Besteuerung der Digitalwirtschaft – (bald) kein Neuland mehr!

22. Juli 2019

Wer kann noch (be-)steuern?

Die positiven und negativen Auswirkungen und Herausforderungen der fortschreitenden Prozesse der Globalisierung und Digitalisierung sind in Staat, Gesellschaft, Wirtschaft und Lebenswelt allerorts sichtbar und spürbar. Staaten reagieren auf „unfaire“ Wettbewerbs- und Steuerbedingungen im Subsystem der Wirtschaft traditionell mit zunehmender Regulierung, stoßen aber bei grenzüberschreitenden und transnationalen, globalen Tatbeständen schnell an territoriale Grenze ihrer Regelungs- und Steuersouveränität.

Auch ungeachtet ihrer derzeitigen Sinn- und Funktionskrise, ergeht es dem europäischen Staatenverbund der Europäischen Union ähnlich. Sie besitzt lediglich eine eingeschränkte und abgeleitete Steuersouveränität namentlich im Feld der indirekten Steuern (Mehrwertsteuer) und ist verfahrensrechtlich auf die einstimmigen Entscheidungen ihrer Mitglieder angewiesen. Immerhin, und eher als Notbehelf, hat sie das Wettbewerbsrecht in Gestalt des Verbots staatlicher, auch steuerlicher Beihilfen inzwischen auch zu Lasten der großen Internetkonzerne und „Player“ (Google, Amazon, Facebook, Apple – GAFA -, Microsoft u.a.) eingesetzt, um steuerpolitische Subventionsauswüchse einzelner Mitgliedstaaten einzudämmen. So verwundert es kaum, dass Fragen der internationalen Besteuerung von multinationalen Unternehmen mittlerweile auch Regelungsgegenstand der Zusammenarbeit innerhalb der Staatengemeinschaft und ihrer internationalen Organisationen geworden sind.

Internationale Besteuerungsdefizite

Im Mittelpunkt der steuer- und finanzpolitischen Diskussion namentlich im Rahmen der OECD/G20-Staatengruppe steht spätestens seit den 2010er Jahren die direkte Besteuerung der multinationalen Unternehmen. Der steuerpolitische Vorwurf gegen die bösen Buben der (US-)Digitalwirtschaft ist zweifach: Die EU (Kommission und Parlament) geht unter Berufung auf wirtschaftswissenschaftliche Untersuchungen davon aus, dass eine Steuerlücke in der Besteuerung zwischen „digitalen und traditionellen Einkünften“ besteht: digitale Unternehmen würden lediglich mit 9, 5%, traditionelle Unternehmen mit 23, 2% der nationalen Körperschaftsteuern belastet. Wenngleich die Höhe dieser Steuerlücke nicht unbestritten ist, der Besteuerungsmaßstab der (sportlichen?) „Fairness“ eher an ein Wiesel-Wort erinnert und namentlich europäische Steueroasen (z.B. Irland, Luxemburg, Malta u.a.) einen exzessiven Steuerwettbewerb geradezu angezettelt haben, verbergen sich hierunter gleichwohl reale, nicht nur gefühlte Gerechtigkeitsfragen der (inter-)nationalen Besteuerung.

Zu diesem Vorwurf  einer wettbewerbsfeindlichen „Unterbesteuerung“ kommt hinzu, dass hier gerade die EU-Mitgliedstaaten betroffen sind, da die Körperschaftsteuern der Digitalwirtschaft nach dem bisherigen System im Sitzstaat der Unternehmen (zumeist USA), und nicht im Quellen-und Absatzstaat der wirtschaftlichen Aktivität, der EU, entrichtet werden („Besteuerung am falschen Ort“). Das erste Monitum zielt eher auf einem fairen internationalen Steuerwettbewerb, das zweite Desiderat sogar auf eine Neuordnung der zwischenstaatlichen Besteuerungszuständigkeiten (sog. Neuallokation der Besteuerungsrechte).

