Unterschätzt: Gründen abseits der Start-up-Hochburgen. So punkten Kleinstädte bei Gründern.

Von   Tobias Langmeyer   |  CEO   |  dynamic commerce GmbH
14. März 2019

Wenn es um die mediale Berichterstattung geht, erhält man leicht den Eindruck, als würde Deutschland in erster Linie aus München, Hamburg und Berlin bestehen – sei es das kulturelle Leben, die Kunstszene wie auch das Nachtleben. Dies sind die Hochburgen, die Touristen aus Europa und der ganzen Welt anziehen. Folglich überrascht es nicht, dass junge Gründer in erster Linie einen dieser Standorte für ihre Unternehmungen auswählen. Allerdings zeichnet sich, laut der Bertelsmann-Studie „Trend Re-Urbanisierung?“, ein stärker werdender Trend dahingehend ab, dass die Menschen wieder vermehrt in kleinere Städte beziehungsweise ländliche Regionen ziehen. Die Gründe hierfür reichen von günstigeren Mietpreisen, der Möglichkeit, sich ein Eigenheim leisten zu können, bis hin zur größeren Nähe zur Familie.
Ich selbst habe im oberfränkischen Kulmbach gegründet, aber auch andere namhafte Player im E-Commerce-Bereich – wie die BAUR Gruppe (Unternehmenssitz in Burgkunstadt) und Shopware (Unternehmenssitz in Schöppingen) – kennen die Vorteile ländlicher Regionen und haben sich ganz bewusst dafür entschieden. Diese Argumente sprechen für Gründungen in einer kleineren Stadt beziehungsweise in einer ländlichen Region: 

Günstige Mieten

Dies spielt sowohl im privaten wie auch im unternehmerischen Kontext eine wesentliche Rolle. Steht und fällt der Erfolg einer Gründung mit einem schnellen Personalzuwachs, gilt es, dies auch bei der Auswahl der Räumlichkeiten mit einzukalkulieren. Während man in München große Schwierigkeiten damit haben dürfte, überhaupt eine entsprechend große Fläche zu finden, vergeht einem spätestens dann Hören und Sehen, wenn man den Preis für die Räumlichkeiten erfährt. Gründet man abseits der Ballungszentren, sind die Mieten günstiger und die Wahrscheinlichkeit, genau die richtigen Räumlichkeiten für das eigene Vorhaben zu finden, ist deutlich größer. Die in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegenen Mieten werden mehr und mehr zum Gründungshemmnis, weil man ja gerade in der Anfangsphase auf jeden Euro achten muss.

Grundsätzlich muss man als Unternehmer stets die Kosten im Blick behalten. Bewegen diese sich schon allein durch geringe Mietkosten auf einem verhältnismäßig geringen Niveau, kann man das Geld an anderer Stelle investieren, wo es dringender gebraucht wird und möglicherweise sogar positiven Einfluss auf die unternehmerische Entwicklung hat.

Hoher Lebensstandard

Insgesamt muss man weniger Geld für den Lebensunterhalt ausgeben. Es ist richtig, dass man in kleineren Städten weniger verdient, aber letztlich haben die Gehälter – insbesondere auch in Hinblick auf den Fachkräftemangel – aufgeholt, sodass das Verhältnis von laufenden Kosten und Einkommen hier deutlich besser als in den Zentren ist. Dies ermöglicht es einem, monatlich Geld beiseite zu legen. Wird die Sehnsucht nach einem Kulturwochenende oder Partymarathon dann immer größer, kann man sich einen Kurztrip in eine der angesagten deutschen oder auch anderen Metropolen Europas – wie zum Beispiel Barcelona, Paris oder Kopenhagen – problemlos leisten.

Gehe ich von unserem Gründungsstandort aus, sprechen dafür in jedem Fall auch die Natur und das reichhaltige Sportangebot. Insbesondere im Sommer lässt es sich hier super mountainbiken, klettern oder wandern. Hat man sich dabei dann so richtig ausgepowert, laden gemütliche Biergärten zum Verweilen und zünftigen Miteinander ein.

Etablierung als Arbeitgebermarke

In Berlin, Hamburg und München sind zahlreiche Unternehmen ansässig. Sie alle buhlen um die besten Talente. Als junges Unternehmen hat man es extrem schwer, sich gegen Google, Facebook, Microsoft & Co. durchzusetzen. Im Unterschied dazu hat man in Regionen mit weniger Konkurrenz die Möglichkeit, sich innerhalb kurzer Zeit einen Namen zu machen. Bietet man neben einem attraktiven Aufgabengebiet sowie einem angemessenen Lohn auch noch ein angenehmes Arbeitsumfeld, spricht sich dies schnell rum. Zum Teil werden die Talente ja regelrecht in die Großstädte gedrängt, weil dort die spannenderen Jobs auf sie warten. Da ist der eine oder andere ziemlich erleichtert, wenn er nicht wegziehen muss, um einen ansprechenden Arbeitsplatz zu finden – viele Menschen legen großen Wert auf ihr familiäres Umfeld sowie ihren Freundeskreis.

