So verändert generative KI das Projektmanagement

Generative KI (GenAI) hat bereits jetzt erheblichen Einfluss auf den Projektberuf. Um das volle Potenzial von GenAI im Projektmanagement auszuschöpfen, benötigen Fachkräfte und Organisationen jedoch noch klare Strategien. Doch wie kann das gelingen? Welche Rolle spielen die Mitarbeitenden dabei und welchen Support müssen Unternehmen bereitstellen, um die idealen Voraussetzungen zu schaffen, damit die Technologie sinnvoll angewendet werden kann?
Von   Sandra Deichsel   |  Strategy Lead für Deutschland   |  Project Management Institute (PMI)
8. September 2025

So verändert generative KI das Projektmanagement

 

Generative KI (GenAI) hat bereits jetzt erheblichen Einfluss auf den Projektberuf. Um das volle Potenzial von GenAI im Projektmanagement auszuschöpfen, benötigen Fachkräfte und Organisationen jedoch noch klare Strategien. Doch wie kann das gelingen? Welche Rolle spielen die Mitarbeitenden dabei und welchen Support müssen Unternehmen bereitstellen, um die idealen Voraussetzungen zu schaffen, damit die Technologie sinnvoll angewendet werden kann?

Generative Künstliche Intelligenz zählt derzeit zu den einflussreichsten technologischen Entwicklungen – mit weitreichenden Auswirkungen auf Wirtschaft, Arbeitswelt und Gesellschaft. Auch im Projektumfeld eröffnen sich dadurch neue Chancen, komplexe Aufgaben effizienter zu bewältigen und die Projektarbeit deutlich zu verändern.

Die meisten Projektfachleute und Organisationen können durch den Einsatz von generativer KI bereits deutliche Produktivitätssteigerungen erzielen. Das belegt dritte Ausgabe des Reports „The Project Professional’s GenAI Journey“ des Project Management Institute (PMI). Um die transformative Kraft von GenAI freizusetzen, ist jedoch strategisches Commitment, eine Kultur des kontinuierlichen Lernens sowie eine fortschrittliche Umsetzungskompetenz von Fachkräften und Unternehmen gleichermaßen gefragt.

 

Eigeninitiative ist eine tragende Säule

Die meisten Projektfachleute können mit einfachen GenAI-Anwendungen schnell erste Erfolge erzielen. Dazu gehört beispielsweise eine Steigerung der Nutzungshäufigkeit und der Arbeitseffizienz um das Zwei- bis Dreifache. Die Ausschöpfung des vollen Potenzials von GenAI hängt jedoch von zwei Faktoren ab: der Bereitschaft und Initiative der Projektfachkräfte. „Bereitschaft“ bedeutet in diesem Kontext, technische Fähigkeiten, Domänenwissen und Projektmanagementkompetenz weiterzuentwickeln. „Eigeninitiative“ meint das Engagement in Bezug auf kontinuierliches Lernen, Experimentieren und Zusammenarbeit. Wie zum Beispiel aktiv an internen Hackathons teilzunehmen, eigene Prompt-Bibliotheken zu entwickeln oder sich in interdisziplinären Communities zu den Möglichkeiten von GenAI auszutauschen. Solche Aktivitäten stärken nicht nur die individuelle Kompetenz, sondern fördern auch organisationsweite Lernprozesse.

 

Abbildung 1: Die Kombination ist entscheidend – „Preparedness + Initiative“

 

Die Daten des Reports zeigen, dass „Vorreiter“ („Trailblazer“), also Personen, die GenAI in über fünfzig Prozent ihrer Projekte einsetzen, deutlich häufiger über diese Eigenschaften verfügen. Ihre Wahrscheinlichkeit, fortgeschrittene Adoptionsraten zu erreichen, ist achtmal so hoch wie bei „Entdeckern“ („Explorer“), die generative KI lediglich in ein bis fünfzehn Prozent ihrer Projekte nutzen. Noch deutlicher wird der Unterschied bei Produktivitätssteigerungen: Hier haben Trailblazer eine sechzehnmal höhere Chance, signifikante Effizienzgewinne zu erzielen. Charakteristisch für sie ist die Kombination aus Selbststudium und Unterstützung durch den Arbeitgeber sowie die Anwendung von GenAI bei komplexen Aufgaben, wie zum Beispiel Kostenmanagement und Support bei der Entscheidungsfindung.

Wie der Report belegt, spielt eine technikbegeisterte Denkweise eine entscheidende Rolle:  Die Hälfte (47 Prozent) der Trailblazer sind „Pioniere“ – also Early Adopters neuer Technologien –, während nur zwei Prozent „Late Adopters“ sind. Technologische Neugierde zeigt sich auch im Verhalten: Wie in Abbildung 2 dargestellt, experimentieren 58 Prozent der Trailblazer sehr häufig aktiv mit neuen GenAI-Anwendungen. Bei den Explorern sind es hingegen nur zwölf Prozent.

