Wer die digitale Transformation meistern will, muss Daten fließend beherrschen

Von   Johannes Ritter   |  Director of Business Value Consulting EMEA   |  ThoughtSpot
27. Juli 2020

In den Vorstandsetagen im ganzen Land wird darüber gesprochen, dass Unternehmen datenorientierter werden müssen. Das ist leichter gesagt als getan. Ein datengesteuertes Unternehmen zu werden bedeutet, die Art und Weise wie seit Jahrzehnten Entscheidungen getroffen wurden, zu ändern. Und es erfordert eine wertvolle digitale Kompetenz: das Verständnis von Daten.
Wenn Daten das neue Öl sind, ist die Möglichkeit für Unternehmen, diese Daten als Teil der digitalen Transformationsbemühungen zu fördern, der Schlüssel zur Gewinnung von Kunden, Marktanteilen und zum Behaupten am Markt. Das ist nicht wirklich neu – Daten waren schon immer wichtig. Aber erst in den letzten Jahren hat sich gezeigt, dass Unternehmen, die Daten zur Entscheidungsfindung nutzen, enorm davon profitieren. Durch aktuelle Daten sind sie in der Lage, schneller auf neue Herausforderungen zu reagieren und neue Umsatzfelder zu erschließen. Die durch auf Daten basierende Erkenntnisse gewonnene Agilität hat vielen Unternehmen außerdem einen beispiellosen Wettbewerbsvorteil verschafft.

Darüber hinaus ist der Umfang der heute verfügbaren Daten neu. War die Gewinnung von Dateneinsichten in der Vergangenheit umständlich und erforderte hoch spezialisierte Mitarbeiter, so hat sich dies durch neue technologische Entwicklungen während der letzten zehn Jahren grundlegend verändert.

Gleichzeitig hat sich die zugrundeliegende Daten-Infrastruktur massiv verändert. Innovationen wie schnellere Datenbanken, neue Datenquellen wie mobile, digitale und IoT-Datenquellen und die Verbesserung der Benutzererfahrung haben den Weg für einen besseren Datenzugang geebnet.

Dennoch würden sich laut Untersuchungen weniger als ein Drittel der Unternehmen als datengetrieben bezeichnen. Es scheint, dass trotz aller Investitionen in die Sammlung und Generierung von Daten, nur wenige Unternehmen diese tatsächlich in anwendbare Erkenntnisse umsetzen können. Die Technologie ist vorhanden, aber es fehlt eine entsprechende Datenkultur.

Unternehmens-Kultur und Prozesse verlangsamen die Digitalisierungsbemühungen

Laut einer Studie „Die neuen Entscheider“ der Harvard Business Review ist nicht die Technologie der Bremsblock bei der Befähigung der Mitarbeiter datengestützte Entscheidungen zu treffen, sondern die vorherrschende Arbeits-Kultur und Prozesse. Vor allem das Fehlen effektiver Change-Management- und Adoptionsprozesse wirkt erschwerend. Auch fehlende Kompetenzen wurden von fast einem Drittel der Befragten als Hindernis darstellt. Fast alle Befragten bestätigen die wichtige Rolle, die Manager und Vorgesetzte bei der Befähigung von Mitarbeitern an vorderster Front spielen. Daher ist es kein gutes Zeichen, dass mehr als die Hälfte angibt, dass diese dafür nicht ausreichend mit den richtigen Werkzeugen, Schulungen und Kenntnissen ausgestattet sind.

Oft verbirgt sich dahinter die veraltete Auffassung, dass die Nutzung der Unternehmensdaten ausschließlich qualifizierten Datenanalysten vorbehalten bleiben sollte. Die Weiterbildung anderer Mitarbeiter hingegen wird als zu zeitaufwendig und teuer angesehen. Forschungsergebnisse von Forrester bestätigen, dass sich entsprechende Qualifizierungsmaßnahmen in der Regel nur an Analysten, Statistiker und Power-User richten. Auch wenn diese weiterhin eine wichtige Rolle spielen, müssen, soll die digitale Transformation gelingen, alle Mitarbeiter Zugang zu den Daten haben.

Daten beherrschen ist DIE digitale Kompetenz von morgen

Wenn jeder im Unternehmen mit Daten arbeitet, wird das Beherrschen der Daten zu einer wichtigen Kompetenz. Dabei geht es vor allem darum, dass die Mitarbeiter verstehen, wie sie Daten für eine geschäftliche Entscheidung einsetzen können. Es geht nicht darum, ein Datenprofi zu sein. Daten flüssig zu beherrschen ist die oberste Stufe der Datenkompetenz. Dies lässt sich mit der Beherrschung einer Fremdsprache vergleichen. Nur weil jemand über Grundkenntnisse in einer Fremdsprache verfügt und eventuell sogar ein kurzes Gespräch führen kann, ist diese Person doch weit entfernt davon, die Sprache fließend Spanisch zu sprechen oder gar in dieser Sprache zu denken.

Das Gleiche gilt für Daten. Jemand, der Daten fließend beherrscht, ist so versiert im Umgang mit Daten, dass er oder sie diese nicht nur objektiv betrachtet. Diese Person „spricht mit den Daten“, sondiert und untersucht sie, um unerwartete Zusammenhänge zu finden, die völlig neue Geschäftsmöglichkeiten eröffnen. Auf dem höchsten Niveau der Datenkenntnisse steht die Fähigkeit, kritisches Denken auf Daten anzuwenden.

