KI-basiertes Input Management macht Dokumentenprozesse effektiver

Von   Daniel Szlapka   |  Managing Director der DTI GmbH   |  DIT Schweiz AG
30. Juli 2020

Unternehmen mit intensivem Endkundengeschäft bearbeiten täglich hunderte Dokumente, die sie häufig noch in Papierform erreichen. Banken, Versicherungen, Telekom- und Energiedienstleister, Verlage und andere Dienstleister auf Massenmärkten arbeiten deshalb in ihren Poststellen mit Scannern, um diesen Input automatisiert in ihre Dokumentenmanagementsysteme einzuspeisen. Die Herausforderung bei diesem Input Management: Die Systeme müssen die Daten digital erfassen, auswerten, klassifizieren und dem richtigen Prozess, Vorgang, Kundenkonto oder Mitarbeiter zuordnen. Vor allem bei Unternehmen, die zahlreiche verschiedene dokumentenbasierte Prozesse administrieren, scheitern viele mit ihrem Input Management. Früher oder später werden Input Management Lösungen immer fehleranfälliger und verursachen wieder so viel Zeitaufwand wie früher die manuelle Bearbeitung. Denn Dokumente, Inhalte, Bearbeiter, Prozesse und Formate sowie Dokumentenklassen ändern sich schneller, als einmal eingerichtete Input Management Systeme dem Wandel folgen oder angepasst werden können. Die Lösung ist Next Generation Input Management. Daniel Szlapka, Managing Director der DTI GmbH, erläutert, wie heutige Systeme arbeiten, welche Rolle dabei der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) spielt und wie Unternehmen den betriebswirtschaftlichen Return On Invest in kürzester Zeit realisieren.
Die größte Herausforderung bei der automatisierten Verarbeitung von Briefpost ist, dass bei den Absendern blanke Anarchie vorherrscht. Jeder schreibt zentrale Informationen wie Mandanten- oder Vorgangs- oder Rechnungsnummer anders oder an anderer Stelle. Für die Klassifizierung eines Dokumentes sind Variablen, fehlende oder fehlerhafte Informationen sowie unterschiedliche Schreibweisen aber eine echte Herausforderung. Während ein menschlicher Bearbeiter aus dem Kontext in der Regel nach ein paar Minuten erkennt, in welchen Prozess, an welchen Bearbeiter oder in welche Akte er ein Dokument einsortieren sollte, muss ein Input Management System dafür per Hand konfiguriert werden. Für jede Regel und häufig zahlreiche Abweichungen muss ein Bearbeiter vorgeben, wie Zahlen aus Feldern oder Tabellen, Texte aus Formularen oder unformatierten Dokumenten übernommen und richtig in Zielsysteme übertragen werden. Und hier fangen die eigentlichen Probleme erst an. Vor allem für Unternehmen, die täglich hunderte Seiten automatisch verarbeiten sowie Dutzende verschiedene Dokumentenklassen beherrschen müssen. Die Erkennungsrate sinkt, die Präzision, also die richtige Zuordnung, lässt nach, und der Automatisierungsgrad des Systems reduziert sich immer mehr. Als Folge steigen bei vielen Altsystemen die Aufwände für die Systempflege und vor allem die händische Nachbearbeitung der Datenextraktion und Prozesszuordnung. Irgendwann kommen die meisten Nutzer solcher Altsystems zu der Entscheidung, dass nur die Flucht nach vorne hilft und ein neues Input Management weiterhilft.

Next Generation Input Management On-Premises, in der Cloud oder hybrid

Bei der Anschaffung eines neuen Input Managements tragen in vielen Unternehmen die Fachabteilungen zunächst ihre Bedenken vor. Datenschutz, Administration und Kosten werden ins Feld geführt und die Angst, sich wieder einen proprietären Monolith ins Haus zu holen, der früher oder später entweder mit den Anforderungen oder dem Wachstum nicht Schritt halten kann. Bei einigen am Markt befindlichen Input Management-Lösungen treffen solche Vorbehalte wohl auch noch häufig zu. Systeme führender Anbieter entsprechen aber anders als früher nicht mehr trägen IT-Tankern; vielmehr gleichen sie eher einer Flotte agiler Schnellboote, die vernetzt sind und unterschiedliche Micro Services im Flottenverbund bereitstellen. Sie sind nämlich modular aufgebaut, basieren auf aktuellen Datenbank- und Software-Standards, die weit über die Microsoft-Welt hinausragen. So bildet beispielsweise das Programmierprinzip Rest (Representational State Transfer) eine Schnittstelle, über die verteilte Systeme und vor allem vernetzte Webservices kommunizieren. Innovative Input Management Systeme arbeiten mit solchen Micro Services, die auf einer gemeinsamen Software-Plattform basieren. Änderungen an einzelnen Micro Services haben keine Rückwirkungen auf ältere oder das Gesamtsystem. Sie sind anders als früher schneller und agiler in die Anwendung zu integrieren. Sie sind deshalb entwicklungsfähig und ermöglichen einen schnellen Roll-out auch neuer Micro Services. Innovative Input Management Lösungen sind darüber hinaus variabel einsetzbar: Ob On-Premise, nativ in der Cloud oder in einer hybriden Installation bieten sie den Anwendern eine hohe Nutzer-Experience. Sie funktionieren mit jedem Standardbrowser, sind selbstverständlich responsive programmiert und lassen sich daher mit ihrer Grafische Benutzeroberfläche (GUI, Graphic User Interface) von jedem Endgerät mit Internetzugang aus nutzen. Vor allem integrieren sie KI-Funktionen, die bei der Datenextraktion und Klassifizierung von Dokumenten in der Praxis unverzichtbare Vorteile bieten.

