„Es hieß ja immer Bitcoin sei anonym“

Stephan Zimprich ist Rechtsanwalt und Partner im Hamburger Büro der internationalen Sozietät Fieldfisher, wo er im IT- und IP-Dezernat tätig ist. Beruflich beschäftigt er sich viel mit digitalen Geschäftsmodellen und neuen Technologien, berät Mandanten aus dem In- und Ausland (häufig aus dem Silicon Valley). Seit Dezember 2016 ist Zimprich Kompetenzgruppenleiter für das Thema Blockchain beim ECO-Verband für die Internetwirtschaft.
Interview von DIGITALE WELT Magazin
10. August 2021
Interviewpartner

Stephan Zimprich

Stephan Zimprich ist Rechtsanwalt und Partner im Hamburger Büro der internationalen Sozietät Fieldfisher, wo er im IT- und IP-Dezernat tätig ist. Beruflich beschäftigt er sich viel mit digitalen Geschäftsmodellen und neuen Technologien, berät Mandanten aus dem In- und Ausland (häufig aus dem Silicon Valley). Seit Dezember 2016 ist Zimprich Kompetenzgruppenleiter für das Thema Blockchain beim ECO-Verband für die Internetwirtschaft.
Interviewpartner

Blockchain basiert auf dezentralen Netzwerken, in denen User direkt interagieren und Werte schaffen können. Für Intermediäre wie Banken und Verwertungsgesellschaften, könnte die Technologie das Aus bedeuten. Dass die Blockchain-Revolution gewachsene Institutionen schon in naher Zukunft dahinrafft, glaubt Stephan Zimprich jedoch nicht. Der Anwalt ist Partner bei Fieldfisher und Kompetenzgruppenleiter Blockchain beim ECO Verband für die Internetwirtschaft.
Digitale Welt: Wie kommen Sie als Anwalt dazu, sich mit Blockchain zu befassen?

Stephan Zimprich: Wir haben innerhalb der Kanzlei eine internationale Praxisgruppe Blockchain mit Anwälten aus England, Frankreich und Deutschland und auch einige Mandate, die mit dem Thema zu tun haben. In manchen Fällen geht es sogar dezidiert um Blockchain, zum Beispiel mit Unternehmensberatungen stoßen wir auf Mandantenseite entsprechende Projekte an. Wir begleiten die dann rechtlich, prüfen Vorhaben auf ihre rechtliche Umsetzbarkeit, gestalten Verträge und in Frankreich hatten wir zum ersten Mal einen Fall, in dem es um steuerrechtliche Themen im Zusammenhang mit Kryptowährungstransaktionen ging.

Müssen Sie dafür auch die Technologie hinter der Blockchain verstehen?

Ich bin Anwalt, kein Programmierer. Aber soweit man die Blockchain-Technologie als Nicht-Programmierer verstehen kann, habe ich davon ein gutes Bild. Aber wir haben auch Programmierer im Team, zum Beispiel den Kollegen aus dem Steuerrecht, der den Fall in Frankreich betreut. Der hat selber schon Blockchains programmiert.

Das heißt Sie haben hauptsächlich mit Anwendungen der Technologie zu tun.

Wir prüfen ab und zu bestimmte Projekte oder Vorhaben auf ihre rechtliche Umsetzbarkeit. Das sind Anwendungen. Da schauen wir zum Beispiel, ob das mit den bisherigen regulatorischen Vorgaben in Übereinstimmung zu bringen ist. Wir sind Verträge zu gestalten? Das sind jetzt allerdings Tätigkeiten, die im Moment eher in unserem Londoner Büro stattfinden, weil da auch die entsprechenden Mandate sind. In Deutschland hat sich das bisher noch nicht so stark niedergeschlagen.

Was ist denn eine vielversprechende Blockchain-Anwendung?

Es gibt noch nicht so viele. Vieles ist erst im Projektstadium oder maximal im Prototypenstadium. Aber Projektideen gibt es unglaublich viele – also Anwendungsideen. Das Projekt, das im Moment am Hafen in Rotterdam läuft, finde ich sehr spannend, weil das einfach ein großer Aufschlag ist. Die versuchen die Blockchain in der Hafenlogistik einzusetzen.