Traditionelle Staatenkooperation im Steuerrecht

Die steuerrechtlichen Regeln der internationalen Unternehmensbesteuerung sind keineswegs neu, sondern mittlerweile 100 Jahre alt und bewährt. Sie beruhen auf einem Verteilungskompromiss der Staatengemeinschaft und zielen auf eine gerechte Aufteilung des Steuerkuchens zwischen den Staaten, in den Personen wirtschaftlich tätig werden. Rechtsform dieser Staatenkooperation sind die zumeist bilateralen sog. Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA) namentlich im Bereich der Ertragsteuern. Deutschland etwa hat mit mehr als 100 Staaten solche Verträge abgeschlossen. Tragendes Verteilungsprinzip für multinationale Unternehmen ist das bereits im Preußischen Recht im 19. Jahrhundert entwickelte Betriebsstättenprinzip: Aktive Einkommen, i.e. Gewinne eines Unternehmens werden in dem Land besteuert, in dem das Unternehmen wirtschaftlich tätig wird. Dies ist zunächst der Sitz-und Ansässigkeitsstaat des Unternehmens. Wird das Unternehmen auch in einem anderen Staat wirtschaftlich tätig, so kann dieser (Quellen-)Staat das Einkommen besteuern, wenn und soweit das Unternehmen dort eine „greifbare“ physische Betriebsstätte unterhält. Die Betriebsstätte ist mithin Verteilungsprinzip und Zuordnungspol (Bemessungsgrundlage) des nationalen Steuerzugriff. Betriebsstätten sind feste Geschäftseinrichtungen, wie z.B. Fabrikationsstätten, Geschäftsstellen oder  Zweigniederlassungen. Die Beispiele spiegeln zugleich das traditionelle Wirtschaftsmodell.

Einfluss der Digitalisierung

Informationstechnik und Informationstechnologie als Voraussetzung und Basis der Digitalwirtschaft ändern das steuerpolitische intrikate Verteilungsproblem nicht im Grundsätzlichen, zumal die klassische Betriebsstätte noch nicht ausgedient hat – aber sie verschärfen es beachtlich und stellen das „klassische“ Betriebsstättenprinzip auf die Probe. Wesentlicher Grund ist, dass die Digitalisierung die Mobilität und Internationalisierung von Unternehmen (ihrer Aktivitäten, Unternehmensbereiche, Wirtschaftsgüter, Finanzen, Shareholder, Kunden und „Nutzer“) grundlegend verändern und befördern kann. Digitale Unternehmen sind nicht und nur in geringem Maß ortsgebunden und betreiben wissens- und informationsbasierte Formen der Wertschöpfung. Ihre „Produkte“ sind virtueller Natur (Daten, Algorithmen, Netzwerke), ihre Vermögenswerte immaterieller Natur.

Insbesondere kann ein multinationales, namentlich digitales Unternehmen regionale Steuerlastunterschiede im Wege der Steuerarbitrage einfacher ausnutzen. Diese zumeist legale Steuerplanung beruht zunächst auf souverän zu verantwortenden Steuersatzunterschiede innerhalb Europas, aber auch innerhalb den USA, nicht zuletzt auch auf der Existenz von fragwürdigen Steueroasen. Ausschlaggebend ist darüber hinaus aber der Umstand, dass diese Unternehmen regelmäßig über keine erhebliche oder gar keine physische Präsenz im Staat der Dienstleistungsempfänger (Markt- und Absatzstaat, zugleich Quellenstaat) in Form einer Betriebstätte als einer räumlichen Sach- und Personalfunktion in Ländern ihrer wirtschaftlichen Aktivität verfügen (müssen) und gleichwohl grenzüberschreitend und wertschöpfend tätig werden. Dann geht der Quellenstaat praktisch leer aus. Werden dann die Gewinne im Sitzstaat nur gering besteuert oder in einen Niedrigsteuerstaat verlagert, entstehen Besteuerungslücken.

Internationale Initiativen: Das BEPS-Projekt

Im Mittelpunkt der Arbeit der OECD/G20 stand im Zeitraum 2013 bis 2015 zunächst das sog. BEPS-Projekt. BEPS steht für Base Erosion and Profit Shifting. Der mittlerweile beschlossene Reformkatalog (15 Aktionspunkte) wendet sich, wie im Titel verkürzt angedeutet, gegen Gewinnkürzungen und Gewinnverlagerungen multinationaler Unternehmen im Allgemeinen, trifft aber praktisch auch die großen Digitalunternehmen. Es handelt sich eine in dieser Form neuartige und einmalige Reforminitiative großer Teile der Staatengemeinschaft (129 Staaten zusammengeschlossen im sog. Inclusive Framework unter Federführung der OECD).