Unterstützung erhalten und etwas bewirken können

Wer im Begriff ist, ein Unternehmen aufzubauen oder dies möglicherweise schon erfolgreich geschafft hat, kann sich sicher sein, dass dies sowohl von örtlichen Vereinen wie auch von der Politik nicht unbeachtet bleibt. Immerhin ist allen daran gelegen, sich so attraktiv wie möglich (nach außen) zu präsentieren. Daher hat man es relativ leicht, Unterstützung zu erhalten und kann sogar in einem Gespräch mit dem Bürgermeister auf strukturelle Problemsituationen hinweisen und sich sicher sein, dass dem Gehör geschenkt und der Weg für kreative Projekte geebnet wird. In Großstädten ist das in dieser Form nicht ohne weiteres möglich.

Aufgrund der kleineren Größe verläuft alles sehr viel direkter. Zwar kann man in kleineren Städten nicht davon ausgehen, dass hier zahlreiche Business Angels oder Investoren sitzen, aber es gibt immer mehr Anlaufstellen und Organisationen, die nicht nur mit ihrem Erfahrungsschatz, sondern auch mit darüber hinaus gehenden Fördermitteln Unterstützung bieten. Regionale IHKs wie auch Gründungszentren stehen mit einem reichhaltigen Informationsangebot zur Verfügung und begleiten den Unternehmensaufbau.

Digitalisierung ermöglicht Flexibilität bei Standortwahl

Selbstverständlich gibt es nach wie vor Gründungen, die auf eine bestimmte Infrastruktur oder die Nähe zu ihren Kunden angewiesen sind. Im Software- oder Onlinemarketingbereich kann man aber im Prinzip arbeiten, von wo man will. Da man mit den Kunden in erster Linie online oder telefonisch in Kontakt steht, spielt es für sie keine Rolle, ob das Unternehmen in Kulmbach oder München seinen Sitz hat. Ganz im Gegenteil: Da die laufenden Kosten nicht so hoch sind, lässt sich unter Umständen mit einem etwas geringeren Budget für die gleichen Leistungen, noch der eine oder andere Kunde zusätzlich gewinnen.

Obwohl es viele Vorteile gibt, in Kleinstädten oder ländlichen Regionen zu gründen, bringen derartige Standorte auch Nachteile mit sich. Es ist kein Geheimnis, dass die Internetversorgung nach wie vor der in den Großstädten hinterherhinkt. Und auch wenn es um die Gründung selbst geht, sind die Startbedingungen mit etwas mehr Aufwand verbunden. Will man beispielsweise in Berlin ein Unternehmen gründen, kann man sich von heute auf morgen einen Platz in einem Coworking Space anmieten und schon geht es mit dem Start-up los. Positiv kommt hinzu, dass das Networking auf diese Weise deutlich vereinfacht wird. Der nächste Gründer ist nur einen Schreibtisch weit entfernt, sodass es sehr leicht fällt, sich über Erfahrungen auszutauschen und mögliche Kooperationen zu schließen.

Warum wird kaum auf dem Land gegründet?

Aus Sicht der Infrastruktur spricht nichts dagegen. Eher verhindern fehlender Gründergeist und attraktive Arbeitsplätze in Konzernen eine florierende Start-up-Kultur. Während es in anderen Ländern weitaus verbreiteter ist, direkt nach der Uni den Sprung in die Selbstständigkeit zu wagen, bevorzugt man hierzulande den sicheren Weg – in erster Linie – mit dem Berufsstart in einem etablierten Großunternehmen. Da diese mit ihren Dependancen in den Großstädten ansässig sind, ist es nachvollziehbar, dass die jungen Menschen schon allein der Karriere wegen, erst einmal ihren Herkunftsort verlassen (müssen). Geht es dann aber an die Familienplanung, stehen kleinere Städte wieder ganz hoch im Kurs. Hier kann man sich ein Haus leisten und ein schönes Umfeld schaffen, in dem der Nachwuchs sorgenfrei aufwachsen kann. Dann ist es um so wichtiger, dass diese hochqualifizierten Talente dort auch reizvolle Arbeitsplätze finden und mit ihren Fähigkeiten glänzen können. Je mehr Gründer die Vorteile von ländlichen Regionen für sich erkennen, desto weniger besteht die Notwendigkeit, dass Fachpersonal in die Städte abwandert.

 

Tobias Langmeyer ist CEO der dynamic commerce GmbH, welche die gleichnamige Webshop Software entwickelt und als Agentur innovative E-Commerce Projekt umsetzt. Das Team des Unternehmens, mit Büros in Kulmbach und Marktredwitz, ist seit der Gründung 2010 auf über 60 Mitarbeiter angewachsen.

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