Führungskräfte und Mitarbeiter auf die digitale Transformationsreise mitzunehmen, stellt viele Unternehmen immer noch vor eine Herausforderung. Für eine erfolgreiche Transformation ist der Faktor Mensch jedoch die entscheidende Determinante.
Die Digitalisierung ist mittlerweile auch in den konservativsten Branchen angekommen. Nicht zuletzt durch die Coronakrise sieht sich heute jedes Unternehmen dazu gezwungen, digitale Kommunikationswege – intern wie extern – zu nutzen, seine Prozesse zu digitalisieren – oder das bestehende Geschäftsmodell gänzlich in Frage zu stellen. Zur Umsetzung der digitalen Transformation haben die Unternehmen bisher unterschiedliche Wege eingeschlagen. Viele haben digitale Beiräte, Scouts, Innovation Labs oder Corporate Ventures etabliert und sich so die Möglichkeit erschlossen, neue Geschäftsmodelle zu testen. Andere Unternehmen sind es weniger radikal angegangen und haben die Digitalisierung zunächst nur zur Kostenreduzierung oder einen besseren Kundenservice genutzt.
Veränderte Führungs- und Unternehmenskultur erforderlich
Eine erfolgreiche digitale Transformation ist das Ergebnis eines funktionierenden interdisziplinären Zusammenspiels unterschiedlicher Fachbereiche. Insbesondere mobile Technologien, Cyber Security und Künstliche Intelligenz (KI) in einem Unternehmen erweisen sich als wichtige technologische Grundlagen. Neben dem Aufbau des digitalen Fachwissens müssen die Unternehmen jedoch auch die Managementkompetenz ihrer Führungskräfte entwickeln. Denn auch die Führungskultur verändert sich durch die Digitalisierung nachhaltig. Es geht in Zukunft nicht mehr um Hierarchien und Führung von oben. Die traditionellen, pyramidalen Organisationen, in der Entscheidungen oben getroffen und unten umgesetzt werden, weichen daher zunehmend neuen Organisationsformen, die Entscheidung und Umsetzung näher zusammenführen und beschleunigen.
Diesen partizipativen Führungsstil hält auch die große Mehrheit der 2.000 Führungskräfte im Raum D-A-CH, die an unseren jährlichen Befragungen zum Odgers Berndtson Manager-Barometer teilnehmen, für erforderlich, um ein Unternehmen erfolgreich digital zu transformieren. Bei der Frage der organisatorischen Umsetzung sind die Führungskräfte gespalten: Etwa die Hälfte aller Teilnehmer sieht einen deutlichen Abbau der Hierarchien, die andere Hälfte sieht dies eher nicht. Allen Führungsverantwortlichen ist jedoch bewusst, dass sie eine offene, lernende Organisation benötigen und den Change Management-Prozess in ihrem Unternehmen aktiv vorantreiben müssen.
Digitale Aktivitäten haben häufig wenig Wirkung
Die Ansätze dafür sind in den einzelnen Branchen jedoch noch wenig strukturiert. Die Maßnahmen zum Aufbau von erforderlichen Kompetenzen beschränken sich häufig auf allgemeine Schulungen zur sogenannten digital awareness sowie zum digitalen Fachwissen. Insgesamt haben viele Führungskräfte noch den Eindruck, dass die digitale Transformation nur schleppend vorankommt.
Die oft fehlende Ergebnisrelevanz der ergriffenen Maßnahmen führt häufig zu weiterer Frustration. Gemäß einer Umfrage der Beratungsgesellschaft A.T. Kearney sind 57 Prozent der Digitalmaßnahmen sogenannte Enabler, haben also keinen direkten Einfluss auf das Kerngeschäft. 26 Prozent der ergriffenen Maßnahmen sind inkrementale, also schrittweise Verbesserungen mit Auswirkungen auf den Umsatz, 12 Prozent sind inkrementale Verbesserungen mit Ergebniseffekt. Nur 5 Prozent betreffen ein neues Geschäftsmodell und haben Umsatzrelevanz. Unternehmen sollten in ihrem Transformationsprozess darauf achten, den Erfolgsbeitrag einer Maßnahme zu den Unternehmenszielen stets im Auge zu behalten.
Der Faktor Mensch rückt in den Mittelpunkt der digitalen Transformation
Der mangelnde Fortschritt in der digitalen Transformation zeigt, dass Maßnahmen wie Labs oder Inkubatoren sowie digitale Pilotprojekte nicht das Problem lösen, die gesamte Organisation mit auf die digitale Transformationsreise zu nehmen. Hierfür sind Führungskräfte erforderlich, die ihren Mitarbeitern Vertrauen geben, sie inspirieren und erfolgreich in den Transformationsprozess einbinden.
