Eine zweite Chance: Wie sich Unternehmen besser auf die nächste COVID-19-Welle vorbereiten können

Von   Michael Wallraven   |  Geschäftsführer und Regional Vice President   |  LLamasoft Deutschland GmbH
3. Dezember 2020

Mittlerweile ist mehr als ein halbes Jahr seit Beginn der Corona-Pandemie vergangen. In vielen Ländern Europas wurden bereits vor über sechs Monaten weitreichende Notfallmaßnahmen eingeführt, um gegen die Verbreitung von COVID-19 vorzugehen. Die Auswirkungen, die das neuartige Virus auf die Gesellschaft hat, sind immens – sowohl in humanitärer als auch in geschäftlicher Hinsicht.
Die Pandemie hat zu erheblichen Einnahme- und Produktivitätseinbußen von Unternehmen verschiedenster Branchen geführt. In der Folge gingen tausende Arbeitsplätze verloren und wir stehen vor einer weltweiten Rezension. Auch die Art und Weise hat sich geändert, wie Unternehmen ihre Lieferketten strukturieren, planen und verwalten. Das Konzept statischer Netzwerke gehört der Vergangenheit an, dynamische Wertschöpfungsketten sind ein Muss.

In letzter Zeit gab es sicherlich Anzeichen einer Erholung der globalen Lieferketen, bedingt durch die Lockerung der Notfallmaßnahmen und das Umdenken von Unternehmen in Bezug auf deren Lieferketten. Dennoch bleibt eine gewisse Unsicherheit – speziell im Hinblick auf eine zweite oder sogar dritte Welle der weltweiten COVID-19-Infektionen. Um auf alle Eventualitäten vorbereitet zu sein, müssen Unternehmen die Erfahrungen der letzten Monate nutzen, sodass sie nicht erneut unvorbereitet getroffen werden.

„Beispiellos“ war gestern

Als COVID-19 erstmals die Ausmaße einer globalen Pandemie angenommen hat, wurde sie oftmals als „beispiellos“ bezeichnet. Niemand konnte die Pandemie voraussehen und vergleichbare Szenarien in der Menschheitsgeschichte gab es nur wenige. Die WHO hat sie sogar als den „schwersten“ globalen Gesundheitsnotstand aller Zeiten bezeichnet. Die Zeiten sind jedoch vorbei, in denen man von einer beispiellosen Ausnahmesituation sprechen kann. Die erste Welle hat mehr als deutlich gemacht, mit welchen Auswirkungen die Gesellschaft und die Industrie infolge einer zweiten Welle rechnen muss. Der Präzedenzfall steht und muss genutzt werden, um in gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Hinsicht widerstandsfähiger und agiler reagieren zu können, als noch zu Beginn der Krise. Wir haben nun lange genug mit dem Virus gelebt und wissen, welche Störungen es verursacht, mit welchen Maßnahmen wir diesen erfolgreich begegnen und wie wir sie schnellstmöglich umsetzen können.

Seien es Hamsterkäufe und die daraus resultierende Verknappung von Konsumgütern wie Toilettenpapier oder das Problem von Überbeständen infolge schwankender Produktnachfrage – es liegen ausführliche Daten über die Auswirkungen von COVID-19 auf die verschiedensten Bereiche vor. Trifft uns die nächste Infektionswelle, verfügen Unternehmen über die nötigen Informationen und dank künstlicher Intelligenz und maschinellem Lernen auch über die adäquaten technologischen Hilfsmittel, um sich richtig vorzubereiten und schnell zu reagieren.

Lektion gelernt

Durch einen Rückblick auf die letzten sechs Monate, können Unternehmen eine Vielzahl wichtiger Schlüsse ziehen. Sie können evaluieren, was schiefgelaufen ist und dafür sorgen, dass sich die gemachten Fehler nicht wiederholen. Eines der größten Probleme im Zuge der Pandemie war für viele Unternehmen der umfassende Lockdown und die daraus resultierende Schließung von Geschäften, Büros und sogar ganzen Ländern. Dies führte zu Chaos innerhalb der Lieferkette. Wichtige Knotenpunkte entlang der Supply Chain für den Transport, die Beschaffung und die Lagerung wurden eliminiert oder auf sehr begrenzte Kapazitäten reduziert. Darüber hinaus kam es durch eine Verschiebung der Prioritäten auf Seiten der Verbraucher zu extremen Nachfrageschwankungen und im Umkehrschluss sowohl zu Über- als auch zu Unterversorgung.