Derzeit befindet sich der Maßnahmenkatalog, der den erwähnten Vorwurf wettbewerbsfeindlichen „Unterbesteuerung“ aufgreift, in der nationalen Implementationsphase. Die Wirkungsweise der Reform ist demgemäß noch nicht validiert. Sie betrifft solche multinationalen Unternehmen, die durch mitunter missbräuchliche Steuergestaltungen die steuerlichen Bemessungsgrundlagen vermindern und ihre Gewinne grenzüberschreitend in Niedrigsteuerländer verschieben. Vereinbart wurde insbesondere eine Änderung der Verrechnungspreisgrundsätze, verbesserte Dokumentationsregeln, neue Regeln für immaterielle Wirtschaftsgüter sowie eine Erweiterung des erwähnten abkommensrechtlichen Begriffs der Betriebsstätte.

Europäische Initiativen

Die EU-Kommission hat im März 2018 hat zwei Vorschläge für eine europarechtlich einheitliche direkte Besteuerung der digitalen Wirtschaft veröffentlicht: als Sofort- und Übergangsmaßnahme eine Richtlinie zur Besteuerung bestimmter digitaler Dienstleistungen („Digitalsteuer“) sowie eine Richtlinie zu einer neuen signifikanten digitalen Präsenz („digitale Betriebsstätte“). Im Mittelpunkt beider Vorschläge steht die sog. Nutzerbeteiligung an digitalen Dienstleistungen, die ein zentrales Element für die Digitalgewinne der Unternehmen aus Werbe- und Vermittlungsleistungen auf Plattformen darstellt. Die EU-Staaten konnten sich bisher nicht auf die Einführung einer ersten Stufe einer gemeinsamen Digitalsteuer für Digitalunternehmen einigen. Irland, Dänemark, Schweden und Finnland lehnten die Steuer ab. Großbritannien hat parallel bereits ein eigene Digitalsteuer eingeführt. Damit stockt derzeit auch die Realisierung der zweiten Stufe einer digitalen Betriebsstätte.

Exkurs: Europäische Initiativen in der Mehrwertsteuer

Bereits Anfang der 2000er Jahren haben sich EU und OECD hingegen mit den Auswirkungen der Digitalisierung auf das auch international bei vielen Staaten beliebte (indirekte) Mehrwertsteuerrecht beschäftigt. Hier bestehen inzwischen innerhalb der EU an die digitale Wirtschaft angepasste Regelungen und praktische Erfahrungen, so dass von einem steuerrechtlichen Neuland nicht mehr die Rede sein kann. Jedenfalls stellt der wirtschaftliche Veränderungsprozess das bestehende Besteuerungssystem, das auf eine Belastung des Verbrauchs ausgerichtet ist, nicht in Frage. Demgegenüber sind die praktischen Kontroll- und Vollzugsdefizite sowie die Steueraufkommensverluste um ein Vielfaches höher als im Unternehmensteuerrecht. Diese fiskalische Brisanz, aber auch die Wettbewerbsrelevanz der Besteuerung, mögen auch den fortbestehenden Handlungs-und Erfolgsdruck der EU-Kommission erklären. Denn vom erheblichen Aufkommen der Mehrwertsteuer profitieren EU, Mitgliedsstaaten und in Deutschland Bund, Länder und Kommunen.

