Die Digitalisierung und ihre Grenzen – Analog ist das neue Bio

Von   Peter Baumgartner   |  Inhaber   |  Peter Baumgartner
20. Mai 2019

Wer die Digitalisierung nutzen will, muss ihre Geschichte verstehen. Nur wer den Menschen in den Mittelpunkt stellt, kann in digitalen Zeiten wirklich führen.Wer langfristig erfolgreich sein will, muss die Millennials mögen. Nur wer die Macht des Analogen kennt, hat Zukunft.

1. DIGITALE GESCHWINDIGKEIT UND LANGSAMKEIT

Was niemand in Abrede stellen wird: Natürlich ist uns klar, dass künstliche Intelligenz tausende Textseiten extrem schnell durchsuchen kann und dem Rechtsanwalt oder Lektor hilft. Natürlich glauben wir an Pflegeroboter und digitalisierte Operateure, die gebrechlichen und kranken Menschen wichtige medizinische Dienste leisten. Natürlich hoffen wir auf intelligente Verkehrssysteme, die uns unfallfrei, günstig und schnell überall hinbringen. Das alles und noch viel mehr an positiven und wichtigen Entwicklungen bedeutet aber nicht, dass wir Digitalisierungsverehrer sein und uneingeschränkt bleiben müssen.

Wie ist das noch mal? Die Digitalisierung erfordere ein rasches Umdenken. Es bleibe kaum Zeit und alles müsse in einer noch nie dagewesenen Geschwindigkeit umgesetzt werden. Die Geschwindigkeit nehme immer weiter zu und die Belastungen seien hoch wie nie. Ist das wirklich so? Doch vor rund 150 Jahren war die Situation ähnlich. Stefan Zweig beschrieb in „Das erste Wort über den Ozean“ die größte Geschwindigkeitssteigerung der Menschheit. Die Höchstgeschwindigkeit war lange der Lauf des Pferdes, das rollende Rad, das segelnde Schiff. Fortschritte hatten keine merkbare Beschleunigung herbeigeführt. Die Armeen Wallensteins kamen kaum rascher voran als die Legionen Cäsars, die Korvetten Nelsons durchquerten das Meer nur um weniges rascher als die Raubboote der Wikinger. Goethe reist im 18. Jahrhundert nicht wesentlich bequemer oder schneller als der Apostel Paulus. Erst das 19. Jahrhundert veränderte das globale Tempo fundamental. Doch Eisenbahn und Dampfboot verfünffachen, verzehnfachen, verzwanzigfachen nur die damals bekannten Geschwindigkeiten. Völlig unvermutet aber brechen die Leistungen der Telegraphie auf die Menschen ein. Ein elektrischer Funke überspringt Länder, Berge und durch die ersten Tiefseekabel ganze Erdteile. Der kaum zu Ende gedachte Gedanke, das soeben hingeschriebene Wort kann in derselben Sekunde schon tausende Kilometer entfernt empfangen, gelesen, verstanden werden. Das war der Schritt zum Millionenfachen und Milliardenfachen der menschlichen Geschwindigkeit. Diese Umstellung des Zeitwertes und die psychologischer Wirkung ist unvergleichlich. Die Welt ist für immer verändert, seit es möglich ist, in Paris gleichzeitig zu wissen, was in Anchorage und Moskau, Boston und Sydney in derselben Minute geschieht. Reicht uns Geschwindigkeit allein? Viele entdecken etwas anderes.

