Innovationseinheiten: So vermeiden Unternehmen Fehler der Vergangenheit

Von   Dr. Peter Henssen   |  Gründer und Geschäftsführer   |  Pacemakers Digital Ventures GmbH (PMDV)
10. Februar 2021

Die Zeiten aufgeblasener Innovationseinheiten sind vorbei. Während große Konzerne ihre Innovations-Vehikel bereits wieder zurückziehen, können kluge Unternehmen viel von deren gescheiterten Vorhaben lernen. Wer heute die Struktur für effektive und stetige Innovationen schafft, wird schon morgen neue Wachstumsfelder erschließen können.
Die Erwartungen waren hoch, als 2013 und in den darauffolgenden Jahren Corporates, also große Unternehmen und Konzerne, ihre eigenen Innovationseinheiten aufbauten. Ob Accelerator, Lab, Inkubator oder Corporate Venture Capital (CVC)-Einheit – Hauptsache man war beim medienwirksamen Innovations-Sprint dabei. Während so gut wie alle DAX-30-Unternehmen mit von der Partie waren, leisteten sich 20% von ihnen sogar gleich mehrere unterschiedliche Innovationseinheiten. Nach dem Motto: Doppelt und dreifach hält besser.

Doch die hohen Erwartungen wurden enttäuscht. Die Unternehmens- und Strategieberatung Boston Consulting Group (BCG) konnte in einer Studie von 2019 nachweisen, dass die Hälfte der befragten Corporates ihre Erwartungen an die eigenen Innovationseinheiten als nicht erfüllt ansieht. Die betreffenden Start-ups sind umgekehrt sogar noch enttäuschter von den Kooperationen mit den Unternehmen. Dabei ist das Modell einer Innovationseinheit keineswegs falsch, es muss jedoch im richtigen Kontext gesehen werden.

Folgend ein Überblick über vier relevante Innovationseinheiten und was Unternehmen bei deren Auswahl und Einsatz beachten sollten.

1. Innovation Labs

Ein Innovation Lab ist die vorherrschende Innovationseinheit, wohl auch deshalb, weil sie keinem Korsett unterliegt und sehr flexibel ist. Ziel ist hierbei der interdisziplinäre, übergreifende Austausch von Informationen, Wissen und Ideen. Es geht um die Öffnung des Innovationsprozesses und die Integration von unterschiedlichen Akteuren und Startups.

Das haben die letzten Jahre gezeigt

Die Zielsetzung eines Innovation Labs ist meist fluide, oft werden die digitale Transformation des eigenen Unternehmens, neue Arbeitsweisen und Innovation-Accelerations als Ziele angeführt. Innovation Labs sind attraktiv und passen oft in das eigene (gewünschte) Image von Konzernen und einzelnen Entscheidern, der Impact ist aber oftmals begrenzt. Der Grund dafür ist unter anderem der, dass Innovationseinheiten oft von internen und altgedienten Mitarbeitern geführt werden, die mit Innovation bislang nichts zu tun hatten. Wie soll dann eine echte kulturelle Transformation gelingen?

Das sollten Unternehmen beachten

  • Klarer Fokus: Unerlässlich für den Erfolg eines Innovation Labs ist eine klare Zielsetzung und eine Definition der strategischen Komponente.
  • Team aus Innovations-Experten: Das (interdisziplinäre) Team sollte nicht der internen Organisation entspringen. Denn gerade bei einem Innovation Lab ist es wichtig, echte und erfahrene Innovatoren oder auch Disruptoren von außen in das Unternehmen zu holen, die nicht in bislang vorherrschenden Strukturen zu denken.

2. Corporate Acceleratoren

Corporate Acceleratoren oder auch „Unternehmens-Beschleuniger“ bieten Start-ups innerhalb eines festgelegten Zeitraums Unterstützung bei der Unternehmensentwicklung, beispielsweise durch Coaching, Mentoring, finanzielle Hilfen und die Bereitstellung der erforderlichen Infrastruktur.

