Quantum Computing & Industrielle Optimierungsprobleme: Quantum Computing- Ein Segen für die Industrie?

Von   Alexander Eser   |  Co-Founder & Managing Director   |  kaufberater.io
12. Juli 2018

Nachdem PCs immer ausgefeilter werden und es scheint, dass die großen Innovationen im Computersektor ausbleiben, gewinnt eine Entwicklung immer mehr an Bedeutung und verspricht die vermeintliche Stagnation aufzubrechen: Sogenannte Quantum Computer sollen in einigen Jahren die aktuell erreichbare Rechenleistung exponentiell erhöhen.
Große Techgiganten wie IBM oder auch Google sind momentan dabei, sich ein Wettrennen zu liefern. Die Frage lautet, wer es schafft den ersten sogenannten Quantum Computer zu bauen, der einen ernsthaften praktikablen Nutzen beisteuern kann.

Im Folgenden erfährst du, was Quantum Computer sind und welcher (industrielle) Nutzen in der Zukunft von diesen neuen technischen Errungenschaften zu erwarten sein wird.

Was ist Quantum Computing?

Quelle: Kevin Ku/Pexels.com

In klassischen Computern, wie wir sie kennen, existieren die Bits, die kleinsten Elemente der zu verarbeitenden Informationen, in zwei voneinander getrennten Zuständen: 1 oder 0. Beim Quantum Computing hingegen wird die Fähigkeit subatomarer Partikel ausgenutzt, sich zur gleichen Zeit in mehr als einem Zustand befinden zu können.

Was das bedeutet: Quantum Systeme existieren zwar auch in den Zuständen 1 und 0, können aber zur gleichen Zeit in Kombinationen dieser zwei existieren, in sogenannter Superposition. Diese Systeme können so mehr und schneller Informationen verarbeiten als klassische Computersysteme.

Eine anschauliche Erklärung liefert Jim Clarke, der Leiter der Quantum Hardware Abteilung von Intel: Die binären Bit-erzeugenden Transistoren in klassischen Computern sind vergleichbar mit Münzen, die entweder mit dem Kopf oder mit der Zahl-Seite nach oben zeigen. Wenn die Münze sich aber aber im Kreis dreht, würde der geneigte Zuschauer davon sprechen, dass beide Seiten gleichzeitig zu sehen sind.

Das Bild der Münze verdeutlicht den Unterschied zwischen Qubits und den klassischen, binären Bits. Quelle: Joey Kyber/ Pexels.com

Ein Qubit entspricht der sich drehenden Münze, bis sie zum Halt kommt und entweder auf der Kopf- oder Zahlseite landet, oder dem Zustand 1 oder 0.

Um zu verhindern oder es hinauszuzögern, dass Qubits zum Stillstand kommen, müssen sie zum Beispiel in einer sehr kalten Umgebung gehalten werden, bei der nicht nur die Temperatur sondern auch die Lautstärke und das elektrische Umfeld konstant bleiben müssen.

Qubits, die Kurzform der sogenannten Quantum Bits, können so mehr Informationen speichern, wobei sie dabei weniger Energie verbrauchen.

Um Qubits dazu zu bringen, die möglichen Zustände anzunehmen (0,1 und sämtliche Kombinationen), muss man zwei oder mehr Qubits dazu bringen, miteinander zu kommunizieren. Mit jedem Qubit, das einem System hinzugefügt wird, steigt die Rechenleistung.

Wann ist mit Quantum Computern zu rechnen?

Google hat im Frühjahr 2017 bekannt gegeben, die Quantum Technologie bereits innerhalb der nächsten fünf Jahre salonfähig machen zu wollen. Dazu gab es ein Versprechen eines ersten Quantum Computers, der klassischen Computern überlegen sein sollte und das bis zum Jahresende.

Überholt wurde Google dabei aber von IBM. Der PC-Hersteller gab bereits im November 2017 bekannt, einen 50- Quantum Computer gebaut zu haben. Zu beachten ist aber, dass diese Errungenschaft von einem wirklich gebrauchsfähigen PC noch weit entfernt ist. Der Computer konnte das System im Quantum Zustand nicht länger als 90 Sekunden aufrechterhalten.

Andere, kleinere Startups arbeiten hingegen daran, diese Systeme immer stabiler zu machen und es könnte sein, dass eines von ihnen, beispielsweise Rigetti aus Californien es schaffen, als erstes einen kommerziellen Quantum PC zu konstruieren.

Tatsächlich wird es bis zum kommerziellen Quantum Computer aber wahrscheinlich noch eine Dekade brauchen- oder mehr. Gerade bis das Konzept bei den Endgeräten für den normalen Konsumenten ankommt, ist der Zeithorizont kaum abzusehen, wobei aktuelle Geräte für die Durchschnittsnutzung nahezu maximal optimiert sind.