GESCHWINDIGKEIT VERPUFFT

Facebook hat die iPhone-Nutzung für ihre Mitarbeiter eingeschränkt. Diese denken nur in der Apple-Welt (IOS) und müssen mehr Android-Geräte nutzen. Nur so können die Mitarbeiter erleben, wie die meisten heute Facebook verwenden und so kann man Fehler der Software und Bedienung erkennen. Facebook hat aber nicht nur die Nutzung „eingebremst“, sondern auch die Geschwindigkeit.Zuvor wurde der „2G Tuesday“ eingeführt, an dem Mitarbeiter ihre Handys mit langsamerer Geschwindigkeit nutzen müssen. Die Mitarbeiter sollen sehen, wie sich geringer Daten-Flow auswirkt und alles so gestalten, dass die Nutzung für Entwicklungsländer ideal möglich ist, denn Facebook kann nur mehr dort signifikant wachsen. Und dafür muss man die Geschwindigkeit zurücknehmen. Klingt unlogisch, wirkt aber: Weniger Digitalisierung für mehr Profit.

LANGSAME CONTAINERSCHIFFE UND LANGE SCHIENEWEGE

Die Seefracht von China nach Europa ist mit gedrosselter Geschwindigkeit unterwegs. Die Frachtzahlen und Umsätze sind bei weitem nicht so hoch wie gewünscht und wer langsamer fährt, verbrennt weniger Treibstoff. Das kann man dann an Digital-Displays auf der Brücke des Schiffes schön berechnen und ablesen. Rund zwei Mal schneller als Containerschiffe und günstiger als die Luftfracht sind Güterzüge. Die schnellsten von ihnen schaffen die Strecke China-Deutschland in zwölf Tagen. Aber ohne Digitalisierung wären die Züge auch nicht langsamer.

INTERKONTINENTALE FLUGZEITEN WIE VOR 1976

Seit Oktober 2003 ist es uns, nach Einstellung der Concorde-Flüge, nicht mehr möglich „richtig schnell“ über den Atlantik zu reisen. Die Flugzeit London–New York belief sich auf 2 Stunden und 52 Minuten. Heute überwindet ein volldigitalisiertes Flugzeug in 7 Stunden und 45 min diese Distanz. Es dauert also rund drei Mal so lange. Die Geschwindigkeit war kaum mehr finanzierbar und letztlich zu gefährlich.

SERVICE-REAKTIONSZEITEN STAGNIEREN ODER GEHEN ZURÜCK

Wenn wir an diese unvermeidlichen Service-Telefonnummern denken, die uns zugemutet werden, dann sind wir digitalgesteuert zum Aufenthalt im Wartesaal verdammt. Sie kennen die freundliche Ansage, wenn Sie das System nach 30 Minuten volldigitalisiert aus der Leitung wirft und Ihnen einen neuen Anruf vorschlägt. Zurück an den Start und tschüss Geschwindigkeit.

DIGITALISIERUNG IST NIEMALS ELEKTRIFIZIERUNG

Viele reden von „Digital“ und so manches Geschäftsmodell wird relativ simpel digitalisiert, indem man einfach vorne die sieben Buchstaben „digital“ oder hinten die Zahl 4.0 einfügt. Neue Technologien müssen aber mehr als das können, nämlich neue Angebote, Produkte und neue Geschäftsmodelle kreieren. Wer nur Bestehendes digitalisiert oder gar elektrifiziert, wird es künftig schwer haben. Es geht vielmehr darum, digital zu transformieren und Neues zu erschaffen. Es geht vor allem darum, sich wieder mehr den Menschen zu zuwenden.

2. DIGITALISIERUNG VERLANGT NACH FÜHRUNG – DER MENSCH IM MITTELPUNKT

Viele Etagen sind voll mit verdienten Führungskräften, die sich jahrzehntelang für eine Organisation eingesetzt haben, begehrenswerte Positionen einnehmen und gerade dadurch träge werden. Hierarchische Prozesse müssen aber durch wirtschaftliche Kollaboration und interdisziplinäre Zusammenarbeit ersetzt werden. Die Digitale Transformation muss Top-down von der Geschäftsleitung initiiert werden. Auch wenn die tatsächliche Arbeit dann in den verschiedenen Abteilungen angestoßen und umgesetzt wird. Niemals darf unterschätzt werden, dass gravierende Umstellungen am Anfang langsamer laufen und wir es immer mit Menschen zu tun haben.