Wozu braucht es in der Hafenlogistik die Blockchain?

Naja, im Moment wird alles, was im Hafen abgewickelt wird über Frachtpapiere abgewickelt, das ist ein wahnsinniger Verwaltungsaufwand, sehr langsam, sehr fälschungsanfällig, sehr umständlich. Da scheint Blockchain eine gute Lösung zu sein, weil man sehr viel vereinfachen kann.

Und Abläufe beschleunigen?

Genau. Wir sind ja im Moment zum Beispiel auch im Aktienhandel dabei, Blockchain zu implementieren. Es kann zehn Tage dauern, bis eine Aktientransaktion in den Büchern ist. In der Blockchain wären es maximal ein paar Minuten. Wann die Blockchain da wirklich in Gebrauch geht, Müssen Sie die Banken fragen. Also, es wird hart daran gearbeitet. Stefan Teis von der Deutsche Börse AG hat uns beim letzten Kompetenzgruppentreffen vorgestellt, was die deutsche Börse gerade in Zusammenarbeit mit der Bundesbank macht und die sind immerhin soweit, dass sie schon einen Prototypen haben und das funktioniert auf einer gut skalierbaren Plattform in relativ hoher Geschwindigkeit und mehreren 100.000 Transaktionen. Wann das in Live-Betrieb geht, weiß ich nicht.

Und wie weit fortgeschritten ist das Projekt in Rotterdam?

Die haben auch gerade erst angefangen. Und m Start-Up-Bereich gibt es ja wahnsinnig viele Projekte, zumindest im Prototypen-Stadium sind.Eines fand ich besonders sympathisch, weil es einen Gesundheitsaspekt hat. Die haben mit einem  Fitness-Tracker Kryptowährung generiert. Man kann durch Bewegung Kryptowährung verdienen, also nicht wie bei Bitcoin, dass man Rechenkapazität und Strom investiert, um die Kryptowährung zu erzeugen und ein Stück davon abzubekommen, sondern dass man eben läuft. Die Kryptowährung kann man dann bei Partnern, die sich da einen Werbeeffekt von erhoffen – Adidas beispielsweise oder so –in entsprechende Produkte umtauschen.

Braucht man da wirklich Blockchain, oder könnte man sowas auch anders machen?

Also Sie können ganz viel mit traditionellen Technologien abbilden. Es fällt auch nicht allen leicht die Abgrenzung an der richtigen Stelle zu machen. Blockchain ist ja auch ein Label, ein Verkaufsargument. Deshalb werden Blockchains auch da eingesetzt, wo man sie vielleicht nicht unbedingt einsetzen müsste. Und zum anderen wird einfach noch wahnsinnig viel rumprobiert. Ob das dann auch tatsächlich einen Gewinn bringt, ob das ein Szenario für eine Blockchain ist, das findet man oft erst heraus, wenn man es ausprobiert. Es gibt zwar so Baumdiagramme, wo man so Entscheidungswege hat und am Ende soll herauskommen, ist es ein Blockchain-Projekt oder ist es kein Blockchain-Projekt, ist es eine Blockchain-Idee oder ist es keine Blockchain-Idee. Aber auch diese Baumdiagramme greifen unter Umständen zu kurz. Die helfen bei der Orientierung, aber die Blockchain ist erstmal eine absolute Basistechnologie, eine Querschnitt-Technologie, so ähnlich wie TCP/IP und wenn Sie mir jetzt sagen: gibt es denn irgendwas, für das TCP/IP nicht geeignet ist oder besonders gut geeignet ist, wird das dem Charakter einer Basistechnologie nicht gerecht. Das ist ein Kommunikationsprotokoll im Falle von TCP/IP und das ist ein Transaktionsprotokoll im Falle der Blockchain und die Freiheitsgrade sind wahnsinnig groß.

Was sind denn Projekte, die schon umgesetzt sind? Wo Sie sagen würden: Das ist ein Blockchain-Projekt und es läuft?