Selbstlernende KI steigert Treffsicherheit

Je nach dem, welche Dokumentenklassen, Prozesse und Bearbeiter in einem Unternehmen bestehen und wie umfangreich Rechnungen, Schadenmitteilungen, Anträge oder gar Verträge sind und extrahiert werden müssen, um sie richtig zuzuordnen, muss ein IMS sehr agil und leistungsfähig sein. Auf Standardfunktionen wie optische Texterkennung mittels OCR kommt es dabei natürlich weiterhin an. Wichtiger sind aber ein Verständnis natürlicher Sprache (Natural Language Processing, NLP), um Inhalte richtig zu verstehen, sie also auszuwerten, um sie dann erst zuzuordnen. Für diese anspruchsvollen Aufgaben kommen in fortschrittlichen Input Management Lösungen KI-Algorithmen zum Einsatz, die bei der semantischen und kognitiven Interpretation von Texten bereits sehr nah an den menschlichen Verstand heranreichen. Bei einer Formulierung wie „Herzinfarkt ausgeschlossen“ muss die KI auch die Polarität der Aussage erkennen und eben auswerten, dass bei einer solchen Aussage zwar die Möglichkeit eines Herzinfarktes geprüft, dieser sich aber nicht bestätigt hat. Natürlich muss ein solches System zunächst für die Kundenanforderungen konfiguriert und für die verschiedenen Dokumentenklassen „angelernt“ werden. Dafür braucht es Trainingsdaten, mit denen die KI mit den zuvor definierten Regeln lernt. Durch menschliche Korrekturen eignet sich die KI das „Wissen“ an, wie sie künftig die Regeln anwenden soll. Aber anders als die bisher meisten KI-Algorithmen arbeiten diese nicht als eine Black Box, deren Ergebnisse im Idealfall immer besser werden; im „worst case“ kann sich die KI aber auch ohne Kontrolle „überlernen“ oder durch Falscheingaben verschlechtern. Die Konsequenz daraus ist, dass die Performance sinkt. Bei einem innovativen Input Management lassen sich die Wege der Lernerfolge mittlerweile automatisiert zurückverfolgen und feinsteuern. Denn: Die KI-Algorithmen lernen aus den eigenen Fehlern und werden so immer schlauer. Die Erkennungsrate und die Präzision steigen und damit auch der Automatisierungsgrad.

KI orientiert sich am Menschen und verbessert sich automatisch

Die komplexen Funktionen dahinter basieren auf maschinellem Lernen (Machine Learning, ML). Die Klassifizierung und Erkennung von Dokumenten mit ML erfolgt im laufenden Produktivbetrieb mit den eingehenden Dokumenten sowohl mit einem überwachten als auch mit einem unbeaufsichtigten kontinuierlichen Training. Beim überwachten Lernen analysieren die Sachbearbeiter die Klassifikationen der ihnen zugeordneten Dokumente, korrigieren Falscheinträge oder unzulässige Interpretationen und bewerten sie. Mit diesen Korrekturen oder Freigaben geben sie den KI-Algorithmen auch neue Muster oder modifizieren bisher gelernte Regeln. Diese Korrekturen nutzt die KI, um mit unbeaufsichtigtem Lernen sich selbständig zu verbessern. Die Algorithmen verfeinern damit ihre Erkennungsleistung im laufenden Produktivbetrieb. Damit generiert die KI zusätzliches Wissen über Regeln und Ausnahmen und baut sie in ihre weitere Anwendung ein. Die KI lernt also einerseits selbsttätig, orientiert sich aber am Menschen und das bei einer größtmöglichen Transparenz und Nachvollziehbarkeit ihrer Lernerfolge.

