Das Datendilemma der Versicherer:
Wie Agentic AI Automatisierung, Effizienz und Steuerung neu definiert
Die digitale Transformation der Versicherungsbranche stößt zunehmend an ihre Grenzen: Dunkelverarbeitungsquoten lassen sich nur noch mit hohem Aufwand weiter steigern, gewachsene Legacy-Systeme werden immer schwerer beherrschbar, während regulatorische Anforderungen in Umfang und Komplexität kontinuierlich zunehmen.
In diesem Spannungsfeld manifestiert sich das Datendilemma der Versicherungswirtschaft: Einerseits wachsen die verfügbaren Datenbestände ebenso wie der regulatorische Druck, etwa durch Solvency II, IFRS 17 oder ESG-Reporting. Andererseits verhindern fragmentierte IT-Landschaften, uneinheitliche Stammdatenpflege, isolierte Datensilos und fehlende semantische Standards eine durchgängige, qualitativ gesicherte und automatisierbare Nutzung dieser Daten.
Die Versicherungswirtschaft gehört zu den datenreichsten Branchen: Vertrags-, Kunden, Schaden- und Kapitalanlagedaten bilden ein enormes Fundament. Dennoch bleibt der tatsächliche Nutzen dieser Daten oft begrenzt. Ursache ist ein komplexes Geflecht aus inkonsistenter Stammdatenpflege, verteilten Systemen, isolierten Datenquellen und fehlender semantischer Harmonisierung. Während Datenmengen exponentiell wachsen und neue Technologien bisher undenkbare Potentiale versprechen, erschwert die fragmentierte Datenrealität ihre effektive Nutzung.
Gerade datengetriebene Geschäftsmodelle wie automatisierte Schadenregulierung, dynamische Tarifierung oder risikobasierte Echtzeitsteuerung sind auf präzise, integrierte und kontextualisierte Daten angewiesen. Ohne konsistente Datenbasis verpufft selbst die Wirkung der fortschrittlichsten Algorithmen. Das Datendilemma ist daher nicht nur technischer, sondern auch strategischer Natur: Daten sind vorhanden, aber nicht einsatzbereit.
In diesem Beitrag betrachten wir vier zentrale Dimensionen des Datendilemmas: Verfügbarkeit & Qualität, Integration, Analysefähigkeit und Steuerungsrelevanz. Im Fokus stehen automatisierte Ansätze und technologische Hebel, mit denen Versicherungsunternehmen diesen Engpass überwinden und ihre Datenstrukturen in echte Wertschöpfung überführen können.
Die vier Dimensionen des Datendilemmas
Das Datendilemma in der Versicherungsbranche lässt sich in vier zentrale Dimensionen unterteilen: Verfügbarkeit und Qualität, Integration, Analysefähigkeit und Steuerungsrelevanz.
Die Ausgangslage: Verfügbarkeit und Qualität
Trotz umfangreicher Datenbestände sind die Datenverfügbarkeit und Datenqualität in vielen Versicherungsunternehmen unzureichend. Ein wesentlicher Grund ist die dezentrale Ablage in isolierten Datensilos, etwa in Legacy-Systemen, verteilten CRM- und Schadenbearbeitungssystemen oder externen Quellen wie Wetter- und Bonitätsdaten. Diese Fragmentierung führt zu Inkonsistenzen, fehlender Validierung und veralteten Informationen, insbesondere bei Adressdaten oder indexierten Altverträgen.
Besonders deutlich wird dieses Defizit im Bereich ESG- bzw. Nachhaltigkeitsdaten: Hier fehlt es häufig an einer systematischen Erfassung und standardisierten Validierung, was die Nutzung und Integration in operative Prozesse erheblich erschwert.
Die strukturelle Herausforderung: Integration
Die IT-Landschaft vieler Versicherer ist nach wie vor stark fragmentiert. Kundendaten verteilen sich insbesondere auf Vertrieb, Schadenmanagement und CRM, während Schadendaten selten entlang der gesamten Prozesskette verfügbar oder ausgewertet werden. Externe Datenquellen sind meist nur punktuell angebunden, ESG-Daten werden vielfach nur deklarativ erfasst und nicht systematisch eingebunden.