Dass die Mitarbeiter bei aller Begeisterung für die Digitalisierung auch gemischte Gefühle und Ängste haben, zeigen wiederum die Ergebnisse des Manager-Barometers von Odgers Berndtson. Als wesentliche Nachteile der Digitalisierung werden die abnehmende persönliche Kommunikation, die ständige Erreichbarkeit sowie eine Verschlechterung des Führungsverhaltens angeführt.
Trotz – oder wegen – Corona: Persönliche Kommunikation ist wichtig
Auch in unserer aktuellen Corona-Befragung wurde deutlich, dass Führen auf Distanz eine Vielzahl von Herausforderungen birgt. Die Aufrechterhaltung der informellen Kommunikation ist nach Angaben der Manager dabei die größte Herausforderung. Während das Abarbeiten von Projekten oder die Delegation von Aufgaben sich noch relativ gut im Homeoffice realisieren lassen, bleibt das Gespräch auf dem Flur oder an der Kaffeemaschine auf der Strecke. Mehr als zwei Drittel der Führungskräfte vermissen diesen zwischenmenschlichen Kontakt mit den Kollegen oder Mitarbeitern. Gut die Hälfte der Manager empfinden auch die Kommunikation innerhalb der Teams sowie die Motivation ihrer Mitarbeiter als schwierig. Unser Fazit: Ganz ohne face-to-face-Kommunikation geht Führung nicht. Es kommt auf den richtigen Mix aus persönlichem und digitalem Kontakt an – abgestimmt auf die Kultur des Unternehmens, auf die Anforderungen der jeweiligen Rolle und die individuellen Bedürfnisse der Mitarbeiter.
Wie sehr die Digitalisierung das Karriereverhalten von Führungskräften beeinflusst, zeigt auch folgende Zahl: Rund 70 Prozent der Manager im Raum D-A-CH machen die Entscheidung, für welches Unternehmen sie arbeiten, von der Innovationsfähigkeit und dem Grad der Digitalisierung des potenziellen Arbeitgebers abhängig. Damit ist die digitale Strategie und Umsetzung eines Unternehmens ein wesentliches Entscheidungskriterium bei der Arbeitgeberwahl.
„Digital Leaders“ schaffen Kulturwandel und Fortschritt
Die Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche digitale Transformation ist, dass die digitale Transformation in den Unternehmen Chefsache ist. Mehr als 80 Prozent der Teilnehmer aus unseren digitalen Branchenstudien fordern dies. Sie schätzen die Fähigkeit der Unternehmensführung, ein visionäres Bild für die digitale Transformation zu entwerfen und eine nachvollziehbare Strategie abzuleiten, als wichtigste Managementkompetenz ein. Für ebenso wichtig halten die Befragten die Überzeugungskraft und Fähigkeit des Topmanagements, Mitarbeiter in den laufenden Digitalisierungsprozess zu integrieren und für die gemeinsame Sache zu begeistern.
Einen sogenannten Digital Leader zeichnen demnach die folgenden Merkmale aus:
- Er oder sie fungiert als Vorbild für die digitale Transformation und treibt diese aktiv voran.
- Er oder sie hat eine klare Vision, die andere inspiriert.
- Er oder sie hat eine konkrete Vorstellung von den Strukturen, die für die Transformation erforderlich sind und nimmt einen aktiven Part in der Entwicklung der neuen digitalen Kultur ein.
Mit anderen Worten: Wenn Firmen die neuen digitalen Technologien nicht nur zum Kostensenken und für ein verbessertes Kundenerlebnis nutzen, sondern damit ihr Geschäftsmodell verändern wollen, muss der Digitalverantwortliche im Topmanagement sitzen.
In Zukunft ist jedes Unternehmen ein digitales Unternehmen. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, benötigen Unternehmen „digitale Führungskräfte“, die über die entsprechenden digitalen Fach- und Methodenkompetenzen verfügen, aber auch die erforderlichen personalen, sozialen und kommunikativen Kompetenzen mitbringen. Vor diesem Hintergrund müssen Unternehmen ihre bestehenden Kompetenzmodelle anpassen, um die sich verändernden Profile abzubilden und um in Zukunft die richtigen Talente auszuwählen und zu entwickeln.
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