Smarte Geräte auf dem Prüfstand: Software Testing im Internet of Things

Von   Philipp Benkler   |  Gründer und Geschäftsführer   |  Testbirds GmbH
15. März 2018

Glühbirnen, Zahnbürsten, Fitnessarmbänder oder sogar Spielzeug: Immer mehr Gegenstände sind mittlerweile mit dem Internet verbunden und kommunizieren miteinander. Das Internet of Things (IoT) hat sich zum Megatrend schlechthin entwickelt und vieles, was vor wenigen Jahren in den Ohren der Verbraucher noch wie Zukunftsmusik klang, ist inzwischen Realität geworden. Am Beispiel vernetzter Lautsprecher zeigt sich, dass das Internet der Dinge inzwischen in der breiten Masse angekommen ist: Die Akzeptanz für Amazon Echo, Google Home und Co. wird immer größer und laut der Analysefirma Canalyse werden sich smarte Lautsprecher im Jahr 2018 endgültig durchsetzen.
Da liegt natürlich der Gedanke nah, auf den Zug aufzuspringen und ebenfalls ein vernetztes Produkt auf den Markt zu bringen. Die Schöpfer der intelligenten Gegenstände sehen sich allerdings mit einer Vielzahl von Herausforderungen konfrontiert, denn die Erwartungen der Nutzer sind höher denn je und die Qualität muss von Anfang an stimmen.

Wie kann man nun herausfinden, ob das eigene Produkt reif für den Markt ist und die Bedürfnisse seiner zukünftigen Nutzer erfüllt? Hierfür ist es für die Hersteller der IoT-Anwendungen empfehlenswert, ihre potenziellen Endverbraucher frühzeitig in die Entwicklung einzubinden. Beim Testen von IoT-Produkten gibt es allerdings einige spezielle Besonderheiten, die beachtet werden sollten.

Zusammenspiel vieler unterschiedlicher Komponenten

Aufgrund der Vielzahl von Geräten und Betriebssystemversionen vor allem bei Android-Geräten ist es heutzutage bereits beim Testen von Webseiten und Apps kaum noch möglich, alle Kombinationen abzudecken. Beim Internet of Things kommt hinzu, dass die smarten Gegenstände meist von unterschiedlichen Anbietern stammen. Durch fehlende technologische Standards können nicht nur Probleme in der Kommunikation zwischen den Geräten auftreten, sondern auch Sicherheitslücken entstehen. Daneben kommt es im IoT häufig zu Überschneidungen und zeitgleicher Nutzung der Anwendungen durch verschiedene Personen, was zu Fehlern während der Benutzung führen kann. Es ist daher zwingend notwendig, das Zusammenspiel der Geräte und Anwendungen im Internet of Things gründlich zu testen.

Smarte Gegenstände müssen einen Mehrwert bieten

Smartphones und Tablets werden komplett anders genutzt und wahrgenommen als Kaffeemaschinen oder Lichtschalter. Während die einen schon immer digital waren, werden mit dem Internet of Things ehemals analoge Gegenstände auf einmal zu vernetzten Geräten. Damit das IoT nicht nur ein Nischenmarkt bleibt, müssen die Anwendungen für den Nutzer einen erkennbaren Mehrwert im alltäglichen Leben bieten und im Hinblick auf ihre Gebrauchstauglichkeit überzeugen. Wer mit seinen Anwendungen und Produkten nicht nur die Early Adopter, sondern auch die breite Masse erreichen will, der muss herausfinden, was seine Zielgruppe wirklich möchte und deren Bedürfnisse bei der Entwicklung in den Fokus rücken.

Usability im Internet der Dinge

Bei der Entwickelung der Benutzeroberfläche von IoT-Produkten gibt es vor allem eines zu beachten: Keep it simple! Intelligente Gegenstände sollen das Leben vereinfachen und nicht komplizierter machen. Kein Nutzer möchte fünf Arbeitsschritte durchführen, wenn er dafür früher nur einen Schalter umlegen musste. Daher lautet die Devise, Anwendungen und Bedienelemente so einfach wie möglich zu gestalten, denn je intuitiver und benutzerfreundlicher diese sind, umso schneller werden sie sich bei den Konsumenten durchsetzen. Eine gute Usability ist auch im Internet of Things das A und O.

Tests in die echte Welt verlagern

Die meisten Fehler und Probleme von IoT-Anwendungen zeigen sich erst während der tatsächlichen Nutzung beim Kunden selbst, deswegen ist es mit einem klassischen Integrationstest meist nicht getan. Hinzu kommt, dass es im Labor kaum möglich ist, die Vielfalt der Geräte- und Betriebssystemkombinationen nachzustellen.

Das Verlagern des Testings in die echte Welt hilft außerdem der Betriebsblindheit entgegen zu wirken. Denn manche Usability-Probleme fallen den Entwicklern nicht auf, da sie sich jeden Tag mit dem Produkt beschäftigen. Oft interagieren echte Nutzer anders mit der Anwendung als gedacht, wodurch unerwartete Bugs auftreten können. Deshalb ist es wichtig, unter realen Bedingungen zu testen – am besten mit potenziellen Endverbrauchern.