Diese Situation ist oft historisch gewachsen: Lebens-, Komposit- und Krankenversicherungssysteme arbeiten mit unterschiedlichen Anwendungen, die kaum miteinander kommunizieren. Die Folge: Datenflüsse bleiben bruchstückhaft und zentrale Analysen sind nur eingeschränkt möglich.
Eine integrierte Systemlandschaft kann hier entscheidend weiterhelfen. Sie ermöglicht unter anderem einen konsolidierten Blick auf den Kunden, den sogenannten Single Customer View, und schafft die Grundlage für zielgerichtete Kundenansprache und effizientere Prozesse. Durchgängige Datenflüsse sowie eine zentrale „Single Source of Truth“ erhöhen zudem die Zuverlässigkeit der Datenbasis für sämtliche Geschäftsprozesse.
Das ungenutzte Potenzial: Analysefähigkeit
Kennzahlen wie Schadenquote oder Kapitalrendite sind in der Branche etabliert. Doch darüber hinausgehende, automatisierte oder KI-gestützte Analysen bleiben die Ausnahme. Das führt dazu, dass strategische Potenziale ungenutzt bleiben und Risiken übersehen werden.
So fließen ESG-Daten häufig nicht in Performance-Bewertungen oder Risikomodelle ein. Gleichzeitig bleiben Datenbestände aus Legacy-Systemen oder unstrukturierte Informationen, sogenannte Dark Data, weitgehend unerschlossen, obwohl sie ein hohes Innovationspotenzial bergen. Segmentierungs- und Scoringmodelle greifen oft nur selektiv und liefern kein umfassendes Bild.
Moderne Verfahren wie KI-gestützte Analytik und Data Mining können hier Abhilfe schaffen. Sie erkennen Muster, Trends und Anomalien und unterstützen datenbasierte Entscheidungen, von der Produktausrichtung bis zur Risikosteuerung bis hin zu operativen Effizienzsteigerungen.
Von Reflexion zur Reaktion: Steuerungsrelevanz
Die operative Datenpflege, etwa bei Vertrags- oder Schadendaten, funktioniert in vielen Unternehmen zuverlässig. Doch bei der strategischen Steuerung zeigt sich ein deutliches Defizit. Wichtige Fragestellungen wie die Profitabilität nach Tarifgeneration, das Liquiditätsmanagement oder die ESG-Steuerung werden nur unzureichend adressiert.
Ein Grund dafür liegt in der retrospektiven Ausrichtung des Controllings: Ad-hoc-Analysen sind oft nur mit IT-Unterstützung möglich, Self-Service-BI-Lösungen fehlen weitgehend. Das erschwert datenbasierte Führungsansätze und verhindert, dass datengetriebene Signale rechtzeitig in die Unternehmenssteuerung einfließen.
Zwar werden regulatorische Anforderungen meist erfüllt, eine proaktive, datengestützte (Unternehmens-)steuerung bleibt aber die Ausnahme. Durch automatisierte Dashboards, Self-Service-Reporting und KPI-orientierte Führung lässt sich dieses Potenzial heben und datenbasierte Entscheidungen systematisch verankern.
Brennpunkte & zentrale Herausforderungen
Die datenbezogenen Herausforderungen in Versicherungsunternehmen zeigen sich besonders deutlich in fünf Brennpunkten. Sie spiegeln die zuvor beschriebenen Dimensionen des Datendilemmas, Verfügbarkeit und Qualität, Integration, Analysefähigkeit und Steuerungsrelevanz, in konkreten Anwendungsfeldern wider:
Kundendaten & Vertriebssteuerung: Personalisierung bleibt Stückwerk
Trotz umfangreicher Kundendaten gelingt es vielen Versicherern nicht, diese zielgerichtet im Vertrieb einzusetzen. Die Informationen sind verteilt auf verschiedene Systeme wie CRM-Lösungen, Bestandssysteme und externe Quellen. Eine konsolidierte Kundensicht fehlt häufig. Dadurch bleibt die Vertriebssteuerung zersplittert, und datenbasierte Empfehlungen für Cross- und Upselling kommen entweder gar nicht oder zu spät. Eine institutionalisierte, datengetriebene Vertriebsstrategie existiert in vielen Häusern nicht, was den Wandel zu einem proaktiven, bedarfsorientierten Vertrieb erschwert.
