Notfall-Support im Wandel:
Was Führungskräften hilft
Die Transformation der Arbeitswelt schreitet in rasendem Tempo voran. Digitalisierung, neue Technologien wie Künstliche Intelligenz (KI), hybride Arbeitsmodelle, sich wandelnde Kundenerwartungen, ein verändertes Werteverständnis bei den Mitarbeitenden – all das fordert Unternehmen in ihrer Anpassungsfähigkeit. Doch Transformation ist kein klar abgegrenzter Projektzeitraum mit Start- und Endpunkt mehr. Sie ist ein Dauerzustand, und damit die Königsdisziplin von Führung. Viele Führungskräfte erleben in solchen Zeiten eine Doppelbelastung: Sie sollen ihre Teams durch den Wandel führen und zugleich das Tagesgeschäft am Laufen halten. Der operative Druck bleibt – Deadlines, Meetings, Budgetverantwortung – aber die Anforderungen an strategisches Denken, emotionale Intelligenz und Veränderungskompetenz steigen. Kein Wunder, dass sich viele überfordert fühlen. Die häufigste Rückmeldung in Coachings und Leadership-Programmen lautet derzeit: „Ich weiß nicht, wo ich anfangen soll.“
Wenn das Warnsignal erst mal da ist…
Es sind genau solche Sätze, die Mitarbeitende und Führungskräfte zum Nachdenken bringen sollten. Denn was zunächst wie eine persönliche Überforderung wirkt, ist oft Ausdruck systemischer Überlastung: fehlende Prioritäten, unklare Rollen, zu viele parallele Initiativen, mangelnde Kommunikation. Der erste Schritt besteht also darin, sich nicht für das Gefühl der Überforderung zu verurteilen, sondern es als Signal zu verstehen. Das bedeutet, dass Führung in der Transformation bestimmte Aufgaben erfüllen muss:
- Führung inmitten des Wandels braucht zunächst Klarheit – nicht im Sinne allwissender Antworten, sondern im Sinne einer ehrlichen Bestandsaufnahme: Wo stehen wir gerade als Organisation, als Team, als Person? Was läuft gut – was nicht? Welche Themen treiben uns um? Was wird überall diskutiert, aber nirgends entschieden? In dieser Phase geht es darum, die Luft anzuhalten, durchzuatmen und den inneren Kompass neu zu justieren.
- Die zweite zentrale Aufgabe ist Fokussierung. Zu oft herrscht das Prinzip „mehr ist mehr“ – mehr Projekte, mehr Meetings, mehr Maßnahmen. Doch genau das Gegenteil ist nötig. Gute Führung in Krisenzeiten heißt: Entscheiden, was nicht mehr gemacht wird. Es braucht Mut zur Lücke. Wer alles gleichzeitig verändern will, erreicht oft nur Erschöpfung. Eine klare Empfehlung lautet daher: Wenige, klar priorisierte Themen – dafür mit Verbindlichkeit, Ressourcen und klarer Kommunikation. Letzteres ist inmitten von Veränderungsprozessen das wirksamste Führungsinstrument. Voraussetzung ist, dass Kommunikation ehrlich, regelmäßig und dialogisch stattfindet. Mitarbeitende brauchen keine Hochglanzpräsentationen, sondern das Gefühl, dass die Führungskraft ansprechbar ist. Sie weiß, was los ist und hat einen Plan. Und wenn es gerade keinen Plan gibt, dann hat sie zumindest den Mut, das offen zu sagen. Genau diese Form der Transparenz schafft Vertrauen. Und Vertrauen ist der Kitt, der Organisationen in Krisen zusammenhält.
- Ein weiterer zentraler Aspekt, der in vielen Transformationsprozessen unterschätzt wird, ist Handlungsfähigkeit. Wenn Prozesse komplexer, Strukturen flexibler und Hierarchien flacher werden, braucht es klare Vereinbarungen: Wer entscheidet was? Wer ist wofür verantwortlich? Welche Spielräume bestehen – und wo ist eine Eskalation nötig? Ohne Klarheit in diesen Fragen entstehen informelle Machtspiele, Entscheidungsblockaden und Frustration. Ein effektiver erster Notfall-Support schafft hier Struktur, nicht durch neue Regeln, sondern durch Verständigung, Rollenklärung, Delegation und Empowerment.
