Weiter Vollgas geben bei der Transformation zu nachhaltigem Wirtschaften
Der Druck aus der Wirtschaft hat gewirkt: Mit den beiden als Omnibus bezeichneten Paketen vereinfacht die EU-Kommission erheblich die Regulatoriken. Bei den ähnlich gelagerten und besonders belastenden Gesetzen zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD), Lieferkettenrichtlinie (CSDDD) und CO2-Ausgleichsmechanismus (CBAM) wird ein Großteil der Unternehmen aus dem Scope entnommen und die Zeitleiste der Reportingpflichten nach hinten verschoben. Außerdem werden Schwellenwerte, die Überwachung von Lieferanten und Sanktionen deutlich reduziert.
Die Änderungen dürften wie ein Befreiungsschlag wirken, vor allem für deutsche Unternehmen. Je nach Schätzungen sind bis zu 80 Prozent der deutschen Vorschriften von Brüssel beeinflusst. Gleichzeitig stellt sich die Frage: Führen die Anpassungen (ungewollt) dazu, dass sich Unternehmen mehr Zeit für die Transformation lassen – und in zwei, drei Jahren dann vor den gleichen Herausforderungen stehen?
Schritt in die richtige Richtung
Grundsätzlich gilt: Je einfacher und verständlicher Gesetze sind, desto eher werden sie befolgt und Ziele erreicht. Die Sustainability Compliance zu entschlacken, und damit auch (bürokratische) Belastungen zu reduzieren, ist daher sinnvoll und notwendig. Gesagt sei aber auch: Eigentlich setzt der Clean Industrial Deal auf eine beschleunigte Dekarbonisierung und Reindustrialisierung, und gibt eine klare Haltung sowie einen konkreten Plan für Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit und Klimaschutz vor. Gesetze zu optimieren und nachzubessern darf nicht dazu führen, dass der Deal geschwächt und die industrielle Transformation zu nachhaltigem Wirtschaften ausgebremst wird. Sonst bleiben echte Fortschritte bei der Dekarbonisierung auf der Strecke. Dies könnte sich einer neuen Studie der University of Cambridge mit der Boston Consulting Group auch wirtschaftlich negativ auswirken. Die ökonomischen Kosten des ökologischen Nicht-Handelns führen bei einer Erderwärmung von drei Prozent zu einem BIP-Verlust von bis zu 34 Prozent. Nachhaltigkeit ist demnach ein klarer Business Case, und frühzeitiges Gegensteuern verhindert volatile Märkte, Produktionsausfälle, Lieferengpässe und geopolitische Risiken.
Konkrete Pläne und Strategien entwickeln
Der Eindruck ist: Nicht die Regulatoriken sind das Problem, sondern die schlechte Vorbereitung von Unternehmen. Laut dem Bericht des Carbon Disclosure Projekts von 2023 bemühen sich zwar neun von zehn Unternehmen um eine Reduzierung der CO2-Emissionen. Bislang können aber nur fünf Prozent konkrete Pläne und Strategien vorlegen, wie sie diese Ziele mit spezifischen Maßnahmen erreichen wollen. Genau diese braucht es, um einen echten Beitrag zur Erreichung des 1,5-Grad-Ziels zu leisten. Da es durchschnittlich zweieinhalb Jahre dauert, ein Vorgehen zu entwickeln, sollten Unternehmen ungeachtet der Omnibus-Pakete am Ball bleiben.
Dafür sollten sie Nachhaltigkeit als integralen Bestandteil der Geschäftsstrategie implementieren. Den Anfang einer nachhaltigen Transformation bildet eine individuelle und zielgerichtete „Sustainability Roadmap“. Damit haben Unternehmen einen transparenten, ganzheitlichen und messbaren Fahrplan hin zu nachhaltigeren Produkten, Dienstleistungen, Prozessen und einer wertorientierten Unternehmensführung an der Hand. Nachhaltigkeitsziele werden dabei mit den übergeordneten Unternehmenszielen abgestimmt beziehungsweise daraus abgeleitet.