„Supervised Learning“ verhindert Gefahr des Überlernens

Eigentlich wäre diese Unterordnung der KI unter die von Menschen „vorgelebte Weisheit“ bereits eine beträchtliche Innovation gegenüber den normalen Lernprozessen einer KI in „Black Boxes“. In aktuellen Input Management Lösungen wertet die KI des Weiteren ihre eigenen Arbeitserfolge aus, erstellt Statistiken und vergleicht sich über verschiedene Zeiträume mit produktiven Daten. „Merken“ die Algorithmen, dass ihre Erkennungsrate sinkt und sie bei der Klassifikation in ihrer Präzision gegenüber einem vorangegangenen Zeitraum nachgelassen haben, analysieren sie die Ursachen und lernen auch daraus. Diese regelmäßige Benchmark-Analyse verbessert damit die Leistungen über verschiedene Zeiträume. Je seltener eine menschliche Korrektur notwendig ist, desto besser arbeitet die KI im täglichen Produktiveinsatz. Die Parameter dabei sind Erkennungsrate und die Präzision und als Folge daraus der Automatisierungsgrad. Das System versucht sich ständig zu optimieren. Die Maschine merkt anhand der menschlichen Korrekturen, wenn sie etwas falsch erkannt oder zugeordnet hat und verbessert sich von alleine und automatisch. Vor allem aber eben nur dann, wenn es sich auch wirklich verbessert. Die menschlichen Eingriffe sorgen quasi als Supervisoren dafür, dass die Lernprozesse der KI aufkommende Fehlentwicklungen frühzeitig korrigiert werden. Die Gefahr eines Überlernens, wie es häufig bei KI geschieht, besteht also nicht. Durch diese Eigenschaften sowie seine modulare Architektur ist ein solches Input Managements schnell in bestehende IT-Landschaften zu integrieren und auch schneller produktiv. Schon nach kurzer Zeit können solche Input Management Lösungen eine Erkennungsrate von bis zu 95 Prozent und eine Präzision von bis zu 99 Prozent erreichen. Bei täglich 1.000 Dokumenten wären dann nur noch bei 50 bis 60 Dokumenten nach der Klassifikation Korrekturen durch den Menschen notwendig.

Return on Invest in kürzester Zeit

Und das bedeutet gleichzeitig, dass mindestens 940 Dokumente und deren Inhalte aus Formularen und Tabellen, Zahlen, Handschriften und unterschiedlich lange Texte, von Einzeilern bis zu mehrseitigen Verträgen, richtig eingescannt, ausgewertet und automatisch richtig klassifiziert sind. Sie liegen dann dem richtigen Bearbeiter vor, die Daten sind in den richtigen Zielsystemen beziehungsweisen elektronischen Kundenakten angekommen. Für die Arbeit der Mitarbeiter in Schadenabteilungen oder Kundencentern bedeutet dies, dass sie die Dokumente in ihrem digitalen Workflow nahtlos bearbeiten können. Der interne Aufwand für Nachfragen oder die Suche nach Dokumenten entfällt. Alleine auf dieser Basis kann ein KI-basiertes Input Management je nach Unternehmensgröße schnell Einsparungen von mehreren Hunderttausend Euro pro Jahr erzielen, wie Praxisbeispiele zeigen: Ein IT-Dienstleister für Banken, der jährlich über 30 Millionen Seiten mit 120 Dokumentenklassen verarbeitet, erreichte nach Installation, Konfiguration und dem Anlernen einen Automatisierungsgrad von 89 Prozent und eine Präzision von 97,5 Prozent. Das Unternehmen berechnete nach Einführung eines solchen IMS eine Einsparung von 350.000 Euro pro Jahr. Ein anderer IT-Dienstleister für Versicherungen, der unter anderem hoch komplexe Kfz-Schadenakten mit 200 Feldern und sieben Tabellen in rund 15 Millionen Seiten automatisiert mit einem Input Management System verarbeitet, senkte seine Verarbeitungszeiten um 50 Prozent. Alle Dokumente sind zudem rechtssicher archiviert. Die Einhaltung von Compliance-Vorschriften, Datenschutz- und steuerrechtliche Aufbewahrungspflichten sind gleichsam nebenbei erfüllt.

Fazit: KI-basiertes Input Management unverzichtbare für Digitalisierung

Bei einer Berechnung des Returns on Invest sind daher keine einfachen Rechnungen wie Anschaffungskosten minus eingesparter Arbeitszeit ausreichend. So sehr diese für Budgetfragen relevant sind, liegt der Wertbeitrag eines KI-basierten Input Managements vor allem im organisationalen Fortschritt. Veraltete und monolithische Lösungen beschäftigen in vielen Unternehmen mittlerweile einen Aufwand ganzer Abteilungen für die Nachbearbeitung der Dokumentenklassifikation. Ihre Systeme können dem Wachstum nicht mehr Schritt halten, sind unflexibel und haben häufig ohnehin das Ende ihres Lebenszyklus erreicht. Unternehmen, die bisher viel Zeit mit Überwachung und Korrekturen ihres Input Managements aufwenden, machen mit einem KI-basierten Input Management auf jeden Fall einen großen Schritt auf dem Weg zu einer Ende-zu-Ende Digitalisierung ihrer Prozesse.

 

Daniel Szlapka verfügt 20 Jahre praktische Erfahrung in dem Bereich Input Management. Nach seiner Ausbildung und Studium in der Informatik durchlief er viele Stationen von der Software-Entwicklung über Prozess-Beratung bis hin zum Sales Development.

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