Innerhalb der EU wird der E-Commerce (besonders B2C – Business to Consumer) seither systemkonform weitgehend nach dem Bestimmungsland- und Verbrauchsortprinzip besteuert. Das gegenläufige Territorialitäts- und das Ursprungslandprinzip prägt dagegen die Steuern auf das Einkommen der Körperschaften. Dies gilt für Waren, die ohnehin auch heute „offline“ geliefert werden müssen, wie auch für auf elektronischem Weg erbrachte Dienstleistungen, also automatisierte Dienstleistungen ohne oder mit nur minimaler „menschliche Beteiligung“. Beispiele sind etwa in Zusammenhang mit digitalen Produkten Updates, Webseitenpräsenz, Bereitstellung über das Internet von Online-Marktplätzen, Online-Einkaufsportalen, von Datenbanken, von Musik, Filmen, Spielen. Diese Dienstleistungen werden, soweit sie denn ein Unternehmen gegen Entgelt ausführt, grundsätzlich dort versteuert, wo der Empfänger (Privatmann oder anderer Unternehmen) seinen (Wohn-)Sitz hat. Weitere Fortschritte zum effektiven Steuervollzug und verfahrenstechnische Verbesserungen nicht zuletzt auch zur Bekämpfung des erheblichen Mehrwertsteuerbetrugs sind geplant. Neuerdings werden etwa die Betreiber digitaler Plattformen auch für die Steuerschulden der nicht „greifbaren“ ausländischen, namentlich asiatischen Händler, in Anspruch genommen.

Fortsetzung: BEPS 2.0

Das (erste) BEPS-Projekt der OECD richtet sich gegen schädlichen Steuerwettbewerb und gegen aggressive Steuergestaltungen international tätiger Unternehmen und hatte zunächst nur einem mittelbaren Bezug zu den hoch digitalisierten multinationalen Unternehmen. Die vier aktuellen neuen Vorschläge der OECD (2015-2020) begründen eine zweite, ergänzende und fortschreibende Reformphase („BEPS 2.0“) der Staatenzusammenarbeit im internationalen Unternehmenssteuerrecht und greifen gezielt die spezifischen Herausforderungen der Digitalwirtschaft auf.

Die drei Vorschläge der 1. Säule des noch laufenden Reformprogramms zielen auf das oben erwähnte zweite Desiderat: die Neuordnung der zwischenstaatlichen Besteuerungszuständigkeiten mit Blick auf die Digitalwirtschaft. Sie suchen im Markt- und Absatzstaat multinationaler Unternehmen nach neuen Nexus- und Zuordnungsregeln, die das traditionelle Betriebsstättenkonzept ersetzen oder doch zumindest ergänzen sollen. Profiteure diese Reform wären zunächst insbesondere Schwellen-und Entwicklungsländer. Vorschlag 1 setzt unmittelbar auf die sog. Nutzerbeteiligung („User Participation“), während Vorschlag 2 („Marketing Intangibles“) immaterielle Wirtschaftsgüter (Marken, Patente, Algorithmen, Daten) gesondert besteuern will. Vorschlag 3 (Significant Economic Presence) lässt für eine steuerrechtliche Anknüpfung im Marktstaat bereits wirtschaftliche Faktoren genügen, die das Einkommen des ausländischen Unternehmens generieren sollen, etwa eine Nutzerbasis, Nutzerangebote, Webseitenpräsenz, Bezahldienste, Marketing und Kundendienst.

Die zusammenhängenden Vorschläge der 2. Säule zielen dagegen nicht auf eine Neuordnung der sog. Nexus-Regelungen und betreffen nicht nur digitalen Unternehmen. Ihr Ziel ist vielmehr eine globale Mindestgewinnbesteuerung für das Einkommen ausländischer Tochtergesellschaften und nahestehender Personen, sofern deren Gewinne im Ausland zu niedrig besteuert wurden. Ähnliche Steuertechniken der sog. Hinzurechnungsbesteuerung existieren bereits in einigen Industrieländern. Derzeit sollen alle Vorschläge konkretisiert und wirtschaftlich verprobt werden. Ein abschließender (Kompromiss-)Vorschlag der OECD soll bis Ende 2020 vorliegen. Dass diese Verteilung des Steuerkuchens unter dem Schleier des Nichtwissens (Rawls) vonstatten gehen wird, ist angesichts der unterschiedlichen und gegenläufigen volkwirtschaftlichen Interessen der beteiligten Industrie-, Schwellen- und Entwicklungsländer unwahrscheinlich.

