HPC-Plattformen: Zukunftssichere Basis für moderne Fahrzeuge

Für Hersteller und Technologiepartner geht es heute darum, die Datenverarbeitung in Fahrzeugen zu zentralisieren. HPC-Plattformen sind dafür eine optimale Lösung, denn sie können Daten aus diversen Quellen, wie zum Beispiel Kameras, Radarsensoren und drahtlosen Netzwerken, erfassen und mit geringer Latenz verarbeiten. Das liefert die Grundlage für die User Experience und Konnektivität, die Endkunden von Fahrzeugen erwarten. Wichtige Komponenten wie Advanced Driver-Assistance Systems (ADAS) und auch das Infotainment profitieren davon.
Von   Benjamin Gould   |  Director of Product Management, Compute   |  Aptiv
4. November 2024

HPC-Plattformen:

Zukunftssichere Basis für moderne Fahrzeuge

 

In der Automobilindustrie kommt zunehmend High-Performance Computing (HPC) zum Einsatz, um die wachsenden Anforderungen an die Datenverarbeitung in softwaredefinierten Fahrzeugen zu erfüllen. Bei dem Ansatz wird eine HPC-Plattform als Hardware ins Fahrzeug integriert, die viele Funktionen unterstützt und das gesamte Fahrzeugleben überdauert.

Für Hersteller und Technologiepartner geht es heute darum, die Datenverarbeitung in Fahrzeugen zu zentralisieren. HPC-Plattformen sind dafür eine optimale Lösung, denn sie können Daten aus diversen Quellen, wie zum Beispiel Kameras, Radarsensoren und drahtlosen Netzwerken, erfassen und mit geringer Latenz verarbeiten. Das liefert die Grundlage für die User Experience und Konnektivität, die Endkunden von Fahrzeugen erwarten. Wichtige Komponenten wie Advanced Driver-Assistance Systems (ADAS) und auch das Infotainment profitieren davon.

 

Fahrzeugarchitektur neu gedacht

Der Ansatz einer verteilten Fahrzeugarchitektur wird zunehmend untauglich. Endkunden erwarten in modernen Fahrzeugen mehr intelligente Funktionen. Für jede Funktion eine eigene elektronische Steuereinheit zu nutzen und die Datenverarbeitung separat durchzuführen, macht die Entwicklung und Validierung komplizierter. Außerdem würde die Zahl der Geräte in Fahrzeugen zu viel Platz in Anspruch nehmen. Aus diesem Grund gehen Hersteller und Technologiepartner dazu über, Funktionen in zentrale HPC-Plattformen zu integrieren – als Teil einer allgemeinen Umstellung auf eine zonale Architektur. Das trägt dazu bei, die Verkabelung, das Gewicht, die Kosten und die Komplexität von Fahrzeugen insgesamt zu minimieren.

 

Anderer Umgang mit Hard- und Software

Die Softwarearchitektur von Fahrzeugen entscheidet darüber, ob sich HPC-Plattformen und einzelne Funktionen im Laufe der Zeit weiterentwickeln lassen. Eine Architektur, die Hard- und Software entkoppelt, ermöglicht es, Teile einer HPC-Plattform bei Bedarf einfach auszutauschen. Die Entkopplung führt auch dazu, dass die Entwicklung, Bereitstellung und Aktualisierung von Software nach einem eigenen Zeitplan erfolgen kann. Eventuelle Einschränkungen der Hardware spielen keine Rolle mehr.

 

Datenaustausch regeln

Zu den elementaren Bestandteilen einer passenden Softwarearchitektur gehören beispielsweise Application Programming Interfaces (APIs), die den Datenaustausch in Fahrzeugen standardisieren und vereinfachen. Über sie können Geräte auf einer unteren Ebene der Fahrzeugarchitektur ihre Daten standardisiert an Software auf einer oberen Ebene weitergeben. So gelangen zum Beispiel die Daten von Sensoren und Aktoren zur HPC-Plattform.

 

Unabhängigkeit der Systeme und Funktionen

Es kommt auch darauf an, die Softwarekomponenten hinter den Funktionen von Fahrzeugen als einzelne Services umzusetzen. Diese Service-Oriented Architecture (SOA) ermöglicht die unabhängige Bereitstellung und Wiederverwendung von Software. Die Dienste führen Aufgaben automatisch aus, reagieren auf Ereignisse und übermitteln Daten an andere Software. Jeder Service dient einer bestimmten Funktion und kann mit anderen relevanten Diensten über Betriebssysteme und Programmiersprachen hinweg kommunizieren.

HPC-Plattformen und Hypervisoren werden für die Virtualisierung von Software in Fahrzeugen genutzt. Auf ihrer Grundlage können nebeneinander verschiedene Gastbetriebssysteme laufen, um jeweils andere Anforderungen zu erfüllen. Aber was bedeutet das genau? Im Bereich der User Experience steuert beispielsweise ein System, das den gesetzlichen Vorgaben für Fahrzeugsicherheit entsprechen muss, das Kombiinstrument. Parallel dazu gibt es die Option, Android mitsamt aller Funktionen als separates System zu betreiben. Dabei bleibt Android über Jahre hinweg aktualisierbar und durch neue Apps und Funktionen erweiterbar. Insgesamt beeinträchtigen sich die Systeme nicht, obwohl alle auf derselben HPC-Plattform aufbauen.