1968, schrieb Frederick Herzberg in der Harvard Business Review: Vergessen Sie Lob. Vergessen Sie Bestrafung. Vergessen Sie Geld. Sie müssen die Arbeit interessanter machen. 2019, Frederick Herzberg ist seit 19 Jahren tot, sage ich Ihnen: Wenn Ihnen die Digitalisierung so wichtig ist, dass Ihnen die Menschen egal sind, dann sind Sie kein Gewinner. Dann sind Sie ein Verlierer! Im letzten halben Jahrhundert war die Menschheit nicht nur auf dem Mond oder hat in Garagen an den ersten Personal Computern herum getüftelt. In dieser Zeit haben sich auch Führungskräfte weiter als der Mond von ihren Mitarbeitern entfernt, oder haben versucht Unternehmensführung von den digitalen Errungenschaften erledigen zu lassen.

Was 1968 galt, gilt auch über 50 Jahre später: Wer führen will, muss Emotionen auslösen. Sie können loben, bestrafen oder gut bezahlen. Oder am besten alle drei Dinge zusammen versuchen. Wenn Sie aber wirklich etwas bewegen wollen, müssen Sie die Arbeit für die Menschen interessanter machen. Sie müssen individuellen Menschen individuelle Möglichkeiten bieten und individuelle Chancen eröffnen. Es geht nicht wirklich darum, nur ein Problem nach dem anderen zu lösen. Es muss Gründe geben, etwas gerne und aus ganzem Herzen zu tun. Warum? Das eigene Verhalten kommt unvermeidbar bei den Menschen an, egal ob auf analogem oder digitalem Weg.

Die einen meinen, die Digitalisierung werde dazu führen, dass völlig neue Arbeitsplätze entstehen, die wir uns noch nicht vorstellen können. Die anderen fürchten das Ende der Arbeit. Diese werde zurückgehen und Berufe würden verschwinden. Die Dritten wissen noch gar nicht, was Sie denken sollen, sie ahnen aber, das Digitalisierung mehr Bildung und Qualifizierung benötigt. Mehr und mehr werden einfache Tätigkeiten verschwinden. Die Zukunft gehört den hoch qualifizierten Berufen. Dem Bildungswesen fällt eine zentrale Aufgabe zu. Dabei geht es nicht um Techniken und die Nutzung von Smartphone oder Tablet. Es geht um den Umgang mit der Intelligenz der Vielen. Und es geht um Komplexität und Agilität.Denken Sie an den freien Warenverkehr für freie Bürger in freien Wirtschafts- und Politiksystemen. In einem Europa, in dem die Grenzzäune eine Wiederauferstehung feiern?

Die Anziehungskraft von Industrie 4.0 und gewinnbringender Vernetzung scheint riesig zu sein. Wer will noch Menschen erfolgreich führen? Wenn wir aber heute Leistung verlangen und fordern, müssen wir anderen vor allem Sinn bieten können. Führung bleibt also unser wichtigstes Handlungsfeld. Erfolgreich sind jene Unternehmen, die sich mit den „digitalen“ Führungseigenschaften beschäftigen. Interessant sind zunehmend Führungskräfte, die die Fähigkeit haben, Menschen in der Organisation zu halten bzw. neue Menschen für die Organisation zu gewinnen. Die oft so grenzenlosen Generationen Y und Z führen ihrerseits die Wirtschaft an ihre Grenzen. Es bleibt spannend.

3. DIE MILLENNIALS – LEBEN IN DER DIGITALISERUNG

Mit den Millennials gibt es erstmals eine ganze Generation, die in einer Smartphone-Internet-FB-Instagram-Welt groß geworden ist. Die Mitglieder dieser Generation legen perfekt einen Wunschfilter über Dinge. Sie zeigen nahen und ganz fernen Menschen wie toll das Leben ist, selbst dann, wenn sie selbst deprimiert sind. Die Millennials (und andere) fühlen sich gut, wenn eine Nachricht eintrudelt. Darum zählen wir täglich unsere Likes.

