Mehr als nur das Abhaken von Checklisten: Warum Human Risk Management für Unternehmen zum neuen Gebot der Cybersicherheit geworden ist

Von   Javvad Malik   |  leitender CISO-Berater bei KnowBe4   |  KnowBe4 Inc.
3. Dezember 2025

Mehr als nur das Abhaken von Checklisten:

Warum Human Risk Management für Unternehmen zum neuen Gebot der Cybersicherheit geworden ist

 

 

Im unerbittlichen Kampf gegen Cyberbedrohungen haben Unternehmen Milliarden in fortschrittliche Technologien wie z.B. Firewalls, Intrusion-Detection-Systeme und Endpoint-Schutz investiert. Dennoch ändert all das wenig an einer Tatsache, die zu den Hauptproblemen in der IT-Sicherheit gehört: In 68 % bis 90 % der Sicherheitsverletzungen ist der Faktor Mensch beteiligt. Diesen Fakt in den Fokus zu stellen, hat nichts mit Schuldzuweisungen zu tun; vielmehr geht es hierbei um die Möglichkeit zur Selbstreflexion. In einer Zeit, in der Mitarbeiter ständig beschäftigt und oft abgelenkt sind, und darüber hinaus auch zunehmend remote arbeiten, reicht es nicht mehr aus, sich auf die Durchführung allgemeiner, compliance-orientierter Schulungen zur Steigerung des Sicherheitsbewusstseins zu verlassen. Unternehmen, die ihren Fokus beim Thema Security weiterhin ausschließlich auf Technologien oder alljährliche Mitarbeiterschulungen konzentrieren, begehen einen strategischen Fehler, denn sie lassen eine massive Sicherheitslücke zu. Der Schlüssel zum Schließen dieser Lücke heißt: Human Risk Management (HRM).

 

Hacker legen ihren Fokus auf Mitarbeiter

Cyberkriminelle hacken nicht mehr nur Systeme, sondern auch die menschliche Natur. Sie nutzen dabei angeborene und tief in der Psyche der Menschen verwurzelte Bedürfnisse, Ängste und Gewohnheiten aus: unseren Wunsch danach hilfreich zu sein, unseren Respekt vor Autoritäten, unsere Angst, etwas Wichtiges zu verpassen – oder auch einfach die Tatsache, dass man in flüchtigen Momenten der Ablenkung dazu neigt, leichtsinnige Fehler zu machen. Social-Engineering-Taktiken, die jetzt durch KI noch mächtiger werden, machen es selbst den aufmerksamsten Mitarbeitern schwer, Bedrohungen rechtzeitig zu erkennen, insbesondere dann, wenn veraltete und fehleranfällige Erkennungstechnologien im Einsatz sind.

 

Umstellung auf einen menschenzentrierten Ansatz

Im Angesicht dieser Realität ist ein grundlegender Wandel der Sicherheitsstrategie von Organisationen notwendig: Es gilt, von einem isolierten, reaktiven Ansatz hin zu einem ganzheitlichen, menschenzentrierten Ansatz zu wechseln. Bei HRM handelt es sich nicht etwa um das reine Wiederverpacken lang bekannter Konzepte, wie Security Awareness Trainings, unter einem neuen Namen; es handelt sich hierbei um einen kontinuierlichen strategischen Prozess, der leistungsfähige Technologie mit tiefgreifenden Erkenntnissen zu menschlichem Verhalten verbindet. Es geht darum anzuerkennen, dass Menschen zwangsläufig Fehler machen. Um die Widerstandsfähigkeit einer Organisation sicherzustellen, muss proaktiv mit von Menschen verursachten Risiken umgegangen werden.

 

Grenzen traditioneller Security Awareness Trainings

Effektive HRM-Strategien bauen auf einem verhaltenswissenschaftlichen Fundament auf. Sicherheitsschulungen, die auf althergebrachten Ansätzen basieren, leiden oft unter Problemen wie mangelndem Engagement der Teilnehmer. Oft werden generische Inhalte verwendet, die nicht spezifisch auf den Einzelnen und den jeweiligen Aufgabenbereich zugeschnitten sind. Dadurch sind die Trainingsinhalte weniger relevant für den Arbeitsalltag der Mitarbeiter und diese zudem weniger motiviert, die Vorschriften und Handlungsempfehlungen zu verinnerlichen. So kommt es zu einer gefährlichen Kluft zwischen dem reinen Vermitteln von Informationen, die Bewusstsein schaffen sollen, und einem tatsächlich sicherheitsbewussten Handeln der Belegschaft. Anders ausgedrückt: Die Kenntnis einer Richtlinie garantiert nicht deren korrekte Anwendung unter Druck. Dies gilt insbesondere, wenn Angreifer durch cleveres Phishing kognitive Verzerrungen ausnutzen, um Nutzer beispielsweise durch das Erzeugen von Vertrautheit oder das Auslösen von Angst zum unüberlegten Handeln verleiten.

