Open Source: Ein Schlüssel zur Förderung von Nachhaltigkeit in der IT

Open Source kann nicht nur einen wichtigen Beitrag für bessere Performance und Effizienz leisten, sondern kann auch als Nachhaltigkeitstreiber in der IT dienen - bedingt unter anderem durch den hohen Verbreitungsgrad und des Innovationspotenzials von OSS. Welchen Einfluss die Community oder Open Source Entwickler tatsächlich hat und was es für effizientere Codes im Sinne der Umweltfreundlichkeit konkret bedarf, beschreibt Fabien Potencier, Software-Experte bei platform.sh.
Von   Fabien Potencier   |  CPO Platfom.sh   |  Platform.sh
15. August 2023

Open Source kann nicht nur einen wichtigen Beitrag für bessere Performance und Effizienz leisten, sondern auch ein wirksames Werkzeug sein, um Nachhaltigkeits- und ESG-Ziele in Unternehmen zu erreichen. Drei Ansätze dafür, fasst dieser Beitrag zusammen.

Die Open Source-Bewegung entstand ursprünglich als Antwort auf die Patent- und proprietären Lösungen großer Software- und Hardwarehersteller. In den 1980er Jahren begann eine Gruppe von Informatikern ihren Kampf zur Förderung und Verteidigung von freier Software. Seitdem hat Open Source kontinuierlich an Popularität gewonnen und ist heute auf dem Vormarsch. Laut Bitkom nutzen über drei Viertel der deutschen Unternehmen Open Source Software (OSS) und dieser Trend nimmt weiter zu[i]. Die weite Verbreitung von OSS hat einen erheblichen Einfluss auf IT-Anwendungen und den gesamten IT-Fußabdruck von Unternehmen. Dies wird beispielsweise immer besonders deutlich, wenn es eine Sicherheitslücke in einer weit verbreiteten Open Source Lösung oder einem OSS-Framework gibt, wie kürzlich bei Log4j. Aber auch andere Bereiche der IT werden stark von OSS beeinflusst. Software-Experte Fabien Potencier von platform.sh erläutert, welchen entscheidenden Einfluss die Community oder Open Source Entwickler darauf haben, nicht nur die Performance, sondern auch die Energieeffizienz und Umweltfreundlichkeit von IT-Anwendungen zu verbessern.

Als David Braben und Ian Bell 1984 das Weltraumhandelsspiel Elite für das BBC Model B entwarfen, mussten sie acht Galaxien in nur 32 Kilobyte Speicher unterbringen. In heutigen Spielversionen ist jedes Bild allein fünfmal so groß. Die höhere Verfügbarkeit von Speicher und Rechenleistung eröffnete Entwicklern viele neue Möglichkeiten. Gleichzeitig sank damit der Druck, sie so effizient wie möglich zu programmieren. Effizientes Coding hat jedoch einen Einfluss darauf, wie viel Rechenleistung und Speicher in Unternehmen benötigt werden.

Durch die Digitalisierung ist heute fast jede Organisation quasi ein IT-Unternehmen. Die immer größeren Datenmengen, die verarbeitet werden, der Ausbau der Infrastruktur und die Zahl der Anwendungen haben dazu geführt, dass die IT heute für rund vier Prozent aller Kohlenstoffemissionen weltweit verantwortlich ist. Das ist genauso viel, wie die Luftfahrtindustrie verursacht und könnte in Zukunft sogar noch zunehmen. Bei vielen Unternehmen ist das Thema Energieverbrauch durch die IT nicht nur auf Grund der hohen Strompreise in den Fokus gerückt. Weitere Gründe sind auch Pflichten im Zuge des CSR- und ESG-Reportings sowie die konkreten Ziele für mehr Nachhaltigkeit – bis zu Net-Zero – die Unternehmen ihren Investoren und Stakeholdern in Aussicht gestellt haben.

Aber wie können Unternehmen diese Problematik anpacken und ihre IT nachhaltiger machen? Es gibt natürlich zahlreiche Ansatzpunkte, von effizienter gemeinsamer Cloud-Nutzung, SaaS statt immer mehr eigener Hardware u.v.m. Ein Punkt, der bisher aber kaum diskutiert wurde, ist der enorme Einfluss, den Open Source Software bei diesem Thema spielen kann. Dabei gibt es hierfür überzeugende Argumente:

Hoher Verbreitungsgrad birgt Risiken, aber auch Chancen

Nach der Aufdeckung einer Schwachstelle im Log4j-Framework rief die Sicherheitsbehörde (BSI) Ende 2022 eine Cyber-Sicherheitswarnung der Alarmstufe Rot aus. Der Grund dafür war die extrem hohe Verbreitung von Log4j. Dieses Beispiel zeigt, dass es Open Source Software-Bausteine gibt, die praktisch in jeder Anwendung stecken. Denn für viele Bereiche macht es für IT-Abteilungen wenig Sinn, neue Tools zu entwickeln, wenn es bereits sehr gut funktionierende, verfügbare und quelloffene Lösungen gibt.