Viele wissen nicht, wie man Beziehungen aufbaut. Sie geben zu, dass ihre Freundschaften oberflächlich sind und sie sich nicht auf sie verlassen können. Wenn Millennials Stress haben, wenden sie sich nicht an einen Menschen, sondern an ein Gerät, das ständig verfügbar ist. Alles geht schnell und leicht. Um ein Date zu bekommen, muss man nicht einmal mehr lernen, wie man eine Person anspricht. Einfach am Handy nach rechts wischen und schon hat man ein Date. Alles, was man will, kann man sofort haben, außer Befriedigung im Job und starke Beziehungen. Dafür gibt es keine App. Und wird es niemals eine geben.

DIE VOLLDIGITALEN MILLENIALS UND IHRE ANALOGEN BEDÜRFNISSE

Die oft so grenzenlosen Millennials führen ihrerseits die Wirtschaft an ihre Grenzen. Die Interessen der ersten Menschen, die mit der Digitalisierung aufgewachsen sind, wirken sich auf die Wirtschaft aus. So werden die Millennials weniger Autos kaufen. Der Autobesitz engt sie ein, nimmt ihnen das Gefühl von Unabhängigkeit und Flexibilität. Immer mehr junge Menschen wollen Produkte nicht besitzen, sondern teilen oder mieten. Sie wenden sich Dienstleistungen zu, die als „Sharing Economy“ bezeichnet werden. Wenn Millennials Geld ausgeben, dann eher für eine tolle Reise oder für ein Konzert. Dieses Konsumverhalten macht sich mittlerweile auch an der Börse bemerkbar. Herkömmliche Unternehmen verlieren. Der Wert von Airbnb wird dagegen mittlerweile laut Wall Street Journal auf über 25 Milliarden US-Dollar geschätzt. Und Uber dürfte ein Vielfaches davon wert sein. Diese Unternehmen besitzen in Wirklichkeit nichts und Ihnen gehört doch alles. Sie sind Vorbild für die neue Generation.

Die richtige Einordnung der und der richtige Umgang mit den Millennials entscheidet über die Zukunftsfähigkeit eines jeden Unternehmens. Medien, Politik und Wirtschaft übertreffen sich oftmals in wichtigmachenden und inhaltslosen Darstellungen über die Generationen Y und Z oder die Millennials an sich. So manche Etage zerschlägt sich den Kopf, wo künftig wie investiert werden soll, um mit den Millennials geschäftlich am Ball zu bleiben. Dazu müssen die Entscheider die Welt dieser Menschen kennen und sich Zugänge verschaffen. Mit diesen Menschen und ihren Bedürfnissen müssen Sie umgehen lernen. Sie müssen ihnen Orientierung bieten.

ERWACHSEN ERST MIT 25 JAHREN

Die Studie der Forscherin Jean M. Twenge von der Universität in San Diego zeigt, dass die Jugend von heute später erwachsen wird. So habe sich diese Grenze von 18 auf 25 Jahre verschoben. Der Trend sei unabhängig vom Geschlecht, dem Wohnort oder sozioökonomischen Faktoren feststellbar. Was die Aktivitäten angeht, so sind heute 18-Jährige so wie früher 15-Jährige. Teenager warten heute länger, bis sie mehr Verantwortung übernehmen. Ein Grund dafür könnten die Helikopter-Eltern sein. Sie versuchen ab der Geburt das „Beste“ herauszuholen und kontrollieren das Leben bis ins kleinste Detail.

