Mentale Probleme nehmen zu, wie unterstützen wir einen offenen Umgang damit?

Von   Petra Bernatzeder   |  Geschäftsführung   |  upgrade human resources GmbH
15. August 2022

Fühlten Sie auch ein gewisses Unbehagen mit dem Beginn der 2020er Jahre? Sie erinnern sich vielleicht? Immer wieder wurden die „Goldenen 20er“ des vorherigen Jahrhunderts reflektiert mit seinen gewaltigen politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verwerfungen. Nun, in den vergangenen 2,5 Jahren mussten wir erleben, dass es noch deutlich dramatischer werden kann.
Druck, Dynamik, Komplexität, Krisen, Engpässe, Ängste und Sorgen nehmen zu. Auch mentale Probleme und Erkrankungen steigen weiter an. Psychotherapeutische Praxen und Einrichtungen sind völlig überlaufen.
Die meisten Unternehmen bieten inzwischen niederschwellige Beratung oder Coaching sowie mehr und mehr Trainings zur mentalen Stärke oder Resilienz an. Kürzlich beschwerte sich ein Personaler bei mir, dass die Menschen die Angebote nicht entsprechend wahrnehmen. Was hilft, ist eine professionelle Kommunikation über innerbetriebliche Medien, damit die Menschen diese auch annehmen und „Psycho-Themen“ aus der Tabuzone kommen.
Konkrete Fragen, die sich im Hinblick auf diese Entstigmatisierung stellen:


• Was trägt dazu bei, dass mentale Stärke aber auch das mögliche Risiko von Überlastungen oder Erkrankungen besprechbar werden?
• Wie kann Sorge und Scham zu „Schwächlingen“ zu gehören, aufgelöst werden? Was kann dazu beitragen, dass Menschen mit Depressionen – auch bei bestehender Erkrankung – als vollwertige Menschen angesehen werden?
• Wie können Kollegen nach erfolgter stationärer Psychotherapie während der Wiedereingliederung auf dieses Thema angesprochen werden? Über einen gebrochenen Fuß, dessen Operation sowie Krankengymnastik lässt sich unbeschwert plaudern. Aber über die Erfahrungen während einer stationären Psychotherapie??


Die Antwort ist einfach: Fallbeispiele, die emotional berühren können.
Die anscheinend einfachste Frage ist:
Was helfen die besten Angebote, wenn sie nicht so kommuniziert werden, dass die Menschen sie auch wahrnehmen? Eine der möglichen Antworten liefert die Gestaltung der Ansprache und der konkreten Angebote entsprechend der Motivlage und das sind drei völlig unterschiedliche Ausgangssituationen:


• Wozu ist dieses Thema wichtig für mich? Hier werden häufig Risikofaktoren formuliert, um Veränderungsbereitschaft zu wecken. Dass dieses Vorgehen nur bedingt erfolgreich ist, sehen wir an den Risiko-Botschaften auf Zigarettenschachteln.
• Welches emotional wirksame Ziel hilft mir „dran“ zu bleiben? Die ersten Schritte sind gemacht, jedoch nach ein paar Wochen versanden die positiven Ansätze, weil „keine Zeit“ ist. Hier helfen „Vorher-Nachher“ Fotos, persönliche Zielbilder und Geschichten von Vorbildern: „Wie lebe und arbeite ich jetzt, nachdem ich regelmäßig Pausen in meinen Alltag integriert habe“.
• Wie kann ich einen Rückfall in alte Gewohnheiten verhindern? Wenn jemand, der für seine persönliche Gesundheit bereits Ziele erreicht und einige Routinen in seinen Alltag eingebaut hat, mit „Risiko“- oder „Vorher-nachher“-Botschaften angesprochen wird, gehen diese an ihm vorbei. Hier wären Angebote der Rückfallprävention in ungesunde Gewohnheiten oder Ideen zur Wiederaufnahme eingeschlafener neuer Gewohnheiten angemessen.

Für alle Botschaften gilt: Unser Gehirn braucht klare Bilder, um effektiv Informationen zu verarbeiten. Ein Beispiel sind die Botschaften an der Autobahn. Manchmal finden wir immer noch Plakate auf denen zu lesen ist „Nicht drängeln“. Welches Bild bleibt haften? Genau „drängeln“.

Führungskräfte als „Ambassadors“
Sie haben die Chance mit kleinen Ritualen positiven Einfluss auf die mentale Stärke von sich und ihren Teams zu nehmen. Beispielsweise indem sie:


• Mentale Stärke zum Thema machen, z.B. in Teammeetings Achtsamkeitssessions einführen oder die persönlichen Ansätze zur Balance der Lebensbereiche erwähnen
• Sich ihrer Vorbildfunktion für Gesunderhaltung bewusst sind
• Regelmäßige Diskussion führen zu „Was macht uns bei der Arbeit Freude?“ “Was kostet uns Energie?“ und mit dem Team konkrete Punkte optimieren
• In Teammeetings erreichte Ergebnisse und Erfolge ansprechen und visualisieren, für sich selbst und alle anderen
• Fehler- und Feedbackkultur auch im Hinblick auf mentale Stärke optimieren


Erfolgskritisch ist es einzelne Puzzlesteine in einem Gesamtbild zu platzieren. Schon Sokrates sagte vor 2.400 Jahren „Das gute Gelingen ist zwar nichts Kleines, fängt aber mit Kleinigkeiten an“.

ist Diplom-Psychologin, Coach, Expertin für mentale Stärke und Geschäftsführende Gesellschafterin der upgrade human resources GmbH. Sie gehört dem Herausgeberbeirat des Fachmagazins health@work an.

Um einen Kommentar zu hinterlassen müssen sie Autor sein, oder mit Ihrem LinkedIn Account eingeloggt sein.

30050

share

Artikel teilen

Top Artikel

Ähnliche Artikel