Schadendaten & Risikomanagement: Automatisierung ohne Anschluss
Im Schadenbereich entstehen große Datenmengen, strukturiert (z.B. Stammdaten) wie unstrukturiert (z. B. Freitexte, Bilder, Gutachten). Diese werden überwiegend für die Fallbearbeitung genutzt. Der strategische Mehrwert bleibt ungenutzt, da automatisierte Verfahren zur Schadenfrüherkennung oder Risikoprofilierung fehlen. Der Einsatz von KI-gestützter Mustererkennung und prädiktiven Modellen ist bislang selten. Frühwarnsysteme und proaktive Kommunikation mit Kunden und Kundinnen im Schadenfall lassen sich so nicht etablieren. Dies führt zu einem klaren Rückstand in Effizienz und Innovationsfähigkeit.
ESG-Daten: Reporting ohne Wirkung
Nachhaltigkeitsdaten, etwa zum CO₂-Fußabdruck von Kapitalanlagen, zu sozialen Kriterien oder Governance-Aspekten, gewinnen regulatorisch wie gesellschaftlich an Bedeutung. Versicherer erfassen diese Informationen zunehmend, häufig jedoch lediglich im Rahmen von SFDR- oder CSRD-Berichtspflichten. Diese Daten werden meist isoliert erhoben. Eine Integration in operative Steuerungsprozesse, etwa beim Underwriting, in der Produktentwicklung oder Kapitalanlage, findet selten statt. ESG bleibt so ein reiner Reportingprozess ohne konkreten Einfluss auf das Geschäftsmodell.
Berichtswesen & Steuerung: Kontrolle statt Steuerungsimpuls
Das Berichtswesen vieler Versicherer ist historisch gewachsen, stark auf regulatorische Anforderungen ausgerichtet und in hohem Maße manuell. Zwar werden zahlreiche Kennzahlen erhoben, doch deren strategische Auswertung bleibt oft aus. Ad-hoc-Analysen sind oft nur mit IT-Unterstützung möglich, Self-Service BI ist selten etabliert. Berichte dienen primär der Kontrolle und nicht der aktiven Steuerung. Damit bleiben wichtige Erkenntnisse für die Produktentwicklung, Risikoanalyse oder Kundenbindung ungenutzt.
Dark Data & Legacy-Systeme: Der blinde Fleck im Datenhaushalt
In alten Systemen und unstrukturierten Datenquellen liegen wertvolle Informationen, von historischen Vertragsdaten bis hin zu archivierter Kommunikation. Diese sogenannten „Dark Data“ sind meist unerschlossen, unstrukturiert oder in veralteten Formaten abgelegt. Sie sind nicht in moderne Datenarchitekturen eingebunden und lassen sich nur mit großem Aufwand nutzbar machen. Ohne gezielte Investitionen in Erschließung, Harmonisierung und Migration bleibt dieses Potenzial brach, obwohl gerade hier wichtige Erkenntnisse für Rückversicherungsmodelle, Produktoptimierung oder Risikobewertung verborgen liegen.
Ursachen: Fragmentierte Technik, fehlende Steuerung, schwache Datenkultur
Die Ursachen dieser Herausforderungen lassen sich auf drei zentrale Ebenen zurückführen:
- Technologische Fragmentierung verhindert durchgängige Datenflüsse und eine konsolidierte Sicht auf Kunden, Prozesse und Risiken.
- Fehlende Governance, also unklare Zuständigkeiten, mangelnde Standards und fehlende Prozesse, erschwert ein systematisches Datenmanagement.