Eines wurde deutlich: Wer sich nicht vorbereitet, ist zum Scheitern verurteilt. Viele Unternehmen verfügten jedoch einfach nicht über die notwendigen Technologien, um sich auf die Störungen entlang ihrer Lieferketten vorbreiten zu können. Infolgedessen kamen Umstrukturierungen oder Problemlösungsansätze oftmals zu spät, oder waren schlicht nicht langfristig genug. Das muss sich in Zukunft ändern.

Biegen statt Brechen

Der Vergleich mit dem Bau eines erdbebensicheren Gebäudes ist eine gute Analogie, um zu beschreiben, wie Unternehmen ihre Supply Chains sowohl flexibel als auch widerstandsfähig gestalten können. Im Wesentlichen kann das Gebäude sich bei einem Erdbeben hin und her bewegen, ohne in sich zusammenzubrechen: es ist flexibel und dennoch belastbar. In ähnlicher Weise müssen Lieferketten flexibel sein, um Erschütterungen zu widerstehen und weiterhin ihre primäre Funktion erfüllen zu können. Um das zu erreichen, sollten sich flexible Lieferketten auf Technologien wie digitale Zwillinge, KI und maschinelles Lernen stützen.

KI-gestützte Entscheidungsfindungsplattformen bieten Zugang zu fortschrittlichen Analysen und Visualisierungen, die genau aufzeigen, was passiert und warum und stellen auf diese Weise die komplette Supply Chain in einen weiteren Kontext. Anhand des digitalen Zwillings der Lieferkette lassen sich innerhalb der Plattform verschiedenste Störungsszenarien simulieren. Geplante oder ungeplante Auswirkungen auf zum Beispiel Kosten oder verschiedene Knotenpunkte entlang der Supply Chain können bewertet werden. In Kombination mit fortgeschrittenen Algorithmen ist es möglich, verschiedene Ergebnisse abzubilden und zu optimieren. Auch lassen sich Notfallpläne virtuell testen, bevor sie in die Praxis umgesetzt werden – um die gesamte Supply Chain-Performance zu sehen, ist eine Quantifizierung des Ist-Zustands der Supply Chain vor und nach jeder Änderung durchführbar.  Auf diese Weise können verlässliche Erkenntnisse gewonnen werden, auf die sich Unternehmen im Zuge ihrer Planung stützen können. Die Versorgungskette kann so schnell angepasst werden, um auf die Störungen einer zweiten oder dritten COVID-19-Welle zu reagieren und sie zu bewältigen.

Wahrscheinlich werden nur wenige Ereignisse ähnlich gravierende Auswirkungen auf globale Supply-Chain-Netzwerke haben wie COVID-19. Unternehmen, die ihre Lieferkette agil und widerstandsfähig gestalten wollen, müssen sich dennoch einer Sache bewusst werden: Unterbrechungen wird es immer geben. Vorhersehbar oder nicht. Aber selbst unter normalen Betriebsbedingungen sind international tätige Unternehmen über die gesamte erweiterte Lieferkette hinweg ständigen Risiken ausgesetzt. Es gilt, sich sowohl auf das Unerwartete vorzubereiten als auch im Regelfall flexibel und dennoch stabil handeln zu können. Moderne Lieferketten-Netzwerke sind jedoch komplex, und ihre Komponenten in hohem Maße voneinander abhängig. Wichtig ist daher, die Ausfallsicherheits- und Risikoanalysen sowie die Auswahl effektiver Reaktionen auf Risikoszenarien mit fortschrittlicher Analytik zu unterstützen. Die technischen Werkzeuge dafür sind bereits vorhanden, um mittels digitalen Supply Chain Zwillingen datenbasiert und durch maschinelles Lernen die Flexibilität von Lieferketten zu maximieren. Jetzt gilt es, von diesen Technologien Gebrauch zu machen.

 

ist Geschäftsführer und Regional Vice President der LLamasoft Deutschland GmbH. Als solcher verantwortet er die Go-to-Market and Growth Strategy für den deutschsprachigen Raum in Europa, hauptsächlich also Deutschland, Österreich und die Schweiz.

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