Um bei der Entscheidungsfindung von den Daten profitieren zu können, müssen die Mitarbeiter vor dem Hintergrund ihrer Fachkenntnisse oder ihres Arbeitsgebiets die Daten analysieren. Sie kennen schließlich ihre Geschäftsbereiche am besten und wissen, ob die datenbasierten Entscheidungen überhaupt Sinn ergeben. Sie brauchen aber ebenso ein Datenverständnis, um sagen zu können, ob die Daten überhaupt sinnvoll oder korrekt sind.

Die Datenkompetenzen der Mitarbeiter ausbauen

Um die Datenkompetenz der Mitarbeiter auszubauen, ist ein ganzheitlicher, kontinuierlicher Ansatz erforderlich. In einem kürzlich veranstalteten Webinar hat unsere Chief Data Strategy Officer Cindi Howson einige empfohlene Vorgehensweisen vorgestellt, die Unternehmen auf dem Weg dorthin unterstützen sollen:

  • Vision – Unternehmen brauchen eine klare Vision dafür, wie sie die Mitarbeiter in die Lage versetzten wollen, Daten fließend zu beherrschen. Das bedeutet zum Beispiel, dass die Mitarbeiter während einer Besprechung datenbasierte Entscheidungen nicht blind akzeptieren, sondern konstruktiv hinterfragen können. Sie wären in der Lage zu verstehen, was die Daten aussagen oder was eben nicht. Entscheidungen, die auf dem Bauchgefühl beruhen, würden sie mit verfügbaren Daten hinterfragen oder untermauern.
  • Verantwortung – Damit die Bemühungen Erfolg haben können, sollte festgelegt werden, wer die Verantwortung für die Erfüllung der Vision übernimmt. Im Idealfall werden diese Anstrengungen vom Chief Data Officer in Zusammenarbeit mit der Personalabteilung und allen Bereichsführern geleitet.
  • Evaluierung – Bevor mit irgendwelchen Weiterbildungsmaßnahmen begonnen wird, sollten Unternehmen den gegenwärtigen Stand der Datenkompetenz der einzelnen Mitarbeiter je nach Position und Funktion evaluieren. Jede Organisation hat ihre Daten-Champions – Mitarbeiter, die Daten gut beherrschen. Manchmal sind diese versteckt, manchmal gut bekannt. Auf der Grundlage dieser Evaluierung finden Unternehmen heraus, welche Schulungs- und Weiterbildungsmaßnahmen wirklich benötigt werden und können diese auf die verschiedenen Rollen und die vorhandenen Fähigkeiten der Mitarbeiter zuschneiden. Es ist ein häufiger Fehler, Benutzer nicht nach Rolle und angestrebter Datenkompetenz zu segmentieren.
  • Upskilling – Unternehmen sollten für die Weiterqualifizierung verschiedene Methoden und Tools nutzen. Die Weiterqualifizierung muss eine kontinuierliche Anstrengung sein. Mit einmaligen Fortbildungsmaßnahmen ist es nicht getan, wenn es darum geht, ein echtes datengesteuertes Unternehmen zu werden. Ein anderer häufiger Fehler besteht darin, die Mitarbeiter nur in Tools, nicht aber in Daten zu schulen. Wie der Name schon verrät, geht es ja um Datenkompetenz und nicht um Tool-Know-how. Natürlich spielen Technologie und Tools eine wichtige Rolle bei der Arbeit mit Daten. Aber nicht unbedingt alle Mitarbeiter müssen mit diesen auch arbeiten. Während hingegen wirklich alle Mitarbeiter Daten verstehen und in der Lage sein sollten, diese kritisch zu hinterfragen.
  • Weiterbildungsprogramm – Datenkompetenz sollte fester Bestandteil des Weiterbildungsprogramms sein. Unternehmen sollten hier mit mehreren Lösungsanbietern wie Technologieanbieter oder Schulungspartner zusammenarbeiten.

Die Förderung der Datenkompetenz ist ein enormer Aufwand. Aber die Ergebnisse zahlen sich aus. In der erwähnten Studie der Harvard Business Review stimmten die befragten Führungskräfte fast einstimmig darin überein, dass Arbeitsqualität und Produktivität steigen, wenn den Arbeitnehmern mehr datengestützte Erkenntnisse zur Verfügung stehen. Der Bericht zeigte einen direkten und realen Zusammenhang zwischen der Befähigung der Arbeitnehmer, datengestützte Entscheidungen zu treffen, und dem Unternehmenserfolg. Bei jenen Unternehmen, die in Sachen Datenkompetenz schon weiter vorangeschritten sind, gaben 72 Prozent an, dass sie ihre Produktivität verbessern konnten, 69 Prozent konnten die Kundenzufriedenheit steigern und 67 Prozent die Produkt- und Servicequalität verbessern. Diese Unternehmen konnten auch ein Umsatzplus verbuchen: 16 Prozent dieser Daten-Champions sind in der Vergangenheit mehr als 30 Prozent gewachsen, ein weiteres drittel immerhin zwischen zehn bis dreißig Prozent.

Dies sind gewaltige, messbare Vorteile. Aber wahrscheinlich drängender ist die Frage, ob ein Unternehmen es sich leisten kann, in Sachen Datenkompetenz die Hände in den Schoß zu legen. Oder wie es Martha Bennett, Vice President & Principal Analyst bei Forrester, in einem Webinar ausdrückte: „Ohne Datenkompetenz können wir am Ende völlig in die Irre geführt werden und womöglich katastrophale Entscheidungen treffen“.

Johannes Ritter ist Director Business Value Consulting EMEA bei ThoughtSpot und hat mehr als 20 Jahre Erfahrung mit Unternehmenssoftware, unter anderem bei SAS Institute, Teradata, Oracle BI und AppDynamics. Der Betriebswirt startete seine Karriere 1997 beim globalen IT Lösungsanbieter IBM.

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