Die weite Verbreitung kann bei Sicherheitsvorfällen ein massives Problem darstellen. Gleichzeitig kann die extrem hohe Durchgängigkeit auch eine Chance darstellen. Denn sie bietet damit einen Ansatzpunkt, bei dem kleine Veränderungen eine große Auswirkung auf eine Unmenge an Unternehmen und Anwender haben.

Innovationspotenzial und agile Anpassungsfähigkeit

Die IT-Branche befindet sich im Vergleich zu anderen Industrien in einem relativ neuen Stadium, was die Bemühungen um Prozessumstrukturierung und Effizienzsteigerung sowie Umweltfreundlichkeit betrifft. Dennoch sind die Erfolgsaussichten für eine neue Denkweise in diesem Bereich optimistischer als in vielen anderen Branchen. Dies liegt daran, dass ständige Weiterentwicklung und Anpassung wesentliche Bestandteile der IT-Arbeit sind. Gleichzeitig können selbst geringfügige Änderungen aufgrund der weiten Verbreitung von IT-Anwendungen einen erheblichen Unterschied bewirken.

Der Energieverbrauch von Softwarelösungen kann durch Softwareentwickler maßgeblich beeinflusst werden. Studien haben gezeigt, dass Einsparungspotenziale von bis zu 25 Prozent beim Energieverbrauch von Softwarelösungen bestehen. Durch intelligentes Programmieren kann der CO2-Ausstoß erheblich reduziert werden, weshalb der Begriff „Green Coding“ zum Schlagwort geworden ist.

Zusammenarbeit als Schlüssel

Veränderungen können noch schneller herbeigeführt werden, wenn viele Entwickler zusammenarbeiten und das Wissen der gesamten Community nutzen. Das Wesen von Open Source ist genau diese Zusammenarbeit. Während bestimmte Mitwirkende das Projekt vorantreiben, ihm eine Richtung geben und Änderungen akzeptieren, kann sich jeder Beteiligte einem bestimmten Fehler oder einer Funktionsanforderung annehmen und einen Code erstellen, der das jeweilige Problem löst. Das ist eine äußerst effiziente und effektive Art der Zusammenarbeit.

Bisher führte diese Art der Zusammenarbeit jedoch nicht zwangsläufig zu effizientem Code. Open-Source-Projekte konzentrieren sich derzeit hauptsächlich auf Funktionen und Fehlerbehebung, was bis zu einem gewissen Grad sinnvoll ist. Angesichts der allgemeinen Entwicklung des Klimas und unserer Zukunft sowie der Umweltziele, die Unternehmen sich gesetzt haben, ist es jedoch klug, die Effizienz zu einem ständigen Bestandteil der Open-Source-Entwicklung zu machen. Wenn die gesamte Community von Anfang an Nachhaltigkeitsziele im Blick behält, in ihre Überlegungen einbezieht und entsprechende Analysen durchführt, kann Open Source Software einen entscheidenden Beitrag zur Reduzierung der Emissionen des gesamten IT-Sektors leisten.

„Um Nachhaltigkeit ernsthaft voranzutreiben, muss dies zielgerichtet und bewusst geschehen, nicht als Nebeneffekt“, erklärt Fabien Potencier. „Die Community sollte über technische Fragestellungen hinaus die Nachhaltigkeit als gemeinsames, konkretes Interesse formulieren. Bereits bei der Planung und beim Schreiben des Codes sollten sich Entwickler Gedanken über die ökologischen Auswirkungen machen. Wenn dies gelingt, könnte Open Source erneut maßgeblich die Entwicklung des Internets prägen“.

[i] i Open Source Software – Aktuelle Trends und Entwicklungen – PwC

Fabien Potencier ist ein erfolgreicher Serienunternehmer, der ständig nach neuen Wegen sucht, um digitale Projekte zu beschleunigen. Mit diesem Ziel vor Augen hat er zunächst Sensio mitbegründet, das später zu SensioLabs wurde. Um die Probleme der Kunden bestmöglich zu lösen (z. B. Erstellung und Wartung von Websites und Anwendungen, Ersatz von wiederkehrenden Aufgaben für Entwickler usw.), entwickelten sie 2005 Symfony, das Open-Source-Framework, auf dem heute fast 8 % der Websites weltweit basieren. 2015 stürzte sich Fabien Potencier erneut in ein unternehmerisches Abenteuer und gründete Blackfire.io. Das Unternehmen ist das einzige vollständig integrierte APM-Tool (Application Performance Management), das die Profilerstellung, das Testen, die Überwachung und die Optimierung der Leistung von Anwendungen und Websites ermöglicht. Seit 2021 ist Fabien CPO bei Platform.sh. einer einheitlichen, sicheren Plattform für Unternehmen zum Entwickeln, Managen und Skalieren von Websites und Apps.

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