Die baltischen und skandinavischen Staaten sind weit vorne. War es Litauen oder Dänemark? Irgendwo konnte man sich über die Blockchain scheiden lassen. Protokolle werden über die Blockchain geschrieben. Gerade in Dänemark ist da auch viel los auch von staatlicher Seite. Es gibt in Frankreich einen ersten Versuch jetzt auf kommunaler Ebene im Wahlsystem was mit Blockchains zu machen. Also es gibt überall immer wieder Ideen, die im Feldversuch sind, die tatsächlich auch funktionieren – und im Fall von Dänemark und Litauen auch eingesetzt werden.

Also sind Staaten die Treiber bei der Entwicklung von Blockchain-Anwendungen?

Es gibt auch bei kommerziellen Anbietern Systeme, die laufen. Aber da eins hervorzuheben wäre falsch. Es gibt noch nicht die Killer-Applikation, bei der man sagen könnte, das ist jetzt das Ding. Es wäre glaube ich auch falsch nach dieser Killer-Applikation zu gucken. Blockchain ist ja eine Basistechnologie.

Was gehört eigentlich alles zur Blockchain Thematik dazu. Technologie ganz klar. Recht, Politik, wirtschaftliche Interessen. Was noch?

Das Thema Akzeptanz ist unglaublich wichtig. Public blockchains, also an Geschäftsmodelle, die unmittelbar zwischen Nutzern abgewickelt werden und kein dritter dazwischen sitzt, sind permission based. Hier ist Akzeptanz ein gewaltiges Kriterium, es geht um eine Transaktion von Werten, das kann eine Währung sein, das können aber auch andere Werte sein, das ist im Prinzip eine Technologie, die eine digitale Transaktion ermöglicht. Das heißt, da sind auch sehr hohe Vertrauensanforderungen mit verbunden. Und die Leute müssen dieses Vertrauen entwickeln, damit sie dann diese Technologie auch nutzen. Das ist bei private Blockchains anders. Private Blockchains würde ich überhaupt eher als distributed ledger bezeichnen, weil es eigentliche keine Blockchain ist. Das Element des verteilten Netzwerks fehlt.

Auf welcher Ebene gibt es den größten Handlungsbedarf, um Blockchain den Durchbruch zu ermöglichen?

Für mich ist die technologische Ebene fast nachrangig, das ist eigentlich das Grundpotential der Technologie. Ich glaube, dass wir da eine ganze Menge technologische Probleme haben, technische Hindernisse, Geschwindigkeitsprobleme, Bandbreitenthemen, also es gibt noch sehr viele Sachen, die in den Griff zu bekommen sind, ich glaube aber dass das angesichts der Entwicklungsgeschwindigkeit, die wir im Moment haben eine Sache von absehbaren Zeiträumen ist. Während wir bei der Transformation, die notwendig ist, um die institutionellen Hindernisse zu beseitigen und auch die Institutionen und die vielleicht mal grundsätzlichen Rahmenbedingungen in rechtlicher und politischer Hinsicht so umzugestalten, dass die Blockchain-Technologie ihr volles Potential entfalten kann, das wird einen sehr viel längeren Zeitraum in Anspruch nehmen und das ist auch das wesentlich größere Rad, das man drehen muss.

Und wenn die technologischen Probleme beseitigt sind und Rahmenbedingungen stimmen. Kommt die Akzeptanz dann von alleine?

Als Jurist bin ich bei solchen Fragen eher nicht der richtige Ansprechpartner. Die Themen sind Zeitablauf, Funktionieren, sicheres Funktionieren über eine gewisse Zeit. Was wir beobachten, ist: Es gibt wenige First Mover und einige Second Mover. Die warten ab, um zu sehen, ob die First Mover damit auf die Schnauze fallen oder nicht. Akzeptanz kann natürlich zusätzlich gefördert werden durch institutionalisiertes Vertrauen, z.B. Zertifikate, bestimmte regulatorische Vorgaben, um bestimmte Sicherheitsaspekte abzusichern. Man spricht auch immer davon, dass die Blockchain immanent vertrauenswürdig sei, weil die Technologie einfach so aufgesetzt ist, wie sie ist. Das mag einem Techniker sofort einleuchten, aber erklären Sie das einmal dem Endabnehmer auf der Straße. Man wird hier viel Überzeugungsarbeit brauchen, um Akzeptanz zu schaffen.