 

Grundprinzipien des modernen Human Risk Management

Ein moderner HRM-Ansatz umfasst mehrere Kernprinzipien:

●      Identifizieren von Schwachstellen: Umfassende Risikobewertungen sind unerlässlich, um individuelle Schwachstellen und Verhaltensweisen zu verstehen.

●      Personalisierung: Schulungen und Interventionen müssen auf die spezifischen Bedrohungen und Lernbedürfnisse der verschiedenen Teams und Rollen zugeschnitten sein.

●      KI und Automatisierung: Intelligente Technologien sind entscheidend für die Skalierung des Ansatzes, die Personalisierung von Interventionen und die Ableitung datengestützter Erkenntnisse.

●      Risikoquantifizierung: HRM ist ein iterativer Prozess, bei dem Strategien auf der Grundlage von Kennzahlen ständig verfeinert werden, um eine quantifizierbare Risikobewertung für Mitarbeiter zu ermöglichen.

●      Menschenorientierte Richtlinien: Richtlinien sollten sowohl klar und relevant als auch einfühlsam sein, und unter Berücksichtigung von Aspekten der Benutzererfahrung entwickelt werden.

●      Engagement der Führungskräfte: Die Unterstützung durch die Geschäftsleitung ist entscheidend, um die strategische Bedeutung des HRM zu unterstreichen.

●      Den menschlichen Aspekt nicht vergessen: Egal wie leistungsstark die Technologie auch sein mag, persönliches Coaching und die Förderung eines Gefühls der gemeinsamen Verantwortung bleiben unverzichtbar.

 

Leitfaden zur Umsetzung: Das DEEP-Framework

Um diesen Ansatz zu strukturieren, erweist sich ein konzeptionelles Modell wie DEEP (Defend, Educate, Empower, Protect) als äußerst wertvoll:

·       Defend konzentriert sich auf technische Sicherheitsvorkehrungen, um die Angriffsfläche zu minimieren.

·       Educate vermittelt den Mitarbeitern das Wissen und die Fähigkeiten, um Bedrohungen zu erkennen.

·       Empower fördert eine positive Sicherheitskultur und stellt benutzerfreundliche Tools zur Verfügung, die sichere Entscheidungen intuitiv machen.

·       Protect bietet robuste Reaktionspläne, um die Folgen von Fehlern zu begrenzen und Erkenntnisse in die anderen Säulen zurückfließen zu lassen, wodurch ein kontinuierlicher Verbesserungskreislauf entsteht.

 

Implementierung von Human Risk Management

Die erfolgreiche Umsetzung einer soliden und umfassenden Strategie profitiert wesentlich vom Einsatz einer integrierten HRM-Plattform. Auf diese Weise wird ein Maß Skalierbarkeit, Datenintegration und Automatisierung ermöglicht, das mit fragmentierten Lösungen nicht erreichbar ist. Plattformen unterstützen Unternehmen dabei das DEEP-Framework zu operationalisieren. Sie nutzen KI zur Optimierung diverser Anwendungsfälle: personalisierte Schulungen, erweiterte E-Mail-Sicherheit, automatisierte Reaktion auf Vorfälle und Echtzeit-Coaching. Eine weitere wichtige Komponente ist auch die Möglichkeit, individuelle Risikobewertungen anfertigen zu lassen. Diese ermöglichen gezielte Interventionen, wodurch messbare Risikominderungen erzielt werden können.

 

Strategische Notwendigkeit

Human Risk Management ist weder ein im Personalwesen zu verordnender „Soft Skill“ noch eine reine Angelegenheit von IT-Sicherheitsteams; ebenso wenig handelt es sich hierbei um halbherzig durchgeführte Sicherheitsschulungen zur reinen Erfüllung von Vorschriften. In einer Zeit, in der sich zunehmend raffinierte und KI-gestützte Cyber-Angriffe auf Organisationen häufen – und dabei in den meisten Fällen den Faktor Mensch als Fehlerquelle und Eintrittstor ins Visier nehmen – ist Human Risk Management zu einer strategischen Notwendigkeit geworden. Indem das menschliche Element von einer potenziellen Schwachstelle in eine starke und zuverlässige Verteidigungslinie verwandelt wird, können Unternehmen echte Cyber-Resilienz und spürbare operative wie auch finanzielle Vorteile realisieren.

Javvad Malik ist leitender CISO-Berater bei KnowBe4. Malik ist ein IT-Sicherheitsexperte mit über 20 Jahren Erfahrung als IT-Sicherheitsadministrator, Berater, Branchenanalyst und Sicherheitsbeauftragter. Er ist außerdem mehrfacher Preisträger und hält derzeit den Guinness-Weltrekord für die meisten Aufrufe einer Cybersicherheitslektion auf YouTube innerhalb von 24 Stunden.

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