- Schwache Datenkultur: Daten gelten vielerorts als IT-Thema, nicht als strategisches Führungsinstrument. Das verhindert datenbasierte Entscheidungen und hemmt sowohl operative Effizienz als auch Innovationskraft.
Diese strukturellen Defizite blockieren nicht nur Wertschöpfung, sie gefährden langfristig auch die Wettbewerbsfähigkeit der Branche.
Agentic AI – Automatisierung als Ausweg aus dem Datendilemma
Die Lösung für das Datendilemma liegt nicht in weiteren manuell betriebenen Datentransformationsprojekten oder punktuellen Optimierungen. Vielmehr erfordert die Komplexität heutiger Datenlandschaften einen radikal neuen Ansatz: Agentic AI, also KI-basierte Systeme, die eigenständig Informationen verarbeiten, Entscheidungen vorbereiten und kontinuierlich dazulernen, um Aufgaben effizienter zu lösen. Dabei befähigt Agentic AI auch die Fachbereiche in der Versicherung, datengetriebene Insights, Prozessoptimierungen sowie neue Geschäftsmodelle, Produkte und Tarife zu generieren.
Im Gegensatz zu klassischen Automatisierungsansätzen agieren Agentic-Systeme nicht starr regelbasiert, sondern adaptiv, kontextsensitiv. Sie greifen auf heterogene Datenquellen zu und Verknüpfen diese dynamisch. Sie können beispielsweise:
- unstrukturierte Daten automatisch erfassen, analysieren und mit strukturierten Informationen kombinieren (z. B. Schadenakten, ESG-Dokumente),
- eigenständig Datenqualität prüfen, Dubletten erkennen und fehlende Werte ergänzen,
- Daten entlang von Prozessen orchestrieren, aggregieren und nutzbar machen, etwa für Echtzeitentscheidungen im Underwriting oder in der Schadenbearbeitung,
- proaktiv Handlungsempfehlungen generieren, Risiken identifizieren oder Vertriebschancen erkennen, auf Basis historischer Daten und aktueller Signale.
Agentic AI schafft damit eine operative Entlastung in allen vier Dimensionen des Datendilemmas:
- Verfügbarkeit & Qualität: Durch automatische Datenvalidierung, Anomalieerkennung und kontinuierliches Data Cleansing.
- Integration: Über autonome Datenagenten, die isolierte Systeme verbinden und semantisch harmonisieren.
- Analysefähigkeit: Mittels selbstlernender Modelle, die Muster erkennen, Segmentierungen optimieren und Prognosen erzeugen.
- Steuerungsrelevanz: Indem relevante Kennzahlen kontinuierlich überwacht und in steuerbare Empfehlungen überführt werden.
Chancen datenkompetenter Unternehmen
Versicherer, die auf agentenbasierte Automatisierung setzen und ihre Daten gezielt in Wertschöpfung überführen, profitieren mehrfach:
- Effizienzsteigerung: Automatisierte Abläufe in der Schadenregulierung, Vertragsprüfung oder im Vertrieb senken Kosten und erhöhen Geschwindigkeit.
- Innovationskraft: Neue Produkte, z. B. dynamische Tarife oder Präventionsangebote, werden auf Basis lernender Datenmodelle realisierbar.
- Vertrauensbildung: Transparente, konsistente Datenprozesse schaffen Nachvollziehbarkeit gegenüber Kunden und Kundinnen, Partnern und Aufsichtsbehörden.
Agentic AI ist damit mehr als ein Technologietrend. Sie ist ein struktureller Hebel, um das Datendilemma nachhaltig zu überwinden. Entscheidend ist nicht nur der Einsatz moderner KI-Systeme, sondern ihre Verankerung in einer datenkompetenten Organisation: mit klarer Governance, verlässlicher Datenbasis und einer Kultur, die Automatisierung als strategischen Enabler begreift.