Und wenn die eine disruptive Innovation kommt, die der Blockchain den Weg ebnet?

Disruption greift als Buzzword zu kurz. Wenn man von Disruptionspotential spricht geht es meist um tradierte Geschäftsmodelle die durch neue Technologien umgekrempelt werden. Das Potential der Blockchain ist noch größer, weil es tradierte Systeme unserer Wirtschaftsordung in Frage stellt – und nicht bloß verändert. Staatliche Aufgaben werden in Frage gestellt werden, Das Verhältnis von Staat und Bürger wird in Frage gestellt werden. Ob der große Wandel dann auch wirklich stattfindet, ist nochmal eine andere Frage. Aber wenn Sie nach dem reinen Potential fragen, wenn man da einfach jetzt disruptiv als Label da drauf klatscht, dann ist das Label fast zu klein für das, das theoretisch möglich ist. Aber ganz klar, es gibt auch Disruptionspotential. Deshalb nehmen im Finanz- und Versicherungsbereich große Player sehr viel Geld in die Hand, um den ersten Zugriff auf die Technologie zu haben und als erste mit Blockchain Anwendungen in den Markt zu gehen. Das Effizienzsteigerungspotential der Technologie ist auch ohne volle Blockchainlösung riesig. Im Finanzbereich wäre die volle Blockchainlösung ohnehin noch nicht möglich – aus regulatorischen Gründen. Es ist ganz stark das Bemühen zu erkennen, dass man eben in irgendeiner Form eine Rolle behält, weil das Potential erkannt wurde, dass zum Teil eine reine Blockchain-Lösung auch dieses Intermediäre, das Banken und Versicherungen darstellen, überflüssig machen.

Ist 2017 ein entscheidendes Jahr für die Blockchain?

Die nächsten ein bis drei Jahre werden entscheidend sein. Es gibt ein Momentum, die Leute haben großes Interesse daran, auch die Politik befasst sich mit den Möglichkeiten der Blockchain. Dann gibt es noch Institutionen wie die Linux Foundation, die große Ressourcen in das Thema Blockchain stecken, und Start-Ups, die mit Blockchain Anwendungen Geld machen wollen. Damit dieses Momentum nicht wieder versandet, muss in den nächsten Jahren auch ein paar Erfolgsgeschichten passieren. Das wird entscheidend sein, wenn es zu dieser vollen Transformation im Sinne einer praktikablen Blockchain-Lösung für viele verschiedene Bereiche kommen soll. Wobei, bis das tätsächlich umgesetzt ist,  reden wir eher von Jahrzehnten – wenn diese Transformation denn überhaupt jemals abgeschlossen sein wird. Das derzeitige Aufmerksamkeitsfenster führt jedenfalls dazu, dass eine große Bereitschaft da ist, Dinge zu ändern, Sandboxes aufzumachen, Testfelder möglich zu machen, Geld in die Hand zu nehmen.

Was glauben Sie: Sehen wir bald die ersten großen Erfolgsstories? Oder flaut der Hype wieder ab?

Wir hatten keine Technologie bisher, die so große Anforderungen an die Flexibilität und Veränderungen der Institutionen und der Regelungskonzepte im rechtlichen Bereich gestellt hat. Und das sind traditionell sehr veränderungsresistente Organisationen und Regelwerke. Versuchen Sie mal irgendjemandem in Deutschland zu erklären, dass er jetzt das Grundbuch abschaffen soll und stattdessen Blockchain setzen soll. Das ist technisch sicher ohne Weiteres umsetzbar, aber damit würden natürlich erstmal zehntausende von Grundbuchbeamten überflüssig gemacht werden und das ist ein weit über hundert Jahre altes System, das wir in Deutschland haben, das immer schon funktioniert hat. Die ganzen typischen Abwehreflexe kommen da ins Spiel auch wenn die Vorteile der Blockchain Lösung auf der Hand lägen. Auf der anderen Seite ist die praktische Umsetzung eines solchen Systemwechsels überhaupt nicht trivial. Man müsste lange Zeit zwei parallele Systeme führen. Das wird nur passieren, wenn aus der Gesellschaft oder dem Markt heraus Druck kommt. Heute haben wir diese Situation ein bisschen. Der Druck muss aufrechterhalten werden oder zu erfolgreichen Anwendungen führen. Dann bleibt er aufrecht.