 

Abbildung 2: Technikbegeisterung im Vergleich: Trailblazer vs. Explorer

 

 

Empfehlungen für Projektfachleute und Organisationen

Aus dem Report lassen sich drei wesentliche Erkenntnisse für Projektfachkräfte ableiten. Erstens, sie müssen sowohl technisches Verständnis für generative KI als auch ausgeprägte Fachkenntnisse entwickeln, einschließlich unternehmerischem Denken. Diese Kombination ist entscheidend, um Produktivitätssteigerungen und reale transformative Ergebnisse zu erzielen. Zweitens müssen sie ihre Lernreise durch selbstgesteuertes Lernen und Experimentieren selbst in die Hand nehmen, auch bei begrenztem Support durch die eigene Organisation. Drittens sollten Projektfachkräfte den Fokus auf die Beherrschung komplexer Anwendungen wie Kostenmanagement und Entscheidungsunterstützung legen, da diese die höchsten Produktivitätssteigerungen versprechen.

Der Report liefert aber auch für Unternehmen klare Handlungsempfehlungen: Denn sogenannte „Peak Organizations“, die für Mitarbeitende einen strukturierten GenAI-Support bereitstellen, verzeichnen deutlich höhere Adoptions- und Performance-Raten als „Foundational Organizations“, die nur minimale Unterstützung bieten.

Die Empfehlung liegt daher auf der Hand: Organisationen sollten ihre Projektfachkräfte gezielt unterstützen, bei gleichzeitiger Förderung der Eigeninitiative. Denn am erfolgversprechendsten ist die Kombination aus unternehmensgesteuerten Initiativen und eigenständigem Lernen. Darüber hinaus sollte ein sicheres Umfeld geschaffen werden, in dem der Einsatz von generativer Künstlicher Intelligenz gefördert und Experimentierfreudigkeit unterstützt wird, statt das Potenzial der Technologie einzuschränken. Dies hilft Fachleuten dabei, über die Ausführung grundlegender Aufgaben hinauszugehen.

 

Projektmanagement-Expertise bleibt unerlässlich

Eines ist jedoch klar: Generative KI verstärkt das professionelle Urteilsvermögen zwar, ersetzt es aber nicht. Der Beruf muss sich weiterentwickeln, um neue Fähigkeiten wie die zeitnahe Entwicklung und Bewertung von KI-Tools zu integrieren und gleichzeitig die Fähigkeiten und Kompetenzen im Bereich des Geschäftssinns zu schärfen.

Generative KI verändert die Projektmanagement-Landschaft rasant und Fachleute, die sich proaktiv mit dieser Technologie auseinandersetzen, sichern sich einen Wettbewerbsvorteil. Große Bedeutung kommt dem kontinuierlichen Lernen sowie der eigenständigen Erweiterung des Erfahrungshorizonts zu. Hinzu kommt, dass es unerlässlich ist, dass Fachkräfte Unterstützung durch die eigene Organisation erfahren, um das transformative Potenzial von GenAI zu erschließen.

Generative KI bietet eine großartige Chance, die Rollen und Praktiken im Projektmanagement neu zu definieren. Wenn man diese Technologie proaktiv, offen und strategisch einsetzt, gestaltet man nicht nur die eigene Karriere, sondern trägt auch zur Zukunft des Projektmanagements bei. Dies ist ein deutlicher Aufruf zum Handeln: Nur diejenigen, die sich engagieren und bereit sind, Neues zu entdecken, werden Vorreiter im Zeitalter von GenAI sein. Anstatt zurückzuschrecken, gilt es, neugierig zu bleiben. Das bedeutet, sich nicht nur regelmäßig über neue GenAI-Tools und deren Einsatzmöglichkeiten zu informieren oder Micro-Learning-Formate zu nutzen, sondern auch, sich mithilfe gezielter Weiterbildungen die Potenziale von generativer KI zu erschließen. Nur so bleibt man auch in Zukunft relevant und kann die Entwicklung aktiv mitgestalten.

 

 

Zur Methodik des Reports

Zwischen Juli und September 2024 führte das Project Management Institute (PMI) die globale Studie durch, an der 2.000 Projektfachleute teilnahmen und bei der Daten aus achtzehn Branchen in zwölf Ländern erhoben wurden. Die Studie ist die dritte in einer Reihe globaler Forschungsprojekte, die darauf abzielen, den Status von generativer Künstlicher Intelligenz im Projektmanagementberuf zu verstehen. Zusätzlich zur Umfrage wurden sechzehn Fachexperten zu generativer KI und Projektmanagement in den acht wichtigsten geografischen Regionen von PMI befragt. Ihre Erfahrungen und Perspektiven ergänzen die Studienresultate.

Sandra Deichsel ist Strategy Lead für Deutschland bei PMI. Aufgrund ihrer langjährigen Erfahrung als Projekt- und Programmmanagerin sowie Dozentin in verschiedenen inner- und außereuropäischen Ländern weiß sie, wie wichtig projektbasiertes Arbeiten im Team für Unternehmen und Organisationen ist.

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