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Die Rolle von Data Mining bei Predictive Maintenance in der Automobilbranche.

Von   Michaela Tiedemann   |  Chief Marketing Officer   |  Alexander Thamm GmbH
10. Oktober 2018

Das Zeitalter der vernetzten Produktion bringt zahlreiche neue Herausforderungen mit sich. Eine Frage, mit der Unternehmen in der Industrie im Allgemeinen und in der Automobilbranche im Speziellen konfrontiert sind, ist die nach lukrativen Data-Science-Anwendungsfällen. Wie wird aus den großen Datenmengen effektiv ein Mehrwert generiert? Die vorausschauende Wartung (Predictive Maintenance) hat sich dabei in den letzten Jahren zu einem der neuen Standards in diesem Industriezweig entwickelt. Viele Autohersteller und produzierende Zulieferbetriebe profitieren seither von der datenbasierten Wartung. Im Zentrum von Predictive Maintenance befindet sich das Konzept von Data Mining.

Kurz erklärt: Das ist Data Mining

Der Begriff Data Mining ist im Umfeld von Big Data anzusiedeln. Unter Data Mining lassen sich die explorativen Methoden subsummieren, bei denen – teilweise voll automatisiert und teilweise nur halbautomatisiert – aus großen Datenmengen Erkenntnisse gewonnen werden. Das Ziel von Data Mining ist es, Abhängigkeiten, Gesetzmäßigkeiten und Muster in ansonsten unzusammenhängenden bzw. unstrukturierten Rohdaten zu fördern (bzw. zu „schürfen“). Data-Mining-Methoden sind statistische Verfahren, die es erlauben, die Daten nach bestimmten Kriterien zu:

  • Segmentieren
  • Klassifizieren
  • Analysieren

Je nach Use Case können bzw. müssen diese Methoden auch miteinander kombiniert werden. Unter Data Mining werden also eine ganze Reihe von Methoden subsummiert, die es erlauben, sinnvoll und gewinnbringend mit den Daten umzugehen. Große Mengen an Daten entstehen in der Industrie insbesondere im Rahmen von Monitoring. Im Zuge deren Auswertung können neue Geschäftsfelder und -modelle entstehen. Im Automotive-Bereich lassen sich beispielsweise Flottenanalysen durchführen, wodurch Kunden ein völlig neues Service-Modell angeboten werden kann. Deuten hier auffällige Muster in den Daten auf einen möglichen Defekt eines Bauteils hin, kann dieses ausgetauscht werden, noch bevor es einen Schaden auslöst.

Predictive Maintenance im Bereich Automotive

Bei Predictive Maintenance geht es um die Analyse von großen Mengen an Sensordaten. Von Data Mining ist in diesem Fall dann die Rede, wenn die konkrete Fragestellung, um die es bei einem Data-Science-Projekt gehen soll, bereits vorhanden ist. Im Fall von Predictive Maintenance lautet diese: „Wann wird eine Maschine wie ein Automotor oder auch nur einzelne Teile davon voraussichtlich ausfallen?“ Auf Basis dieser Prognosen kann die Wartung geplant werden, noch bevor ein Teil tatsächlich ausfällt.

Konkret bedeutet dies, dass zunächst an vielen unterschiedlichen Stellen im Motorraum und im Fahrzeug Sensoren platziert werden müssen. Oft werden bestimmte Messwerte sogar mehrfach erhoben, um auszuschließen, dass ein Sensor falsche Werte liefert oder Messwerte nicht den tatsächlichen Status quo repräsentieren. Dabei entstehen viele hundert Gigabyte an Daten, die auf entsprechende Muster hin analysiert werden.

Im Fall von Predictive Maintenance gibt es zwei Data-Mining-Aufgaben: In einem ersten Schritt geht es darum, einen Normal-Bereich zu definieren – also die Parameter, innerhalb derer ein fehlerfreies Funktionieren einer Maschine bzw. eines Motors gewährleistet werden kann. Gemessen werden dazu sehr unterschiedliche Messwerte:

  • Temperatur
  • Vibration
  • Geräusche
  • Flüssigkeitsstände
  • Beschleunigung
  • Geschwindigkeit
  • Druck
  • Drehmoment

Je mehr Messwerte auch aus anderen Bereichen zur Verfügung stehen, desto mehr Abhängigkeiten zu anderen Variablen können beim Data Mining sichtbar gemacht werden.

In einem zweiten Schritt wird dann nach Mustern gesucht, die darauf hindeuten, dass ein bestimmtes Teil innerhalb des Motors einen Schaden verursachen könnte oder ganz ausfällt. Der Abgleich zwischen Norm und abweichenden Mustern liefert dabei die Hinweise, ob ein Bauteil bald gewartet werden muss. Die Besonderheit von Predictive Maintenance: Je länger ein Predictive-Maintenance-Modell in der Praxis Anwendung findet, desto besser wird es. Wird ein bestimmtes Muster in einem Fall erkannt, lässt es sich auf die gesamte Flotte übertragen. Zudem können hier gewonnene Erkenntnisse zurück in die Produktion wirken, wo die Ursachen von Fehlern schnell und frühzeitig beseitigt werden können.

Data Mining in der Praxis: Predictive Car Maintenance

Bei einem unserer Kunden aus der Automobil-Industrie bestand die Herausforderung darin, Fahrzeuge mit einem möglichen Defekt frühzeitig zu identifizieren, bevor Fehler wirklich auftreten. So sollten Gewährleistungskosten effektiv gesenkt oder ganz vermieden werden. Die Lösung bestand in der Erstellung eines Prognosemodells, das mit Data-Mining-Methoden verschiedene Messwertdaten, die Stammdaten der Fahrzeuge und Diagnosedaten auswertete. Im Projektverlauf mussten die Daten zunächst soweit analysiert werden, um den Normalbetrieb zu definieren. Erst bei der Analyse der aktuellen Daten wurden dann die Abweichungen von der Norm sichtbar. Der Vorteil dieser Methode besteht darin, nicht nur zu wissen, dass ein Defekt auftreten wird, sondern welches Bauteil genau die Ursache dafür ist.

Im Ergebnis konnte durch dieses Prognosemodell 75% der von Fehlern betroffenen Fahrzeuge vorab identifiziert werden. Die Prüfkosten und aufwändige Rückrufaktionen konnten dadurch zum großen Teil vollständig vermieden werden. In der Folge wurden die Gewährleistungskosten um über 50% gesenkt. Maßnahmen wie diese erhöhen gleichzeitig die Kundenzufriedenheit und steigern das Ansehen der Marke.

Das zukünftige Potenzial von Data Mining

Auf diese oder ähnliche Weise steht Data Mining im Zentrum zahlreicher Use Cases im Bereich der vernetzten, industriellen Produktion beziehungsweise von vernetzten Produkten. Der hier kurz vorgestellte Anwendungsfall von Predictive Car Maintenance zeigt, wie groß das Potenzial von Data Mining ist. Dabei entstehen Vorteile sowohl für die Industrie selbst als auch für deren Kunden beziehungsweise den Verbraucher, der von zuverlässigeren Produkten und mehr Service-Angeboten profitiert. Datengetriebene Geschäftsmodelle und Data-Science-Projekte bieten Unternehmen zukünftig nicht nur die Möglichkeit, die Qualität ihrer Produkte immer weiter zu verbessern, sondern auch enorme Wachstumschancen.

Michaela Tiedemann, Chief Marketing Officer bei der in Deutschland führenden Data Science Beratung Alexander Thamm, hat Betriebswirtschaft mit Schwerpunkt Marketingmanagement studiert.

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