Welche Anwendungen werden zuerst kommen?

Die Freiheitsgrade sind sehr groß, man kann sich Blockchain Lösungen überall vorstellen, wo eine Information oder ein Wert digital übermittelt wird. Da, wo es wenig regulatorische Vorgaben gibt, haben Blockchain Lösungen die besten Chancen. Zum Beispiel im Digital Rights Management. Denken Sie an ein digitales Musikstück. Mit Blockchain Technologie könnte man einrichten, dass man mit dem Download automatisch Berechtigungen herunterlädt und der Verbrauch dieser Berechtigung in die Blockchain geschrieben wird. Jede Transaktion zu einem weiteren Nutzer würde eine dieser Berechtigungen verbrauchen, das würde wieder in der Blockchain protokolliert und damit hätte man ein sehr gutes System, um Privatkopien zu machen und deren Verbreitung zu kontrollieren. Auch was die Verwertungsgesellschaften im Moment machen, das Abrechnen von Streaming, kann mit Blockchain verbessert werden. Jeder Künstler bekommt ja zum Beispiel über Spotify für alle Nutzungsvorfälle einen ganz kleinen Betrag für ein Musikstück. Bei Konzerten, Discos oder im Radio läuft das über die Verwertungsgesellschaften – und zwar teilweise sogar analog. Der Künstler bekommt dann am Jahresende einen Betrag ausgeschüttet, der sich aus den Gesamteinnahmen errechnet wird. Eine Blockchain basierte Technologielösung würde die Administration einer solchen Verwertungsgesellschaft weitestgehend überflüssig machen. Hier haben wir zumindest keine hohen rechtlichen Hürden.  Deshalb glaube ich, dass wir hier recht bald innovative Konzepte sehen könnten.

Wo noch?

Das Fitnesstracker-Beispiel hatte ich vorhin schon erwähnt. es gibt zahlreiche kleinere Projekte wo man sagt, das ist eine schöne Idee. Schmalwandig aber schön, relativ leicht umsetzbar. Solche Lösungen könnte es bald mehrfach geben. Manche sind schon live gegangen.

Was ist mit stärker regulierten Bereichen?

Nehmen Sie den Finanzsektor oder den Versicherungssektor. Da ist wahnsinnig viel Aktivität drin, besonders in den Bereichen, die der Kunde nicht direkt sieht. Also interne Prozesse, die mit Blockchains abgebildet werden – Distributed Ledger Technologie besser gesagt. Die deutsche Börse ist sehr aktiv, aber auch das Konsortium, die Mehrheit der international agierenden Großbanken. Und das sind interne Prozesse, bei denen ich mir vorstellen kann, dass da relativ schnell Blockchain eingesetzt werden wird. Das sind Bereiche, die nicht direkt der Regulierung unterfallen, weil sie eben interne Prozesse sind.

Wenn Sie über Blockchain und die Finanzbranche sprechen, fällt einem unweigerlich Bitcoin ein. Ist das ein Beispiel für ein erfolgreiches Modell mit Zukunft?

Bitcoin hat riesen Erfolg, es ist ein stabil laufendes Kryptowährungs-System, das seit 9 Jahren ohne signifikante Störungen und ohne bisher bekannt gewordene Sicherheitsprobleme funktioniert. Und wer früh in Bitcoin investiert hat, konnte damit sehr viel verdienen. Im internationalen Finanzmarkt spielt Bitcoin trotzdem praktisch keine Rolle. Das Volumen, das über Bitcoins verhandelt wird ist irgendwo in der dritten, vierten Nachkommastelle im internationalen Devisenhandel. Aber es ist die erste Blockchain basierte Anwendung, die live war und sie ist seit Jahren live und stabil.

Ist das dezentrale Prinzip der Blockchain Vorteil und Nachteil zugleich?