40 PROZENT ÄRMER ALS DIE ELTERNGENERATION

Nach Berechnungen der Resolution Foundation verdienen Millennials in Großbritanien wesentlich weniger als Menschen eine Generation zuvor. Das macht sich beim Aufbau von Vermögen bemerkbar. Die Millennials in den entwickelten Ökonomien haben ein 40 Prozent geringeres Vermögen als die Eltern zu ihrer Zeit, errechnet der IWF. Junge Menschen können heute dadurch seltener Immobilien erwerben als früher. Ein weiteres Problem der Jungen: die Sicherung des Alters. Die Renten-Landschaft hat sich massiv geändert. Rentenleistungen wurden in vielen Staaten gekürzt. Eine drohende Altersarmut ist vorgezeichnet.

DRESSCODE FÜR WEN?

Unterschiedliche Branchen setzen, oder setzten, bislang einen gewissen Dresscode voraus. Goldman Sachs lockert nun die eigenen Bekleidungsvorschriften für die Mitarbeiter. Das hat einen guten Grund. Goldman Sachs zielt darauf ab, die Firmenkultur den jüngeren Angestellten anzupassen. Mehr als drei Viertel gehören zu den Millennials. Ein lockerer Dresscode ist ein Aspekt, mit dem man als Arbeitgeber in der von Wettbewerb geprägten Branche attraktiv sein kann. Für die Technik- und Entwicklungsabteilung lockerte Goldman den Dresscode bereits vor zwei Jahren. Das war nötig, um gute Programmierer rekrutieren zu können. Die Konkurrenz durch Google und Apple ist besonders groß, weil der Dresscode dort besonders leger ist.

ABSAGE AN ALTBEWÄHRTES

Die ersten Menschen, die mit der Digitalisierung aufgewachsen sind, werden weniger Autos kaufen. Das Statussymbol auf vier Rädern wird abgewählt. Ein Drittel der Jugendlichen in den Großstädten macht keinen Führerschein mehr. Junge, urbane Menschen wollen eher kein Auto besitzen, weil der Besitz sie einengt, ihnen das Gefühl von Unabhängigkeit und Flexibilität nimmt. Wenn schon, dann kaufen sie eher mal einen Gebrauchtwagen.

RELATIVIERTER BESITZ

Immer mehr junge Menschen wollen Produkte nicht besitzen, sondern teilen oder mieten. Den Millennials geht es dabei vor allem um Freiheit. Sie wollen sich nicht durch Konsum binden und einschränken lassen. Sie wenden sich Dienstleistungen zu, die als „Sharing Economy“ bezeichnet werden. Millennilas wünschen sich, dass Unternehmen noch mehr Alternativen zum Kaufen anbieten, um flexibel zu bleiben. Solche Sharing- oder Mietmodelle sind in vielen Branchen vorstellbar. Wichtig ist, dass Firmen auf diesen Zeitgeist der jungen Generation reagieren. Die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle und die Adaptierung der Organisation ist zunächst eine Investition in die Zukunft. Diese Transformation muss unweigerlich angegangen werden, ansonsten scheitern herkömmliche Geschäftsmodelle an ihrer Nichtanpassungsfähigkeit.

WOFÜR DIE MILLENNIALS GELD AUSGEBEN

Wenn Millennials Geld ausgeben, dann eher für eine tolle Reise oder für ein Konzert. Sie reisen lieber durch die Welt, als ein Auto zu kaufen. Das Geld für Fahrgemeinschaften und Fahrdienste sitzt bei ihnen hingegen locker. Sie gehen auch lieber essen und mit Freunden aus, als das Geld zukünftig in eine Doppelhaushälfte zu stecken. Dieses Konsumverhalten macht sich mittlerweile auch an der Börse bemerkbar. So wächst zum Beispiel in Großbritannien die Brauereikette Green King, weil das Unternehmen auch Pubs und Hotels im Angebot hat. Im Gegensatz dazu sinkt der Index von großen Kaufhausketten. Die Finanzwelt hat schon teilweise reagiert und bietet mittlerweile Aktienpakete an, die auf das Millennial-Konsumverhalten abzielen. Das heißt: mehr Erlebnis-Unternehmen als klassische Konsumgüter. Der moderne Millennial-Konsument kauft definitiv mehr Leben.