Das haben die letzten Jahre gezeigt

Acceleratoren sind vielfach aus der Mode gekommen und viele Corporate-Accelerator-Programme wurden mittlerweile eingestellt. Die Gründe dafür sind vielfältig: Zum einen ist die Bereitstellung eines Investments im Rahmen der Teilnahme am Programm kein Unterscheidungsmerkmal mehr. Der Zugang zu Kapital ist für Start-ups heute viel einfacher als noch vor einigen Jahren und der Markt für Risikokapital ist auch hierzulande stark gewachsen. Zum anderen hat die Professionalisierung der Gründerteams zugenommen. Solche mit erfolgsversprechenden Produkten oder Dienstleistungen sind nicht mehr bereit, für einige Monate Mentoring sowie für einen geringen bis mittleren Betrag Anteile abzugeben. Einige Acceleratoren sind daher inzwischen dazu übergegangen, komplett auf Anteile zu verzichten oder die finanzielle Komponente zu erhöhen.

Auch ein wirkungsvolles Mentoring, das einen Sprung in der Produkt- oder Unternehmensentwicklung ermöglicht, konnte von Corporates nur selten geboten werden – sei es aus Mangel an Erfahrung oder nicht ausreichenden Budgets.

Unerlässlich für den erfolgreichen Aufbau eines Accelerators ist ein erfahrenes Team mit einem großen Netzwerk in das jeweilige Ökosystem. Konzerne sparten in der Vergangenheit aber gerade oft an dieser Stelle und betrauten interne Personen damit, die jedoch nicht das richtige Set an Qualifikationen mitbrachten. Zudem wurde an dem eigentlichen Mentoring-Programm gespart, mit der Folge, dass oft kein nachhaltiger Dealflow (Dealflow = Investitionsvorschläge, die Verwaltern von Risikokapital wie Investmentbankern, Venture Capital Gesellschaften bzw. Kapitalgesellschaften oder Crowd-Investoren angeboten werden) an potentiellen Teilnehmern generiert werden konnte – und damit die Erfolgswahrscheinlichkeit des Accelerator-Programms unwahrscheinlich wurde.

Das sollten Unternehmen beachten

  • Erfahrenes Team: Unerlässlich für den erfolgreichen Aufbau eines Accelerators ist ein erfahrenes und gut vernetztes Team im jeweiligen Ökosystem. Nur so kann ein guter Deal Flow an vielversprechenden Teilnehmern sichergestellt werden.
  • Echte Mehrwerte: Das Mentoring Programm muss für Start-ups enorm wertstiftend sein. Ist dies nicht der Fall, sehen diese keinen Mehrwert in ihrer Teilnahme und der Ruf des Programms verschlechtert sich. Dies wiederum hat gravierende negative Auswirkungen auf die Qualität des zukünftigen Deal Flows und senkt somit die Erfolgswahrscheinlichkeit des Accelerator-Programms.

3. Corporate Venture Capital (CVC)

CVC-Einheiten werden oft als spezielle Investmentgesellschaften aufgebaut und zielen sowohl auf finanzielle Renditen als auch auf einen strategischen Mehrwert ab.

Das haben die letzten Jahre gezeigt

CVC-Einheiten funktionieren nur, wenn entweder der strategische Mehrwert oder aber die Rendite im Vordergrund steht. Sie funktionieren fast nie, wenn beides vermischt und am Ende mit zweierlei Maß gemessen wird.

In der Realität können viele CVC-Einheiten nicht unabhängig vom Konzern agieren. Dies führt dann teilweise dazu, dass strategische Investments eingegangen werden, die tendenziell eine eher geringe Rendite versprechen. Wird eine solche Einheit dann an harten, renditeorientierten Kennzahlen gemessen, fällt die Beurteilung des Erfolgs oft verhalten aus.

Der rein ökonomische Erfolg von – nicht unabhängig agierenden – CVC-Einheiten ist u.a. deshalb auch eher unwahrscheinlich, denn den großen Unternehmen und Konzernen fehlt für einen wirklich hochwertigen Dealflow oft der Zugang zu den relevanten Ökosystemen. Zudem haben CVC-Investments für Start-ups oft eine geringere Strahlkraft als das Investment eines renommierten VCs. Für Konzerne bedeutet dies im Umkehrschluss eine weitere Hürde an die „guten Deals“ zu kommen und sich nachhaltig erfolgreich im Markt zu etablieren.