Das verteilte Netzwerk ist ein wesentliches Sicherheitsmerkmal des Ganzen. Sobald mal wieder die eine zentrale Instanz hat, hat man im Prinzip wieder jemand, der Kontrolle ausübt und Kontrolle ist ein Einfallstor für Sicherheitsrisiken. Die zentrale Instanz kann kompromittiert werden. Sie müsste per Definitionem irgendeine Art von Masterkey haben, damit sie diese Kontrolle ausüben kann. Der kann aber entwendet werden. Es fällt ein wesentliches Sicherheitsmerkmal weg, wenn eine zentrale Instanz besteht. Zumindest technisch. Wenn Sie jetzt fragen, ob sich das Dezentrale durchsetzen wird: Das hängt vom Anwendungsszenario ab. Es gibt sicherlich Anwendungsszenarien, in denen eine zentrale Instanz nicht besonders sicherheitsrelevant ist und wo kein großes Vertrauen in Anspruch genommen werden muss. Da dürften die Leute wahrscheinlich bereit sein, Blockchain auszuprobieren. Wenn es um hochsicherheitsrelevante Anwendungen geht, braucht es entweder großes Vertrauen in die zentralen Akteure oder in das System als Ganzes.

Was ist wenn die Blockchain reißt? Ist sie wirklich so sicher, dass ganze Institutionen und Branchen durch die Blockchain ersetzt werden könnten, ohne dass ein Sicherheitsrisiko besteht?

Das wird tatsächlich diskutiert. Die Frage ist: Werden Blockchains angreifbar, sobald Quantencomputer funktionieren? Wer zuerst über einen Quantencomputer verfügt, könnte theoretisch viel Schaden anrichten. Es könnte sein, dass wir in eine Technologie investieren, die im Prinzip unabänderliche Tatsachen schafft, also ein Dokumentations-Trail, der technologisch dann aber in wenigen Jahren zu knacken ist. Und dann müsste man das wieder komplett neu nachrechnen oder neu überführen in etwas, dass dann wieder sicher ist. Technisch kann ich diese Risiken nicht beurteilen, die Diskussion muss man aber führen. Und zwar bald.

Wird viel geforscht, um die Blockchain noch sicherer zu machen?

Natürlich gibt es Forschung. Für die Industrie ist es aber wichtiger, dass man einfach schaut: Wie ist das Grundprinzip der Blockchain und wie kann ich sie in verschiedenen Anwendungsbereichen einsetzen? Der Fokus liegt hier eindeutig im Anwendungsbereich. Ich denke, dass man so Best-Practice und so entwickeln können wird.

Und die Fragen: Wie viel Privacy? Wie viel Verschlüsselung? Wie viel Overhead?

Das sind Probleme, die auch noch gelöst werden müssen. Sie haben jetzt Privacy angesprochen. Da ist es tatsächlich so, dass wir noch ganz viele Themen haben, die gerade adressiert werden. Aber auch eher im Praktischen als in der Grundlagenforschung. Es hieß ja immer Bitcoin sei anonym. Das stimmt aber nicht. Bitcoin ist Pseudonym. Man bekommt schon noch raus, wer dahinter steckt, wem so ein Wallet gehört. Das haben die Strafverfolgungsbehörden auch schon mehrfach gezeigt. Zudem haben wir rechtliche Anforderungen, gerade im Finanzbereich: Know Your Customer. Bei Transaktionen bestimmter Größenordnung müssen Banken den Ultimate Beneficiary, also denjenigen, der am Ende tatsächlich hinter der Transaktion steht, auch kennen. Wir haben Anti-Money-Laundering-Gesetze, die vorsehen, dass derjenige, der eine Transaktion ermöglicht, gewisse Informationen über die Transaktions-Beteiligten abfragen muss. Sonst darf er diese Transaktion gar nicht vornehmen. Das gilt sogar für mich als Anwalt. Ich muss meinen Mandanten nach seinem Personalausweis fragen oder nach einem Auszug aus dem Handelsregister. Das verträgt sich nicht mit Pseudonym.

Aber vollständige Transparenz will ja auch niemand. Gerade im Finanzbereich oder in Ihrer Branche.

