Was macht ein Gebäude intelligent?

Von   Lilian Schröder   |  Mitarbeiterin IoT-Lab   |  Fachhochschule Bielefeld
12. September 2017

Wann fühlen wir uns in einem Gebäude wohl?

Wir verbringen, sowohl im Arbeitskontext, als auch im Privaten, die meiste Zeit in Gebäuden. Jahrzehntelange Forschung im Bereich Indoor Environment Quality (IEQ) zeigt, dass die Eigenschaften des Gebäudes unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden stark beeinflussen und auch beeinträchtigen kann. Zu diesen Eigenschaften gehören beispielsweise unangenehme Temperaturen oder Lärm im Großraumbüro [1]. Auch unsere Stimmung wird durch Eigenschaften der Umgebung beeinflusst. Moderne Wohn- und Arbeitsumgebungen müssen daher an den Bedürfnissen von Bewohnern und Mitarbeitern orientiert sein. Das notwendige Wissen über diese Bedürfnisse kann aus der IEQ-Forschung abgeleitet werden. Ein konkreter Parameter ist beispielsweise die Temperatur. Sie muss in einem angenehmen Bereich liegen, der nicht einfach durch eine Gradzahl ausgedrückt werden kann, da er von vielen Faktoren abhängt – wie persönlichen Vorlieben, Kleidung und Außentemperatur. Um konzentriert arbeiten zu können, darf auch eine bestimmte Lautstärke nicht überschritten werden, der Schwellwert hier ist u.a. abhängig von der Art der Geräusche. Auch die Lichtverhältnisse in Gebäuden sind äußert wichtig für gesundheitliche und das Wohlbefinden betreffende Aspekte, je näher sie an den natürlichen Bedingungen sind, umso besser. Dadurch wird der natürliche Tagesrhythmus unterstützt. Auch Luftqualität, Sauberkeit und Gestaltung des Innenraums sind nicht zu vernachlässigen, um nur die wichtigsten Aspekte zu nennen. Wie schon am Beispiel der Temperatur zu sehen war, gibt es nicht für jeden Parameter einen statischen Soll-Zustand. Vielmehr müssen persönliche Präferenz und die aktuelle Situation berücksichtigt werden – welche Aktivität oder Aufgabe vorliegen, wie der innere Zustand des Menschen aussieht und vieles mehr. Beispielsweise ist bei anstrengenden körperlichen Arbeiten eine geringere Temperatur gefragt, und im Arbeitskontext sind ganz andere Lichtverhältnisse förderlich als abends zur Entspannung. Bei der Entwicklung intelligenter Gebäude sind diejenigen Faktoren, die sich dynamisch ändern, besonders interessant. Es werden zuallerst Sensoren gebraucht, die den Ist-Zustand erfassen können, und dann ein Konzept zur Berechnung eines SollZustands und dazu, wie dieser durch Aktorik erreicht werden soll.

Moderne Sensorik und Aktorik eröffnen neue Möglichkeiten

Der Trend der letzten Jahre hin zu immer kleineren, immer weiter verbreiteten “wearables” ermöglicht eine immer komfortablere und unauffälligere Ermittlung physiologischer Parameter als Ergänzung zu weiter verbreiteten Sensoren wie Temperatur- und Helligkeitssensoren. Damit wird es beispielsweise auch möglich, hohe Stresslevel zu erkennen, welche ein ernstzunehmendes Gesundheitsrisiko darstellen [2], und darauf zu reagieren. Dies könnte beispielsweise durch ein Abschalten unwichtiger Benachrichtigungen erfolgen [3]. Ein intelligentes Gebäude ist vor allem dadurch gekennzeichnet, dass es auf sich verändernde Gegebenheiten reagiert, und zwar autonom und im Interesse des Benutzers [4]. Es muss also über gut vernetzte Sensorik verfügen und aus einzelnen Messungen ein Modell der momentanen Umgebung schaffen können. Um angemessen auf eine Situation reagieren zu können, ist nicht nur die entsprechende Aktorik nötig, sondern auch ein Konzept zur Verarbeitung der Informationen und zur Ermittlung des Soll-Zustands. Die intelligente Umgebung beinhaltet Sensorik, Aktorik und intelligente Software. Bisherige Konzepte zum Entwurf und zur Steuerung solcher Systeme sind aber noch unausgereift. Es müssen intelligente Lösungen erarbeitet und erprobt werden [5].

Was ist das Ziel eines intelligenten Gebäudes?

Vernetzte Umgebungen werden immer mehr Einzug in unseren Alltag erhalten. Die Gebäude, in denen wir leben und arbeiten, sollten in Zukunft nicht nur energetisch bestmöglich agieren, sondern auch im Hinblick auf die Bedürfnisse der darin lebenden Menschen optimiert werden. Eine potentielle Herausforderung ist dabei das Finden einer Balance zwischen Energieoptimierung
und Bedürfnisorientierung. Auch Datenschutz und Sicherheit und Stabilität des Systems sind als Anforderungen nicht zu vernachlässigen. Ein zusätzlicher zentraler Punkt, auch für die Akzeptanz der Gebäude, wird das Thema Kontrolle sein. Die Zunahme automatisierter Funktionen intelligenter Gebäude birgt die Gefahr, dass die Kontrolle des Einzelnen abnimmt und sich die Mitarbeiter oder Bewohner möglicherweise bevormundet fühlen, was zu Unzufriedenheit und Stress führen würde [4]. Es muss also tatsächliche Kontrollmöglichkeiten geben, den Algorithmen des Gebäudes übergeordnet, und dass nicht nur bei Fehlfunktion des Systems. Die Entwicklung intelligenter Gebäude muss also zahlreiche Bedingungen erfüllen und erfordert eine interdisziplinäre Zusammenarbeit der Fachgebiete, von Architektur über Psychologie hin zur Informatik.

[1] Kim, J., & de Dear, R. (2012). Nonlinear relationships between individual IEQ factors and overall workspace satisfaction. Building and Environment, 49, 33-40.

[2] Muaremi, A., Arnrich, B. & Tröster, G. (2013). Towards measuring stress with smartphones and wearable devices during workday and sleep. BioNanoScience, 3(2), 172-183.

[3] Healey, J. A. & Picard, R. W. (2005). Detecting stress during real-world driving tasks using physiological sensors. IEEE Transactions on intelligent transportation systems, 6(2), 156-166.

[4] Reijula, J., Gröhn, M., Müller, K. & Reijula, K. (2011). Human well-being and flowing work in an intelligent work environment. Intelligent Buildings International, 3(4), 223-237.

[5] Schröder, L., Pörtner, A., König, M. & Hoffmann, M. (2016). Überlegungen zu Multi-Sensor-Aktor-Systemen und Kontrolle in intelligenten Arbeitsumgebungen. INFORMATIK 2016, 46. Jahrestagung der Gesellschaft für Informatik, Klagenfurt.

Lilian Schröder (B.A., B.Sc.) ist Mitarbeiterin im IoT-Lab und Institut für Intelligente Gebäude am Campus Minden der Fachhochschule Bielefeld. Darüber hinaus studiert sie im Masterstudiengang Informatik. Vor ihrem Informatikstudium hat sie einen Abschluss in Sprachwissenschaft und Psychologie erworben, und ist seitdem besonders interessiert an Mensch-Maschine-Interaktion und intelligenten Gebäuden.  

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