GESCHÄFTSMODELLE FÜR MILLENNIALS

Glück in Dosen verkaufen Sie aufgeklärten Menschen immer seltener. Wenn man Millenials als Zielgruppe identifiziert, sollte sich deren Drang nach Freiheit in Geschäftsmodellen, Angeboten und flexiblen Lösungen wiederfinden. Heute kann man beispielsweise Haushalts- oder technische Geräte für einen Monatsbeitrag mieten, der Vertrag kann jederzeit gekündigt werden. Millennials wollen anders zu wohnen. Auch wenn bisher noch von geringer Bedeutung, entsteht immer mehr Lebensraum, der auf das sogenannte Co-Living zugeschnitten ist. Beispiele sind Micro-Appartments, Tini-Houses und ähnliche Formen. Diese Wohnungen beanspruchen sehr wenig Fläche, unter anderem weil Küche und Bad klein gehalten sind. Die wenigsten Abstriche werden bei der Lage der Wohnung gemacht. So ist beispielsweise die Nähe zum Arbeitsplatz wichtiger als für den Rest der Bevölkerung.

Im Kommunikationszeitalter erleben wir paradoxerweise einen Mangel an zwischenmenschlicher Kommunikation. Unternehmen, die mit den Millennials in Kontakt bleiben wollen, richten ihren Fokus nicht nur auf die Technik, sondern auf kommunikative Fähigkeiten. Millennials haben völlig andere Aufmerksamkeitsspannen und sind gut darin aus kurzen Sequenzen Informationen zu entnehmen. Millennials langenweilen sich aber auch schnell. Die Art der Kommunikation wird mehr und mehr zum Geschäftsmodell.

Millennilas wollen ernst genommen werden. Floskeln werden durchschaut und abgewählt. Die Millennials werden einfordern so gesehen zu werden, wie sie sind: Soziale Wesen mit einer besonderen Geschichte. Das Leben an sich steht bei Ihnen im Mittelpunkt.

4. ANALOG IST DAS NEUE BIO

DIGITALSIERUNG IST ALLES UND DIGITALISIERUNG IST NEU?

Workplace 4.0, Banking 4.0, Produktion 4.0 und alles andere aus diesem Baukasten suggeriert, es handle sich hier um grundlegend neue Arten Dinge zu tun. Ist es wirklich vorrangig die Digitaltisierung, die Großartiges ermöglicht? Gibt es nicht schon lange Technologiesprünge, die Bestehendes optimieren, Branchen und Berufsbilder verändern? Neue IT-Ansätze, Cloud-Lösungen und digitale Produktindividualisierung sind nur in agilen Organisationen schnell umsetzbar. Starre Organisationsstrukturen scheitern alleine schon an der Technologie. Wer lieber ausdruckt und ablegt, kann auf die Technik der 80iger Jahre zurückgreifen oder gleich zusperren.

DIGITALISIERUNG ALS CHANGE?

Was derzeit in ist? Eine digitale Transformation von außen. Also der gezielte Einsatz von Start-Up-Unternehmen in Großkonzernen. Manche glauben die Digitalisierung als simples Change-Projekt starten zu können und rufen dann laut einen tollen Wandel aus. Es wäre schön, wenn es so einfach wäre. Aber nach kurzer Zeit hat der Wandel dann seine Dynamik und wir benötigen plötzlich ganz viele neue Mitarbeiter, oder welche mit anderen Qualifikationen, oder eben gar keine mehr. Da fehlt also irgendetwas.