- Und schließlich: Resilienz. Führungskräfte, die in Veränderungsprozessen bestehen wollen, brauchen mehr als operative Exzellenz. Sie brauchen mentale Stärke, Selbstführung und die Fähigkeit zur Regeneration. Denn wer ständig für andere da ist, muss auch auf sich selbst achten. Das beginnt mit simplen Fragen: Was gibt mir Kraft? Wo tanke ich auf? Wer unterstützt mich? Hinzu kommen organisationale Maßnahmen wie regelmäßige Reflexionsräume, Peer-Coachings, Feedbackkultur und Lernformate, die Resilienz fördern und verankern.
Transformation bedeutet auch „Stopp!“
Wie sieht der berühmte „Notfallplan“, den so viele Führungskräfte sich wünschen, konkret aus? Er beginnt zunächst mit einem Stopp. Nicht, um zu verharren, sondern um sich neu auszurichten. Danach folgen fünf Schritte, die in Verbindung mit den oben angeführten Aufgaben stehen:
1. Standortbestimmung – ehrlich, klar, ohne Schuldzuweisungen.
2. Priorisierung – radikal, fokussiert, gemeinsam erarbeitet.
3. Kommunikationsstrategie – regelmäßig, empathisch, verbindlich.
4. Klärung von Verantwortlichkeiten – transparent, entlastend, wirksam.
5. Aufbau von Resilienz – systematisch, individuell, als Führungsaufgabe verstanden.
Kompetenzen, die hier helfen, sind: Selbstführung, emotionale Intelligenz, systemisches Denken, Kommunikationsstärke, Entscheidungsfähigkeit und Coaching-Kompetenz. Diese Skills lassen sich gezielt entwickeln. So eignen sich praxisnahe Trainings, kollegiale Fallberatung, Lernreisen oder auch Micro-Formate wie Leadership-Sprints, um den Aufbau dieser Kompetenzen zu fördern. Ganz entscheidend sind eben auch die Formate, die Führungskräfte nicht aus dem Alltag reißen, sondern mit ihm verzahnt sind. Dabei geht es um Praxisnähe sowie darum, konkrete Fragestellungen einzubeziehen. Denn was Führung heute braucht, ist nicht noch mehr Theorie, sondern Umsetzungsstärke. Ein gutes Beispiel dafür sind kurze, intensive Lernformate mit Follow-up-Begleitung, in denen Führungskräfte aktuelle Herausforderungen bearbeiten, Feedback erhalten und neue Perspektiven entwickeln. Diese Interventionen setzen oft mehr in Bewegung als mehrtägige Seminare, weil sie fokussieren, aktivieren und Transfer sichern.
Führung ist nicht perfekt, aber präsent
Führungskräfte, die diese Schritte beherzigen, berichten häufig von einem Wandel im Wandel. Sie erleben, dass Klarheit neue Energie freisetzt, dass Reduktion Motivation erzeugt und dass Vertrauen der wirksamste Hebel ist, um in unsicheren Zeiten Stabilität zu schaffen. Sie führen nicht perfekt, aber präsent. Auch nicht allwissend, aber wirksam. Und genau das ist es, was gute Führung in der Transformation ausmacht. Die Fähigkeiten, die es dafür braucht, lassen sich nicht allein aus Büchern lernen. Sie entstehen im Tun, im Austausch und im Reflektieren.
Führung im Wandel braucht also keine Heldinnen und Helden. Sie braucht Menschen, die bereit sind, sich selbst zu führen, bevor sie andere führen, und die zuhören, statt vorschnell zu erklären. Sie treffen Entscheidungen, auch wenn nicht alle Informationen vorliegen. Und sie sind bereit gemeinsam mit ihrem Team Neues zu lernen. Der Wandel wird nicht warten. Aber gute Führung kann ihn gestalten. Nicht perfekt, aber mutig. Nicht allein, aber mit Haltung. Und genau das ist es, was den Unterschied macht– gerade dann, wenn alles in Bewegung ist.
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