Das sollten Unternehmen beachten

  • Strategischer Nutzen: Ein CVC-Modell sollte vor allem dann aufgebaut werden, wenn sich ein echter strategischer Nutzen ableiten lässt. Eine (nicht autarke) CVC-Einheit sollte nicht betrieben werden, wenn eine positive Rendite erwartet wird – in diesem Fall ist eine Beteiligung an einem bestehenden VC-Fonds sinnvoller. Denn das nächste Unicorn wird mit einer sehr großen Wahrscheinlichkeit nicht aus einer CVC-Einheit entspringen.
  • CVC-Mentoring: Eine CVC-Einheit kann mit Elementen des Accelerators verknüpft werden. So kann eine Einheit, die auf (Pre-)Seed Investments spezialisiert ist, ein durchdachtes Mentoring-Programm anbieten, um die Erfolgswahrscheinlichkeit der eingegangenen (strategischen) Investments zu erhöhen.

4. Inkubatoren (Corporate Venturing)

Inkubatoren werden aufgebaut, um neue Geschäftsideen zu entwickeln und zu validieren, bevor diese in eine Abteilung oder eigenstände Einheit ausgegründet werden.

Das haben die letzten Jahre gezeigt

Corporate-Inkubatoren benötigen für den nachhaltigen Erfolg eine systematische Methodik, den Zugang zu relevanten Experten und Netzwerken (relevant vor allem in hoch reglementierten Branchen wie Gesundheit oder Finanzen), sowie erfahrene Teams.

Um bestehende Assets beim Aufbau neuer Geschäftsmodelle einzusetzen und den „unfairen Vorteil“ des Konzerns gegenüber Start-ups gewinnbringend zu nutzen, ist vor allem ein interdisziplinäres Team sowie der Aufbau von geeigneten Strukturen notwendig. Für Konzerne ist dies häufig eine große Herausforderung. Daher kommt es immer öfter auch zu Partnerschaften mit spezialisierten Venture Buildern.

Eine weitere Herausforderung liegt im Gründungsteam. Konzerne setzen für neue Ventures oftmals Konzernmitarbeiter ein, die plötzlich als Gründer auftreten sollen. Dies erweist sich jedoch zumeist als Problem, denn nur allzu oft sind diese nicht richtig incentiviert (mit Unternehmensanteilen) oder es mangelt an der benötigten Gründer-Persönlichkeit. Das richtige Gründerteam und wirksame Anreizmodelle sind jedoch der Schlüssel für einen nachhaltigen Erfolg der neuen Ventures.

Das sollten Unternehmen beachten

  • Hoher strategischer Nutzen: Im Mittelstand warten viele Ideen und Assets darauf, zum Aufbau eines erfolgreichen neuen Ventures genutzt zu werden. Daher sollten die Unternehmen systematisch und proaktiv neue Geschäftsmodelle aufbauen – auch in Partnerschaft mit unabhängigen Inkubatoren oder Venture Buildern.
  • Interne Strahlkraft: Die interne Organisation kann nachhaltig durch eine agile und innovative Arbeitsweise befruchtet werden, wenn beispielsweise aus Mitarbeitern Intrapreneure gemacht und in Corporate Venturing Teams integriert werden. Hierbei sollte insbesondere auf die richtige Incentivierung und Auswahl geachtet werden.

Fazit

Alle beschriebenen Innovationseinheiten können, richtig aufgesetzt, zum Erfolg führen. Inkubatoren (Corporate Venturing) stellen heute jedoch für Unternehmen die beste Möglichkeit dar, Innovation zu forcieren und neue Geschäftsmodelle aufzubauen. Durch flexible Partnerschaftsmodelle kann hier schnell ein Effekt generiert werden, der mehr Vorteile und weniger Risiko mit sich bringt als Acceleratoren und CVC-Einheiten – vorausgesetzt er wird systematisch betrieben. Innovations Labs eignen sich ebenfalls als ein erster Start mit klarem Fokus. Aber dann bitte mit einer Besetzung von erfahrenen Mitarbeitern, die nicht der internen Organisation entspringen.

 

ist auf die Bereiche Unternehmensaufbau, digitale Transformation und Acceleration spezialisiert. Der gebürtige Kölner hat bereits zahlreiche große Transformations- und Plattformprojekte geleitet, insbesondere in den Bereichen FMCG, Retail, Automotive und Beauty.

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