigt werden. Wissenschaftler der University of Manchester widmeten sich in einer Studie [4] der Rolle von künstlicher Intelligenz in der Gesellschaft. Sie soll Entwickler und die Politik darin unterstützen, Auswirkungen von KI, die auf Datensätzen und Algorithmen beruht, in den Bereichen Industrie, Gesundheitswesen und internationale Politik besser zu verstehen, denn Investitionen in KI werden langfristig im Wesentlichen von Steuerzahlern bezahlt. Deshalb müssten politische Entscheidungsträger zukünftig sicherstellen, dass die Vorteile dieser Technologien auch der gesamten Gesellschaft zugutekommen. Ohne aktive politische Gestaltung wird der digitale Wandel den Ressourcen- und Energieverbrauch sowie die Schädigung von Umwelt und Klima allerdings weiter beschleunigen. Deshalb legte Bundesumweltministerin Svenja Schulze zum Start der Republica erste Eckpunkte für eine „umweltpolitische Digitalagenda“ vor. Damit soll die Digitalisierung einem Ordnungs- und Handlungsrahmen unterworfen werden, um sie zum Chancentreiber für eine nachhaltige Entwicklung zu machen. Geplant ist die Förderung von 50 Leuchtturmprojekten sowie der Aufbau eines Kompetenznetzwerks „KI und Nachhaltigkeit“. Außerdem kündigte sie an [5] ihre Umweltagenda im Juli 2020 im Rahmen der deutschen Ratspräsidentschaft auf EU-Ebene zu heben. Die nachhaltige Digitalisierung müsse zu einem Markenprodukt Europas werden.

Dass KI bei datenbasierten Entscheidungen oder Automatisierungen, die zahlreiche Verbesserungen ermöglichen, unterstützt, steht außer Frage. Daraus ergibt sich jedoch auch eine große Verantwortung. KI muss fair und nachhaltig sein – und der Gesellschaft dienen. Eine gute Kooperation zwischen Mensch und Maschine funktioniert nur, wenn Menschen über Kompetenzen und Wissen verfügen, das sie in die Lage versetzt, mit Maschinen sinnvoll und nachhaltig zu arbeiten.

Quellen und Referenzen:

[1] https://news.sap.com/germany/2018/03/was-ist-kuenstliche-intelligenz/amp/

[2] https://dralexandrahildebrandt.blogspot.com/2019/02/kunstliche-intelligenz-warum-die.html?q=Jeopardy

[3] https://automatica-munich.com/presse/newsroom/trend-index/index.html

[4] http://www.manchester.ac.uk/

[5] https://www.wbgu.de/de/service/publikationen-herunterladen

[6] Agata Królikowski, Jens-Martin Loebel und Stefan Ullrich: Ausrechnen statt Entscheiden – 30 Jahre IT-Innovation. In: CSR und Digitalisierung. Der digitale Wandel als Chance und Herausforderung für Wirtschaft und Gesellschaft. SpringerGabler Verlag, Heidelberg und Berlin 2017, S. S. 317-328. Hier: S. 318.

 

Jörg Doebler hat nach seinem Abschluss als Java Developer mehr als zwölf Jahre als Business- und Prozess-Analyst in der Telekommunikationsbranche gearbeitet. Beim Online-Weiterbildungsexperten karriere tutor verbindet er Theorie und Praxis als Dozent und Fachmann für agiles Arbeiten.

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