Die Zukunft der Produktion liegt in den Daten der Vergangenheit

Von   Uwe Küppers   |  Senior Consultant Smart Manufacturing   |  Rockwell Automation
7. September 2020

Industrielle Datenanalyse wird derzeit von immer mehr Unternehmen als lohnende Ergänzung zu bisherigen produktionsbegleitenden Verfahren erkannt. Dabei kann sie als Teil einer umfassenden Digitalisierungsstrategie nicht nur Ausfälle minimieren, sondern die gesamte Effizienz einer Anlage steigern.
Wer Daten als das Gold des 21. Jahrhunderts bezeichnet, hat zumindest nicht ganz unrecht. Allerdings gilt vor allem in der Industrie, dass der Datenschatz bereits seit Jahren oder sogar schon Jahrzehnten vorliegt – ihn zu bergen war bislang aber eine sehr komplexe Option. Da sich in vielen industriellen Anlagen in den letzten Jahren durch höhere Konnektivität innerhalb der Anlage und bessere Rechenleistungen die Vorrausetzungen zur Datenanalyse grundlegend geändert haben, stehen Unternehmen heute viel mehr Möglichkeiten offen die vorhandenen Daten richtig zu nutzen.

Dabei ist einer der entscheidenden Fortschritte, die zu einer Ausweitung der Nutzung von Industrial Analytics führen, dass aus diesen neuen Entwicklungen entstehende und eng damit verknüpfte maschinelle Lernen. Durch die gemeinsame Nutzung dieser Entwicklungen, können Industrieunternehmen aus verschiedensten Branchen Daten nicht nur optimal aufbereiten, sondern auch Rückschlüsse auf Produktion und künftige Entwicklungen innerhalb der Anlage ziehen.

Produktionsdaten im Wandel der Zeit

Produktionsdaten fielen in Industrieanlagen an verschiedenen Stellen schon immer an. Allerdings hat sich die Form und die damit verbundene Nutzung über die letzten Jahre durchweg verändert. Durch den demografischen Wandel und den immer spürbareren Fachkräftemangel, verlieren Industrieunternehmen auch immer mehr erfahrenes Personal, dass allein am Klang einer Anlage den anstehenden Austausch von Verschleißteilen oder drohende Fehlproduktionen erkennen konnte. An die Stelle der alten Produktionsdaten, also unregelmäßigerer Töne und kaum hörbarer Schleifgeräusche, treten im Zuge des Ausbaus hin zum Connected Enterprise immer mehr digitalisierte Informationen und Produktionsparameter, die ohne das nötige Wissen oder die passenden Lösungen nur schwierig auszuwerten sind.

Intelligente Maschinen, moderne Steuerungen, Kameras und einzelne Sensoren aus der produktionsnahen Umgebung produzieren während des gesamten Maschinenbetriebes eine kaum fassbare Informationsmenge. Dazu gehören nicht nur Informationen zur Drehzahl einzelner Motoren oder zur Produktqualität, auch die Temperatur innerhalb der Produktionshalle, die Luftfeuchtigkeit oder einzelne Druckparameter fallen hierunter. Bemerkenswert sind hierbei vor allem zwei Dinge. Zum einen wächst die Datenmenge stets an, zum anderen wurden diese neuen Informationen in der Vergangenheit überwiegen retrospektiv genutzt, um Ausfälle erklären zu können – nachdem sie bereits geschehen sind.

Industrial Analytics als promethische Unterstützung für die Industrie

Gesteigerte Konnektivität, höhere Rechenleistung und maschinelles Lernen ermöglichen Industrieunternehmen nun eine bessere und weitreichendere Nutzung der generierten Daten. Vor allem kleine und mittlere Unternehmen können oftmals nicht auf die notwendigen Kapazitäten zurückgreifen, um Datenanalysten zu beschäftigen, die die angefallenen Daten mittels herkömmlicher Methoden nachbearbeiten, kontextualisieren und analysieren. Durch die schiere Menge an Daten ist es zudem beinahe ausgeschlossen, dass kleinteilige Verfahrensprozesse überwacht werden können.

Für die Überwachung kleinteiliger Aspekte einzelner Anlagen sind moderne Datenanalysetools daher eine entscheidende Bereicherung für die Industrie. Will man beispielsweise in einer Abwasserkläranlage die Funktionalität und planmäßige Arbeit einer Pumpe überwachen, spielen neben den Maschinendaten zum Beispiel auch die Flussgeschwindigkeit und der Druck eine entscheidende Rolle. Mittels moderner Analyse-Module, welche auf komplexen Algorithmen basieren, lassen sich die an verschiedenen Stellen in der Anlage gesammelten Daten kontextualisieren und in Echtzeit Prognosen zur weiteren technischen Abwasserreinigung erstellen. Dabei können solche modernen Module einfach installiert und programmiert werden, um eine Vielzahl unterschiedlicher Zwecke zu erfüllen.

Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft

Um zu verstehen, welche Vorteile am Schluss durch Industrial Analytics entstehen, hilft es sich zu vergegenwärtigen, wie dies schematisch funktioniert. Je nach Anwendungsgebiet, müssen zunächst Daten gesammelt werden, die das genutzte Modul verarbeiten kann. Um beim Beispiel der Kläranlage zu bleiben, wird zunächst überwacht, was innerhalb eines vorab definierten Abschnitts passiert, welche Leistung bringt die Pumpe, wie verändert sich der Druck des Abwassers und welche Parameter werden hinsichtlich der Viskosität erreicht? Über Industrial Analytics werden diese historischen Daten im nächsten Schritt in den Produktionskontext gesetzt und mittels der gegenwärtigen Werte für die Zukunft fortgeschrieben. Je umfangreicher und klarer dabei die Datengrundlage ist, umso bessere Zukunftsprognosen können am Schluss abgegeben werden.

Differieren die tatsächlichen Leistungskennzahlen der Pumpe ab diesem Punkt wesentlich von den errechneten, liegt in aller Regel ein Problem vor. Durch die Arbeit des Moduls können auf diese Weise wertvolle Erkenntnisse hinsichtlich Predictive und Prescriptive Maintenance getroffen werden, also vorausschauend agiert werden. Bevor ein unerwarteter Ausfall auftreten kann, ist es möglich, die Anlage in einen planmäßigen Instandhaltungsprozess zu begeben. Auf diese Weise können Ausfallzeiten minimiert werden und die Anlage lässt sich störungsfrei betreiben. Zudem kann die Effizienz der gesamten Anlage gesteigert werden, indem einzelne Parameter optimiert und so auf die bestmögliche Auslastung der Pumpe hingearbeitet wird.

Wachstum oder Stagnation – moderne Systeme machen den Unterschied

Industrial Analytics innerhalb der Produktion stellt eine der wichtigsten Entwicklungen der letzten Jahre dar. Gemeinsam mit anderen modernen Tools wie ausgeklügelten Manufacturing Execution Systemen (MES) oder Augmented und Virtual Reality bilden sie den Grundstein für eine zeitgemäße Produktion. Dabei steht am Schluss immer im Vordergrund, dass Unternehmen effizienter produzieren, Kosten senken und die Belastung ihrer Mitarbeiter so gering wie möglich halten. Vor allem in ungewissen Zeiten, können diese Vorteile den Unterschied zwischen Stagnation und Wachstum darstellen.

 

ist Senior Business Consultant bei Rockwell Automation und Chairman des EMEA Board von MESA International. Er hat mehr als 25 Jahre Erfahrung im Bereich Fertigungs- und Informationssoftware.

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