Dafür bietet sich das sogenannte „Crowdtesting“ an: Softwaretests werden an die Internetgemeinde („Crowd“) ausgelagert, welche die Anwendungen auf Bugs und Usability-Probleme überprüft. Die Crowdtester verfügen über eine Vielzahl verschiedener Endgeräte, sodass alle gewünschten Geräte- und Betriebssystemkombinationen abgedeckt werden können. Das Besondere an Crowdtesting: Die Tester beantworten in ihrem Profil auf der Testing-Plattform verschiedene Fragen zu demographischen Merkmalen wie Alter und Geschlecht sowie ihren Hobbies. So kann anhand dieser Informationen aus einem riesigen Pool potentieller Tester genau die richtige Zielgruppe herausfiltert werden.

Für den Test des TV-Produktes „Entertain“ von der Deutschen Telekom sollte beispielsweise eine Tester-Gruppe bestehend aus über 100 fernsehaffinen Personen rekrutiert werden, die einen Querschnitt durch die gesamte Gesellschaft darstellt. Vor dem Hintergrund „Wie schauen Menschen heute Fernsehen?“ wurden einerseits Personen mit linearen Fernsehgewohnheiten gesucht, die sich das Fernsehprogramm normalerweise zum Zeitpunkt der Ausstrahlung ansehen. Andererseits war für die Telekom auch diejenige Zielgruppe von großem Interesse, die Fernsehsendungen lieber zeit- und ortsunabhängig über das Internet auf einem Gerät ihrer Wahl schauen. Aus der Testbirds-Crowd konnten schließlich genau die Personen ausgewählt werden, die der gewünschten Zielgruppe entsprachen.

IoT-Systeme mit der Crowd von Anfang bis Ende testen

Um sicherzustellen, dass IoT-Anwendungen beim Kunden einwandfrei funktionieren empfehlen sich End-to-End-Tests. Bei diesen werden die vernetzten Produkte von Anfang bis Ende von der Crowd geprüft. Nachdem die Tester das Produkt erhalten haben, spielen sie also sämtliche Schritte durch, die auch der Kunde vornehmen müsste.

Ein Beispiel: Die smarte Sicherheitslösung „ednet.“ von Assmann, die Nutzern hilft, ihr Heim zu überwachen, wenn sie nicht zuhause sind. 23 Tester bekamen das Starter-Kit, bestehend aus einer Kamera, einem Bewegungsmelder und zwei Kontaktsensoren, nach Hause geschickt. Nach der Installation testeten die Personen das Smart-Home-System ausführlich mit ihren eigenen Smartphones. Auch Familienmitglieder oder Mitbewohner nahmen mit ihren Geräten teil, um zu überprüfen, wie alltagstauglich die Lösung für Haushalte mit mehreren Personen ist. Währenddessen gaben die Tester regelmäßig Feedback zu Funktionsweise und Handhabung des Produkts. So konnte beispielsweise die Anordnung von Features innerhalb der App verbessert werden, sowie Probleme beim Verbinden der Kamera mit der App behoben werden.

End-to-End-Tests mit der Crowd sind allerdings mit einigen organisatorischen und logistischen Herausforderungen verbunden. Denn wie kommen die smarten Waschmaschinen oder Kühlschränke zum Tester? Diese müssen den Teilnehmern erst geliefert und anschließend wieder abgeholt werden. Meist übernimmt der Crowdtesting-Dienstleister das Versandhandling, sodass sich der Auftraggeber nicht darum kümmern muss.

Das Testen des IoT wird in Zukunft immer wichtiger

Die Analysten von Gartner schätzen, dass es im Jahr 2020 über 20 Milliarden vernetzte Geräte geben wird, der Netzwerkspezialist Cisco geht sogar von 50 Milliarden aus. Um sich in Zukunft gegen die Konkurrenz behaupten zu können, führt am Testen von IoT-Anwendungen kein Weg mehr vorbei, vor allem da die Entwicklung der Produkte mit hohen Kosten verbunden ist.

Ob sich die eigene IoT-Anwendung bei der breiten Masse durchsetzt und nicht nur die Early Adopters begeistert, hängt aber vor allem von deren Alltagstauglichkeit und Benutzerfreundlichkeit ab. Daher ist es besonders wichtig, die Meinungen von potenziellen Endverbrauchern einzuholen. Crowdtesting als Ergänzung zu internen Tests ist daher ein gutes Mittel, um IoT-Produkte vor dem Launch einem Realitätstest zu unterziehen.

Philipp Benkler ist Gründer und Geschäftsführer der Testbirds GmbH, die auf crowd- und cloudbasierte Testing-Lösungen spezialisiert ist. Benkler ist für den Vertrieb sowie die Expansion und Internationalisierung des Unternehmens verantwortlich. Er verfügt über langjährige Erfahrung im Enterprise-Umfeld sowie als selbstständiger Entwickler. Benkler ist Absolvent des Elitestudiengangs „Finanz- und Informationsmanagement“ an der Universität Augsburg und der TU München.

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