Business Cases & Machbarkeiten von Machine Learning

Von   Dr. Dirk Michelsen   |  Managing Consultant   |  IBM Watson Software & Services
30. Mai 2018

Aktuell ist das Thema Künstliche Intelligenz und damit insbesondere Machine Learning das am meisten diskutierte Thema im Bereich IT. Und im Bereich Machine Learning wiederum ist Deep Learning am spannendsten, d.h. das Multi-Layer-Lernen auf Basis von neuronalen Netzen.
Deep Learning unterstützt dabei sowohl das sogenannte Supervised Learning, bei dem ein Computersystem explizit angelernt wird (es werden dem System z.B. Bilder von Hunden und Katzen gezeigt, damit es die Tiere automatisch unterscheiden kann), als auch das sogenannte Unsupervised Learning, beim dem das Computersystem selbst Ähnlichkeiten entdeckt.

Doch was macht man mit diesen Fähigkeiten? Wo ist der Business Case?

Hier gibt es – je nach Unternehmenstyp – unterschiedliche Ansätze. Der Ansatz von StartUps ist es in der Regel, mithilfe von Machine Learning einen grundsätzlich neuen Service anzubieten. Hier sind der Kreativität kaum Grenzen gesetzt. Entsprechend sind hier auch die Business Cases sehr unterschiedlich und ein Return on Invest wird häufig weit in die Zukunft verlagert.

Bei etablierten Unternehmen treiben unserer Erfahrung nach zwei Aspekte den Einsatz von Machine Learning:

  • Bessere Einsichten: d.h. das Unternehmen will mit Hilfe von Machine Learning existierende Daten besser analysieren und so seine Entscheidungen immer mehr auf der Basis von Daten fällen. Die automatische Bewertung von Kunden, Produkten oder Lieferanten zur Entscheidungsvorbereitung kann so realisiert werden.
  • Effizientere Prozesse: d.h. das Unternehmen will mit Hilfe von Machine Learning einfache intellektuelle Prozesse automatisieren und so die Effizienz steigern. Hierzu gehören Chatbots, Voicebots und Mailbots sowie die automatische Vorbereitung einer Fallbearbeitung.

Wann ist eine tolle Idee so gut, dass sich ein Projekt lohnt?

In etablierten Unternehmen muss dazu ein überzeugender Business Case gerechnet werden.

Beim Aspekt „Bessere Einsichten“ haben unsere Kunden vor allem folgende Faktoren im Business Case als wesentlich angesehen:

1. eine Erhöhung der Anzahl „guter“ Entscheidungen
2. eine Erhöhung der Wirkung „guter Entscheidungen
3. eine Reduktion der Anzahl „schlechter“ Entscheidungen
4. eine Reduktion der Wirkung „schlechter“ Entscheidungen

Beim Aspekt „effizientere Prozesse“ wurden folgende Faktoren als treibend gesehen:

1. eine Reduktion der Anzahl menschlicher Tätigkeiten
2. eine Reduktion des Aufwandes menschlicher Tätigkeiten
3. eine Reduktion der Fehlerrate menschlicher Tätigkeiten

Einsätze von Machine Learning jenseits dieser Faktoren haben haben in etablierten Unternehmen mangels Finanzierung kaum eine Chance auf Umsetzung. Insofern ist unsere Empfehlung, durchaus kreativ über die Einsatzmöglichkeiten von Machine Learning nachzudenken, aber auf keinen Fall den Business Case aus den Augen zu verlieren.

Was ist der dominante Faktor bei der Machbarkeit?

Zur Machbarkeit von Machine Learning Projekten tragen drei Faktoren am meisten bei:

  • die Verfügbarkeit von Daten
  • die Verfügbarkeit von hinreichend performanter Hardware
  • die Verfügbarkeit von hinreichend performanten Algorithmen

Aufgrund des Moore’schen Gesetzes und der Nutzung von Graphical Processing Units, d.h. von Graphikkarten für die notwendigen Berechnungen, ist der Besitz von hinreichend performanter Hardware meistens kein technisches, sondern eher ein ökonomisches Problem. Dank der Vielzahl von Open Source Projekten und Closed Source Produkten ist auch die Verfügbarkeit von performanten Algorithmen eher selten der Show-Stopper. Zudem stehen performante Algorithmen auf performanter Hardware mittlerweile von diversen Anbietern als Cloud-Service zur Verfügung, u.a. bei IBM.

Es bleibt die Verfügbarkeit von Daten als ein wesentlicher Faktor bei der Machbarkeit. Im Fall des Supervised Learning müssen hinreichend viele Datensätze annotiert, d.h. mit der menschlichen Bewertung (d.h. dieses Bild zeigt eine Katze, dieser Antrag zeigt einen Betrugsversuch, etc.), vorhanden sein. Im Fall des Unsupervised Learning müssen die Datensätze in hinreichender Menge und Qualität vorhanden sein, um selbständig Gemeinsamkeiten zu entdecken.

Zusammenfassung

Zusammenfassend heißt das, das Machine Learning-Projekte die höchste Erfolgschance haben, wenn es einerseits genügend Daten im Unternehmen für das Training der Machine-Learning-Modelle gibt und andererseits sich ein Business Case auf Basis „besserer Entscheidungen“ oder „effizienter Prozesse“ rechnen lässt.

In einem Kreativ-Workshop zu den Einsatzmöglichkeiten von Machine Learning mit anschließender Bewertung nach Business Case und Verfügbarkeit der notwendigen Daten lässen sich interessante Ansätze relativ schnell ausloten.

Dr. Dirk Michelsen ist als Managing Consultant ist im deutschsprachigen Watson Team beratend im Umfeld von IBM Watson Software & Services tätig. Dr. Michelsen hat in Theoretischer Elementarteilchenphysik an der Universität Hamburg promoviert. Im Rahmen dieser Tätigkeit kam er sehr früh mit dem World Wide Web in Berührung, das zuerst von Elementarteilchenphysikern genutzt wurde. Seitdem ist er im Umfeld von Innovation und Technologie tätig. Bei der IBM leitete und unterstützte er in den letzten Jahren europäische Teams im Bereich Information Management, Big Data und – seit Gründung der Watson Group im Jahr 2014 – das Thema Künstliche Intelligenz und IBM Watson. Er ist (Co-)Autor mehrerer Artikel, Whitepaper und Bücher zu diesen Themen und vertritt die IBM häufig auf nationalen und internationalen Konferenzen.

Um einen Kommentar zu hinterlassen müssen sie Autor sein, oder mit Ihrem LinkedIn Account eingeloggt sein.

21352

share

Artikel teilen

Top Artikel

Ähnliche Artikel