Industrielle Optimierung mithilfe des Quantum Computing

Dem Quantum System als nächstem großen Meilenstein werden einige, oft industrielle, Einsatzbereiche vorhergesagt, die überraschend weitreichend sind. Auch wenn es bis zum Einsatz in diesen Sektoren noch länger andauern kann, ist es interessant, das jeweilige Potential genauer zu betrachten. Im Folgenden einige Beispiele:

Lieferkettenoptimierung

Für den Gütertransport, aber auch für den Personentransport werden weitreichende Vorteile durch die erhöhte Rechenleistung von Quanten Computern erwartet. Quelle: skeeze/ Pixabay.com

Quantum Computing wird in der Zukunft neue Möglichkeiten der Verkehrsoptimierung bereithalten. So ist zu erwarten, dass die hohe Rechenkraft dazu genutzt werden kann, Verkehrsrouten unter Einbezug verschiedenster Faktoren wie dem Wetter, der Uhrzeit und dem aktuellen Verkehr schnell und effizient zu optimieren, so wie es VW momentan in Peking mit Berechnungen des Verkehrsflusses testet.

Dies hat Folgen für Firmen, für die der Unternehmenserfolg signifikant von einer reibungslosen Lieferkette abhängt: Quantum Systeme, so wird es erwartet, werden es Unternehmen erlauben, schnell auf kleine und große Veränderungen in der Lieferkette zu reagieren.

Auf der Suche nach den Primzahlen

Ein Beispiel für den Einsatz von Quantum Computern könnte die Suche nach großen Primzahlen sein. Jene sind besonders wichtig für Verschlüsselungen, die überall im Netz zur Anwendung kommen.

Das eröffnet auch die Gefahr des sogenannten „Quantum Hacking“, das es ermöglichen könnte, aktuelle Onlineverschlüsselungen problemlos zu knacken. Gleichzeitig könnten Quantum Computer-generierte Verschlüsselungen natürlich auch um einiges sicherer sein, als die von klassischen Computern erzeugte.

Quantum Computing im Finanzsektor

Als einer der größten Nutznießer der Datenanalyse könnte der Finanzsektor besonders vom exponentiellen Anstieg der Rechenleistung durch Quantum Systeme profitieren. Mithilfe der Modellierungen durch klassische Computer ist es schon jetzt möglich Erträge zu erreichen, die über den Markterträgen liegen. So setzen beispielsweise Hedge Funds quer über alle Asset Klassen Computing ein, um Asset-Preise zu bestimmen und professionelle Glücksspieler verwenden Computermodelle, um den Ausgang eines Spiels wie Tennis, Fußball aber auch Pferderennen zu bestimmen, um durch Sportwetten Geld zu verdienen. Es wird erwartet, dass ein Quantumcomputer in Zukunft mehr und schnellere Risiko- und Gewinnsimulationen ausführen kann als klassische Computer- und das gleichzeitig.

Auch wenn die kommerzielle Nutzung im Finance momentan noch Zukunftsmusik ist, so wird in dem Bereich bereits experimentiert: So haben Wissenschaftler beispielsweise aufgezeigt, dass Quantum Computing positive Effekte auf die Möglichkeiten hat, von Fremdwährungskursschwankungen zu profitieren.

Verbesserte Wettervorhersagen

Mit Quantum Prozessoren könnten Wettermodelle und -daten nicht nur viel schneller ausgewertet werden. Stattdessen könnten die von Satelliten übermittelten Wetterdaten auch dazu genutzt werden, wiederkehrende Muster und Feinheiten zu erkennen, die mit klassischen Computern nicht auszufiltern sind.

Für die Landwirtschaft spielt besonders die Wetteranalyse eine Rolle, wenn es um mögliche Vorteile des Quantumcomputing geht. Quelle:12019 /Pixabay.com

Dies ist nicht nur praktisch für den täglichen Blick in den Kleiderschrank; die effizientere und aufschlussreiche Wetteranalyse kann dabei helfen, Naturkatastrophen schneller vorherzusagen und folglich frühere Evakuierungen und andere Vorsichtsmaßnahmen zu treffen.

Für andere Industrien wie der Landwirtschaft und ebenso dem Transportsektor, wird diese Entwicklung ebenso wichtige Vorteile bringen, da das Wetter für beide eine wichtige Variable in der (täglichen) Planung darstellt. So könnten beispielsweise Bewässerungscomputer an die Vorhersagen gekoppelt werden und Felder automatisch bewässern, wenn Regen ausbleibt.

Fazit: Quantum Computing ist ein vielversprechendes Konzept, das interessante Lösungen verspricht

Dass Quantum Computer die klassischen Computer ersetzen werden, ist vorerst nicht zu erwarten. So sind die Schwierigkeiten darin, ein optimales Umfeld für die sensiblen Qubits zu erhalten, noch zu groß.

Nachdem die ersten Geräte gebaut werden, die den klassischen Geräten überlegen sind, wird es der nächste Schritt sein, diese Fortschritte bis hin zur Kommerzialisierung auszubauen.

Trotz allem: Quantum Computing, so zeigt es die Tatsache, dass viele Techgiganten wie Google oder IBM auf eigene Faust daran forschen, wird in der Zukunft wohl eine große Rolle spielen. Das liegt daran, dass die vielen Einsatzbereiche und Vorteile der exponentiell wachsenden Rechenkraft, von dem Supply Chain Management hin zur Wetterdatenverarbeitung schon jetzt absehbar sind und somit das Wettrennen um die Vorreiterrolle im Quantum Computing eröffnet ist.

Alexander Eser gründete nach seinem Studium in Berlin, Oslo und Rotterdam das digitale Verbraucher-Magazin Kaufberater.io. Neben digitalen Geschäftsmodellen und Statistik, interessiert er sich vor allem für Fitness, Snowboarden und Reisen.

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