DIE ÜBERFORDERTE DIGITALISIERUNG

Warum soll ein Teilaspekt des Wirtschaftens alle anderen Aspekte überflügeln, aus der Verantwortung und dem Rennen nehmen? Unsere Antwort auf die globalen Herausforderungen kann ja nicht eine Kombination aus Digitalisierung und einer möglichst billigen Arbeitskraft sein, sondern nur der intelligente und motivierte Mensch. Wir haben in Deutschland, Österreich und in vielen Ländern der EU einen relativen Gleichstand an technologischen Standards. Generell räumen wir der Technologie schon bisher viel Platz ein. Die einzige Unterscheidungsmöglichkeit am Markt ist aber das Verständnis unseres Menschseins, das ist das allergrößte Zukunftspotential.

Die einzig gültige Währung für Ihre Zukunft: Die Gehirne der Mitarbeiter.

DURCH DIE DIGITALISIERUNG AN SICH WIRD NIEMAND GLÜCKLICHER

Die Entkopplung der realen Wirtschaft von der digitalen Transformation schafft gefährliche Lücken im System. Wenn wir nicht klar gegensteuern und wissen, dass sich gewisse Kompetenzen und Tätigkeiten nicht digitalisieren lassen, dann werden wir zu Verlieren. Von den großartigen Chancen der Digitalisierung bleibt ohne Realwirtschaft wenig übrig. Das Programmieren von Apps wird die bestehende Wirtschaftswelt niemals ablösen. Jede Digitalisierungsform baut auf unserer Infrastruktur auf. Fragen wir uns einmal, welche App Güter von A nach B transportiert, Ihre Sträucher schneidet, Ihr Auto wäscht und welche App Ihre Wohnungen einrichtet?

Was passiert, wenn alles mit Apps aus der Ferne gelöst wird? Was passiert, wenn reale und kommunale Wertschöpfung ausbleibt und dadurch Geld für Infrastruktur fehlt? Was passiert, wenn wir nach einem Wasserrohrbruch merken, dass auf der Installateur-App kein Installateur mehr zu finden ist?

ZU WENIG. ZU SPÄT.

Die Grundangst vieler ist es, ja nicht zu wenig für die Digitalisierung zu tun und keinesfalls zu spät dran zu sein. Aus diesem Gedränge heraus lässt sich das Ganze sicher nicht positiv angehen. Was haben Sie bislang in der analogen Welt geschafft? Wo stehen Sie? Wo wollen Sie hin? Das lässt sich doch gemeinsam schaffen!

SCHRECKLICH ANALOG

Wir Menschen sind ohnehin schrecklich analog. Mitarbeiter sind zu 100% Menschen und Kunden sind auch zu 100% Menschen. Wenn wir dementsprechend agieren, sind wir auf einem guten Weg.

Die größten Durchbrüche im 21. Jahrhundert werden nicht durch die Technologie errungen, sondern durch das erweiterte Verständnis unseres Menschseins. –  John Naisbitt

DIE MACHT DES ANALOGEN

Digitalisierung ist viel weniger Technologie und vielmehr Kultur als jemals erhofft. Das ist gut so. Das ist die Umkehr. Das ist der Weg hin zu den Soft Skills: Soft Skills sind die harte Währung der Zukunft.

Die Digitalisierung stößt an ihre Grenzen, denn zwischen Bits, Bytes und Online sind wir oft genug allein. Irgendwo ist, unglaublich aber wahr, das Ende des Internets. Irgendwann brauchen wir wieder mehr Gesichter, Stimmen und Persönlichkeiten. Wir brauchen etwas anderes. Etwas Reales: greifbar, spürbar, … oder eben nur ein Lächeln im Gesicht des Gegenübers.

 

Peter Baumgartner ist Dipl.-Pädagoge und Wirtschaftsingenieur. Der Vortragsredner, fünffache Buchautor und Wirtschaftsliteraturpreisträger ist als Berater, Managementcoach und Hochschuldozent tätig. Leadership, Kommunikation und Digitalisierung sind seine international gefragten Kernthemen mit denen er Millennials, Startups und arrivierte Unternehmenslenker begeistert.

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