Richtig. Dass offen liegt, welche Finanzströme wo eingegangen sind, will auch niemand. Als Lösung könnte man ein System mit zwei ineinander verschränkten Blockchains bauen. Eine Blockchain liegt transparent offen. Dort werden im Prinzip nur Prüfsummen abgelegt, aber nicht die eigentliche Transaktion. Auf einigen anderen Blockchains sind dann die Transaktionen abgebildet – und die laufen dann tatsächlich ganz anonym,  haben also keinen zuordenbaren Bezugspunkt mehr zu einem Wallet.  Die Deutsche Börse experimentiert viel in diesem Bereich. Die haben das Spannungsfeld zwischen regulatorischen Vorgaben und Intransparenz sofort gesehen

Ist das der größter Treiber für Ihre Mandanten, die sich mit Blockchain auseinandersetzen: Dass man erkennt, dass das Thema da ist und das Gefühl hat, sonst den Anschluss zu verlieren?

Das kommt darauf an, wer fragt. Also die Mandanten im Bereich Unternehmensberatung/IT-Consulting, die sehen ganz klar, dass das ein Thema ist. Und auch, dass das bei ihren Kunden ein Thema ist. Wir haben Kunden, die tatsächlich Projekte machen wollen und beraten diese dabei. Es gibt also schon grundsätzliches Interesse am Thema Blockchain. Woher kommt das Interesse ein Projekt aufzusetzen? Auch da ist es wahnsinnig unterschiedlich. Bei den Marken glaub ich tatsächlich, also ich habe schon den Eindruck, dass es so ein Stück weit die Erkenntnis ist: Da müssen wir ein bisschen aufpassen, dass uns da nicht auf der Fahrspur links mal einer überholt, mit einem Modell, dass uns dann plötzlich alle in Frage stellt. Deswegen versuchen alle, einen Zugriff darauf zu haben und Standardisierung umzusetzen – also dass Protokolle definiert werden, die sich dann im Markt durchsetzen.

Nehmen Sie Banken. Schaffen sich diese nicht selber irgendwann ab, wenn sie immer mehr auf Blockchain setzen?

Ich glaube nicht. Zumindest kurzfristig bleibt die Bank bestehen. Das geht im Moment auch gar nicht anders. Die Kapitalmarktrechnung sieht das so vor. Die Bank braucht eine Eigenkapitalquote und ein verteiltes Netzwerk hat kein Eigenkapital. Also man kann mit dem verteilten Netzwerk die aufsichtsrechtlichen Anforderungen nicht erfüllen, deshalb wird es auf absehbare Zeit auch nichts geben, was einer Bank ähnelt, von der Funktionsweise her, was aber eigentlich nur ein verteiltes Netzwerk ist.  Es wird also Banken geben, die Prozesse auf Blockchain-Basis aufsetzten, dadurch einen Effizienzvorteil gegenüber ihren Mitbewerben haben, die sich möglicherweise auch in Preisvorteilen für den Kunden ausdrücken werden. Wird es Veränderungen in Geschäftsmodellen geben? Ja, klar wird es die geben. Aber es wäre jetzt unseriös, das zu prognostizieren und zu sagen: Da wird es passieren und dort wird es nicht passieren. Das kann kein Mensch voraussagen. Das wird zum Teil vielleicht auch noch lange dauern. Aber das Potential ist auf jeden Fall da. Also die Frage ist immer: Sieht es für den Endanwender am Ende auch anders aus als bisher? Da bin ich Moment auch noch so ein bisschen am Zweifeln. Vorstellen kann man sich viel: Smart Contracts und so weiter. Aber möglicherweise wird es dann trotzdem noch so sein, dass es eine Oberfläche gibt. Jetzt vielleicht nicht mehr über AirB´n´B als zentrale Plattform, sondern über ein verteiltes Netzwerk, wo die Benutzer ihre Wohnung als Smart Contract reinschmeißen, und dann taucht die auf einer Landkarte auf oder ich kann sie durch eine Suchmaske suchen. Wird es ganz anders aussehen als AirB´n´B? Möglicherweise nicht. Einfach weil das User-Interface gut funktioniert, gelernt ist und für die Leute auch gut bedienbar ist. Eher ändert sich der Motor – wenn man Geschäftsmodelle jetzt mal mit Autos vergleicht. Wenn von Benzinmotor auf Elektromotor umgestellt wird, hat man trotzdem noch die Hand am Lenkrad.

Interview geführt durch:

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