In Verbindung mit HPC-Plattformen kommen zudem Hypervisoren zum Einsatz, um die Rechenleistung je nach Situation dynamisch zuzuweisen. Auf einer freien Straße steht dabei viel Rechenleistung zur Verfügung. Dadurch können HPC-Plattformen die Systeme für Infotainment und die allgemeine User Experience mit voller Kapazität betreiben. Wenn Fahrzeuge aber eine Baustelle mit Schildern, Spurwechseln und starkem Verkehr erreichen, verlagern sie die Rechenleistung für die Verarbeitung der großen Menge neuer Sensordaten. Dabei stellt der Hypervisor weiterhin die Servicequalität der Infotainment-Domain sicher, während er bestimmte Hintergrund-Tasks im Fahrzeug pausiert, um Ressourcen freizugeben.

 

Bedeutung von Containerisierung

Eine weitere große Rolle spielt die Containerisierung von Software beziehungsweise Services. Sie bietet Herstellern und Technologiepartnern die Flexibilität, Funktionen einzeln zu ändern, anstatt stets die gesamte Codebasis zu aktualisieren. Zugleich stellt der Ansatz sicher, dass Updates keine negativen Auswirkungen auf andere und eventuell sicherheitskritische Software in Fahrzeugen haben. Das alles gewährleistet die Containerisierung, bei der HPC-Plattformen wie eine Art Server fungieren und die Services effizient managen.

Aufgrund der Flexibilität und Sicherheit bildet die Containerisierung eine wichtige Basis für zukünftige Innovationen und Verbesserungen der Fahrzeugtechnologie. Hersteller und Zulieferer können mit Over-the-Air-Updates (OTA-Updates) nahezu in Echtzeit neue Funktionen einführen, bestehende Programmfehler beheben und die Performance von Systemen optimieren. Die Codebasis bleibt aktualisierbar, um jederzeit mit den steigenden Anforderungen an Software Schritt zu halten.

Mit einer HPC-Plattform eröffnet sich für Softwareentwickler zudem die Chance, ganz neue Funktionen zu realisieren. In Fahrzeugen gibt es Systeme, die nicht miteinander kommunizieren können. Wenn die Datenverarbeitung aber zentral stattfindet, sehen Entwickler die Informationen zur Steuerung aller Systeme direkt in der zugrundeliegenden Software. Daher können sie neue Funktionen schreiben, die unterschiedliche Systeme zum ersten Mal kombinieren. Die Befehle gehen dabei separat von der HPC-Plattform an die Systeme. Durch diese Softwarearchitektur können Entwickler zum Beispiel dafür sorgen, dass beim Betätigen der Hupe gleichzeitig das Fernlicht aktiviert wird, falls das irgendwann einmal eine Vorschrift vorsieht.

 

Widerstandsfähigkeit beweisen

Meist arbeiten HPC-Plattformen in überwachten und klimatisierten Umgebungen, wie beispielsweise Rechenzentren. IT-Teams können immer auf die Hardware zugreifen – ein Ausgangspunkt für optimales Lifecycle Management und den einfachen, kontinuierlichen Austausch von Teilen.

In Fahrzeugen sieht die Situation aber ganz anders aus. HPC-Plattformen müssen dort über viele Jahre hinweg und unter harten Bedingungen eigenständig und lückenlos funktionieren. Das erfordert Hardware und Gehäuse, die durch ihre Robustheit extremen Temperaturen, Feuchtigkeit und starken Vibrationen standhalten.

 

Schlüssel für softwaredefinierte Fahrzeuge

Der Mehrwert von HPC-Plattformen für softwaredefinierte Fahrzeuge ist unbestritten. Sie übernehmen nicht nur die Datenverarbeitung, sondern orchestrieren auch den Datenverkehr und setzen Programmcode durch Befehle in Aktionen um. HPC-Plattformen richten Befehle über ein Gateway oder einen Central Vehicle Controller (CVC) an Zonen-Controller, die anschließend spezifische Funktionen ausführen. Außerdem müssen sich HPC-Plattformen durch Robustheit und die Möglichkeit zum einfachen Austausch einzelner Komponenten auszeichnen. Nur dann versetzen sie Hersteller und Technologiepartner in die Lage, durch den Einbau neuer Teile geänderte Vorschriften zu erfüllen und durch eine Steigerung der Rechenleistung noch fortschrittlichere oder mehr Funktionen zu unterstützen. Kurzum: Fahrzeuge können während der gesamten Lebensdauer auf den aktuellen Stand der Technologie gebracht werden.

Benjamin Gould ist Director of Product Management, Compute bei Aptiv. Er kam im Jahr 2021 als Chief Customer Engineer for Vendor Management zu Aptiv. Vor Aptiv arbeitete Benjamin 20 Jahre lang bei Mobileye, Vocal Zoom und Intel. Benjamin hat einen B.S. in Elektrotechnik und lebt in Düsseldorf.

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