Nationale Reaktionen: Das Beispiel Frankreich

Die französische Regierung hat mit Blick auf das Scheitern der EU-Reform im März 2019 in der Nationalversammlung den Gesetzentwurf einer nationalen Steuer für große digitale Unternehmen eingebracht. Andere Länder (z.B. Österreich, Italien, Indien, Spanien) planen oder realisieren derzeit ähnliche Abgaben. Diese neue Steuer auf digitale Dienstleistungen (taxe sur les services numériques, TSN, Digitalsteuer) besteuert bestimmte digitale Umsatzerlöse (ohne Mehrwertsteuer) der großen Technologieunternehmen i. H. von 3 %. Erfasst werden Einnahmen aus zwei typischen digitalen Geschäftsmodellen und Dienstleistungen, die über digitale Schnittstellen angeboten werden: Vermittlungseinnahmen aus der Zurverfügungstellung mehrseitiger Plattformen sowie Werbeeinnahmen aus der Zurverfügungstellung von Internetwerbung. Das Gesetz soll rückwirkend ab 1.1.2019 in Kraft treten. Auch deutsche Unternehmen sind betroffen.

Das Gesetz orientiert sich am Vorschlag der EU-Kommission für eine europäische Digitalsteuer. Ob die französische Steuer, wie beabsichtigt, eine bloße Übergangslösung bleiben wird, hängt maßgeblich davon ab, die 129 Staaten der OECD/G20 und des Inclusive Framework bis 2020 eine allseits überzeugende Dauerlösung für die Besteuerung multinationaler Unternehmen finden werden.

Fazit: Mehr multilaterale Kooperation

Deutlich wurde, dass die wirtschaftlichen Auswirkungen der Digitalisierung, wenngleich zeitlich verzögert, auch die (inter-)nationale Steuerpolitik beschäftigen. Im Bereich der europäisch harmonisierten, für die beteiligten Fisci und die EU selbst äußerst ertragreichen Mehrwertsteuer ist die Besteuerung des E-commerce (Waren- und Dienstleistungshandel) schon seit Beginn des Jahrtausends ungeachtet der Vollzugsdefizite kein gänzliches Neuland mehr. Dies ist u.a. auch Vorarbeiten der OECD zu verdanken. Hingegen steckt die Entwicklung und Antwort der internationalen Unternehmensbesteuerung auf die Digitalisierung noch in den Kinderschuhen. Die OECD/G20 und die angeschlossene Staatengemeinschaft (mehr 120 Staaten) leisten hier derzeit Pioneerarbeit; konkrete Ergebnis und ihre Umsetzung sind erst den 2020er Jahren zu erwarten.

Eine Sonderbesteuerung der Digitalwirtschaft (Stichwort: Digitalsteuer), wie sie momentan eine Reihe von Ländern im Alleingang realisieren, wird schon aus praktischen Gründen (abnehmende Abgrenzbarkeit der Digitalwirtschaft), aber auch aus gleichheitsrechtlichen Erwägungen und im Hinblick auf die Internationalität des Problems allenfalls eine (steuerpolitisch vertretbare) Interimslösung sein. Aus steuersystematischen Gründen vorzuziehen ist eine Integration digitaler Einkommen in die bestehenden Steuersysteme, verbunden mit ihrer innovativen Anpassung. Dies kann etwa auf ein weitgehend globales System der Mindestbesteuerung aller multinationaler Unternehmen hinauslaufen. Angesichts der rapiden Fortentwicklung der Informationstechnologie werden statische steuerrechtliche Lösungen ohnehin nur eine begrenzte Halbwertzeit haben.

Vollständige steuerliche bzw. digitale Souveränität wird der moderne Nationalstaat nicht (mehr) erlangen können. Wurde Steuerrecht vormals in den Finanzministerien „gemacht“, haben sich mittlerweile die Arbeitsebenen nach Brüssel und Paris verschoben. Kooperationen zwischen den Staaten nicht nur im Steuerrecht, namentlich im EU-Staatenverbund, eröffnen aber neue Optionen der demokratischen Selbstbestimmung auch gegenüber einer quasi naturwüchsigen Marktmacht. Ein solches Konzept der „globalen digitalen Kooperation“ hat kürzlich eine Expertenkommission der UN vorgeschlagen. Es wird nur funktionieren können, wenn auch die Marktteilnehmer, besonders die Netzgiganten, einbezogen und gemäß ihrer Verantwortung in Pflicht genommen werden.

 

Der Autor, Prof. Dr. habil. Jürgen W. Hidien, ist Rechtsanwalt und Steuerberater in Münster sowie Absolvent der Ecole Nationale d´Administration (ENA), Promotion Braudel.

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