Die richtige Methodik wählen
Unternehmen brauchen unbedingt eine Twin-Transformation: eine Verknüpfung von Digitalisierung und Nachhaltigkeit – denn die macht Unternehmen nachweislich besonders zukunftsfähig. Die Grundlage bilden automatisierte Prozesse, fortschrittliche Technologien und Daten. Letztere nutzen Unternehmen weiterhin kaum, und tauschen sie auch selten mit anderen aus. Das bezieht sich vor allem auf spezifische Nachhaltigkeitsdaten.
Es bedarf daher effektiver und effizienter Steuerungsmechanismen, in denen der Unternehmensbeitrag zur nachhaltigen Entwicklung messbar und transparent gemacht werden kann. Vielen Unternehmen fehlt an dieser Stelle eine entsprechende Methodik. Ein erster Ansatz ist der Deutsche Nachhaltigkeitsindex, der anhand von 20 Kriterien die Mindestanforderungen für berichtende Unternehmen beschreibt. Weltweit verbreitet ist das Greenhouse Gas Protocol. Hiermit können Unternehmen Emissionsdaten in den Bereichen Scope 1 bis 3 aus dem Unternehmen selbst, aber auch aus der vor- und nachgelagerten Lieferkette vollständig erfassen und berechnen. In Hinblick auf die CSRD empfiehlt sich der Fokus auf Scope-3-Emissionen zur Berechnung des Corporate Carbon Footprints. Die Global Reporting Initiative berücksichtigt darüber hinaus Aspekte für eine nachhaltige, nicht-finanzielle und ESG-orientierte Berichterstattung. Ein alternativer Ansatz zur etablierten Science Based Target Initiative ist das X-Degree Compatibility Model einer Organisation, die datenbasierte Modelle und Analyseinstrumente zur Bewertung der Klimaauswirkungen von Unternehmen und Investitionen bereitstellt. Es misst die Klimaleistung eines Unternehmens nicht in abstrakten CO2e-Emissionen, sondern in einer greifbaren °C-Zahl – für eine erleichterte Ermittlung des 1,5°C-Emissionsbudgets und einer Entwicklung von Maßnahmen in der gleichen Einheit wie das Ziel.
Zentrale Plattform für alle Regulatoriken implementieren
Was tun, wenn alle Daten gesammelt sind? Unternehmen neigen dazu, für jede Vorschrift eine Softwarelösung zu implementieren – dies führt ungewollt zu einem Flickenteppich. Empfehlenswerter ist eine zentrale, in die bestehende ERP-Landschaft integrierte Plattform in Form eines ESG Data Hubs. Dieser Hub vereint ESG Reportings wie CSRD, CBAM und EUDR, die Prüfprozesse („Due Dilligence“) zu den Lieferketten, Berechnungen des Carbon Footprints sowie Product Compliances wie der Digital Product Passport. Die erforderlichen Daten werden aus den verschiedenen Unternehmensbereichen und der Wertschöpfungskette automatisiert verwaltet, analysiert und überprüft. So können sie nahtlos ausgetauscht und für unterschiedliche branchenspezifische Anforderungen verwendet werden. Dazu gehören Compliance-Anfragen, Risikoanalysen, „Due Dilligence“-Erklärung und Nachhaltigkeitsberichte. Gleichzeitig können Lieferanten über entsprechende Schnittstellen Daten bereitstellen, Dokumente hochladen und Informationen teilen. Im Idealfall wird die Plattform als Software-as-a-Service in der Cloud angeboten und nutzt innovative Technologien wie KI.
Fazit:
Den höchsten Sustainable Impact erreichen Unternehmen dann, wenn sie das Thema strategisch und ganzheitlich angehen: von der Nachhaltigkeitsstrategie bis zur Implementierung von Tools und Technologien. Umsetzungspartner, die bestehende Prozess- und Systemlandschaften kennen, können bei der Operationalisierung unterstützen. Das gemeinsame Ziel sollte sein, die Transformation zu nachhaltigem Wirtschaften zu meistern – wenn der „Omnibus“ dabei hilft, umso besser.
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