Operative Effizienz & Servicequalität: Agenten entlasten Prozesse und steigern Geschwindigkeit
Eine konsolidierte, qualitätsgesicherte Datenbasis ist die Grundvoraussetzung für automatisierte Abläufe, etwa in der Schadenbearbeitung, der Antragsprüfung oder im Vertrieb. Agentic AI-Systeme können hier nicht nur Daten bereitstellen, sondern sie dynamisch interpretieren, mit externen Signalen anreichern und auf Basis definierter Zielgrößen eigenständig handeln.
Anwendungsfall: Schadenmanagement (Analysefähigkeit + Integration)
Ein großer Kompositversicherer nutzt ein agentenbasiertes System zur vollautomatischen Regulierung von Kfz-Glasschäden. Der Agent analysiert eingereichte Bilder mithilfe eines Computer-Vision-Modells, prüft die Schadenhistorie, gleicht die Angaben mit den Vertragsbedingungen ab und initiiert eigenständig die Auszahlung einschließlich Kundenbenachrichtigung. Das System lernt mit jedem Vorgang, passt Regeln an und erkennt neue Muster. Ergebnis: Reduzierte Bearbeitungszeiten, niedrigere Prozesskosten, spürbar höhere Kundenzufriedenheit.
Weitere Einsatzmöglichkeiten:
- Kundendaten und Vertrieb: Ein Vertriebsassistent-Agent gleicht in Echtzeit Kundendaten aus CRM-, Bestandssystemen und externen Quellen ab und erstellt automatisierte Produktempfehlungen, abgestimmt auf Verhalten, Lebenslage und Kanalpräferenzen.
- Legacy-Systeme: Ein Datenbereinigungs-Agent erkennt Dubletten, fehlerhafte Adressen und widersprüchliche Angaben, priorisiert sie nach Risikoauswirkung und schlägt automatisiert Korrekturmaßnahmen vor.
- Cross-Channel-Kommunikation: Ein Dialogagent verfolgt die Kundeninteraktion kanalübergreifend, erkennt Anliegen frühzeitig und leitet proaktiv Maßnahmen ein, z. B. Reminder für fehlende Unterlagen oder Tarifanpassungen.
Neue Geschäftsmodelle & Innovation: Agenten ermöglichen adaptive Produkte und Services
Datenkompetente Versicherer setzen zunehmend auf individualisierte, dynamische Produkte. Agentic AI spielt hierbei eine Schlüsselrolle. Denn sie ermöglicht die laufende Anpassung von Leistungen und Preisen an Kundenverhalten, Risikoprofile und externe Entwicklungen, ohne manuelle Eingriffe.
Anwendungsfall: Telematik im Kfz-Bereich (Verfügbarkeit & Qualität + Steuerungsrelevanz)
Ein Versicherer führt einen Mobilitätsagenten ein, der Bewegungsdaten aus Fahrverhalten, Verkehrslage und Wetterdaten kombiniert. Der Agent bewertet die individuelle Risikosituation laufend neu, passt die Prämien dynamisch an und informiert Kunden und Kundinnen transparent über den aktuellen Stand. Die Prämiengestaltung erfolgt regelbasiert, aber flexibel, auf Grundlage belastbarer Datenanalysen. So entsteht ein adaptives Produkt mit hohem Nutzenempfinden und klarer Differenzierung im Markt.
Weitere Einsatzmöglichkeiten:
- Krankenversicherung: Ein Präventionsagent analysiert Wearable-Daten, leitet Gesundheitsmuster ab und gibt personalisierte Empfehlungen, z. B. für Bewegung, Ernährung oder Schlaf, verbunden mit Beitragsanreizen.
- Reiserücktrittsversicherung: Ein Risikoagent bewertet externe Echtzeitdaten (z. B. Pandemielage, Streikmeldungen), justiert Risikoaufschläge situativ und informiert Kunden und Kundinnen proaktiv über Änderungen.
- Wohngebäudeversicherung: Ein IoT-gestützter Smart-Home-Agent verknüpft Sensordaten (Wasser, Rauch, Bewegung) mit Vertrags- und Standortdaten, erkennt Frühindikatoren für Schäden und kann z. B. per App Gegenmaßnahmen vorschlagen.
Vertrauensgewinn & Compliance: Agenten sichern Transparenz und Datenverantwortung
Vertrauen entsteht, wenn Daten nachvollziehbar verarbeitet und Entscheidungen transparent kommuniziert werden. Agentic AI bietet die technische Grundlage für ein datenethisches Design, mit erklärbaren Modellen, Zugriffskontrolle und Governance-by-Code.
Anwendungsfall: Data Trust Dashboard (Steuerungsrelevanz + Verfügbarkeit)
Ein Lebensversicherer integriert ein datenethisches Agentensystem in sein Kundenportal. Der Agent zeigt in Echtzeit, welche personenbezogenen Daten zu welchem Zweck verwendet werden, dokumentiert Zugriffspfade und macht diese Informationen für Kundinnen und Kunden nachvollziehbar zugänglich. Nutzerinnen und Nutzer können über granulare Einstellungsmöglichkeiten die Verarbeitung steuern. Das System erfüllt nicht nur DSGVO-Vorgaben, sondern fördert aktiv Vertrauen, durch kontinuierliche Transparenz und Kontrolle.
Weitere Einsatzmöglichkeiten:
- ESG-Reporting: Ein ESG-Agent extrahiert relevante Inhalte aus Kapitalanlage- und Produktdaten, prüft auf Konformität mit regulatorischen Kriterien (z. B. EU-Taxonomie), erstellt automatisiert Berichte und kennzeichnet Widersprüche.
- Dark-Data- Erschließung: Ein semantischer Suchagent analysiert unstrukturierte Datenbestände in Legacy-Systemen, erkennt relevante Inhalte (z. B. Deckungslücken, Risikohinweise) und ordnet sie strukturiert neuen Analysemodellen zu.
- Explainable AI: Ein Erklärbarkeitsagent dokumentiert automatisiert die Entscheidungswege eingesetzter Modelle, z. B. bei Tarifierung oder Leistungsprüfung, und stellt diese Informationen revisionssicher und kundenverständlich bereit.
Ausblick & Fazit
Das Datendilemma der Versicherungswirtschaft ist kein rein technisches Problem, es ist Ausdruck struktureller und kultureller Defizite im Umgang mit Daten. Die vier zentralen Schwachstellen, mangelhafte Verfügbarkeit und Qualität, fragmentierte Integration, geringe Analysefähigkeit und fehlende Steuerungsrelevanz, betreffen nahezu alle Kernbereiche des Versicherungsgeschäfts: von der Vertriebssteuerung über das Schadenmanagement bis hin zum ESG-Reporting und Berichtswesen.
Gleichzeitig steigt der Handlungsdruck: Kundinnen und Kunden erwarten reibungslose, individualisierte Services. Regulatoren fordern Transparenz und Revisionssicherheit. Und die eigene Wettbewerbsfähigkeit hängt zunehmend davon ab, wie intelligent Daten operativ und strategisch genutzt werden.
Hier setzt Agentic AI an: als technologische Antwort auf strukturelle Herausforderungen. Agentenbasierte Systeme können heterogene Datenquellen erschließen, Muster erkennen, Handlungsempfehlungen ableiten und Prozesse eigenständig ausführen, adaptiv, lernfähig und kontextsensitiv. So entstehen nicht nur effizientere Abläufe, sondern auch neue Geschäftsmodelle und Vertrauen durch Transparenz.
Der Weg aus dem Datendilemma führt über gezielte Automatisierung und datenbasierte Steuerung, aber auch über eine Governance, die Verantwortung klar verankert, sowie über eine Unternehmenskultur, die Daten nicht als IT-Asset, sondern als zentrales Steuerungselement versteht.
Wer jetzt nicht handelt, wird im Wettbewerb unweigerlich an Relevanz verlieren, da sich die Geschwindigkeit und Präzision moderner Systeme ohne Agentic AI nicht mehr erreichen lässt. Agentic AI ist dabei das zentrale Werkzeug und wer es frühzeitig meistert, definiert die Spielregeln des Marktes, anstatt ihnen hinterherzulaufen.
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