Revolution der Computertechnologie und Evolution für die Analyse komplexer Daten

Von   Stefan Pechardscheck   |  Globaler Leiter Technologie bei BearingPoint   |  BearingPoint
  Kai Baumann   |  Senior Business Consultant   |  BearingPoint
29. März 2021

Es ist jetzt an der Zeit, sich intensiv mit Quantencomputern zu beschäftigen. Quantumcomputing könnte für Ihr zukünftiges Geschäft sehr relevant werden.

Quantumcomputing – eine Form der Datenverarbeitung

Quantumcomputing ist eine grundlegend andere Art der Datenverarbeitung.[1][2] Quantencomputer verarbeiten Daten nicht nach einer binären Logik mit Einsen und Nullen. Stattdessen verwenden diese Computer quantenmechanische Objekte, Qubits genannt und gewinnen durch quantenmechanische Effekte, z. B. Superposition und Verschränkung, eine potenziell exponentielle Beschleunigung der Berechnung.

Aber verspricht die exponentielle Natur des Mooreschen Gesetzes nicht eine hinreichende Beschleunigung für rechnerische Aufgaben? Wir sagen nein, da die Standard-Computertechnologie nahe an einigen inhärenten Grenzen liegt. Ein Hauptgrund ist die Miniaturisierung von Schaltkreisen und Komponenten. Die Transistoren auf Siliziumbasis haben eine physikalische Grenze für ihre Strukturgrößen, die bei etwa fünf Nanometern liegt. Bei dieser Größe tritt ein quantenphysikalisches Phänomen namens „Tunneleffekt“ auf. Andere Materialien, wie Molybdändisulfid, können Transistoren mit einer Strukturgröße von bis zu einem Nanometer realisieren.[3]

Zudem stoßen die Herstellungsverfahren an ihre Grenzen, obwohl die Hersteller in neue Materialien und Methoden investieren, um den „Tunneleffekt“ zu umgehen.

Selbst wenn die derzeitigen Computer ihre Leistungsfähigkeit weiter erhöhen, sind bestimmte Rechenoperationen aufgrund ihrer Komplexität durch klassische Verfahren praktisch nicht durzuführen.

Ein aktuelles Schwerpunktthema der Digitalisierung ist die Analyse von komplexen, unstrukturierten Daten. Viele Unternehmen verdienen durch das Sammeln, Analysieren und Bearbeiten von Daten viel Geld. Um die wachsenden Datenmengen schneller verarbeiten zu können, ist ein grundlegender Wandel in der Berechnungstechnik notwendig, der Ihr Unternehmen möglicherweise beeinträchtigen und Ihren Wachstumspfad unterbrechen würde.

Die größten Probleme in den oben genannten Bereichen sind durch die Menge der Daten, ob strukturiert oder unstrukturiert, gegeben. Diese können nicht schnell genug oder gar nicht verarbeitet werden, trotz bestimmter Methoden, wie u. a. Clusterbildung, Strukturerkennung oder die Erstellung von Korrelationen. Ein Hoffnungsträger sind Mechanismen aus dem maschinellen Lernen. Die neue Technologie auf dem Gebiet der Quantencomputer könnten dazu noch einen signifikanten Impuls und sogar eine exponentielle Beschleunigung versprechen.

Beim maschinellen Lernen geht es hauptsächlich um das Klassifizieren und Erkennen von Mustern oder bestimmten Clusterungen solcher Daten ohne Nachahmung der Prozesse, die die Daten erzeugt haben. Durch diese sogenannten „generativen Algorithmen“ wurde ein neues Kapitel für Anwendungen des maschinellen Lernens aufgeschlagen. Damit ist ein großer Schritt getan, damit die Maschinen nicht nur die Daten auswerten, sondern auch neue Ergebnisse generieren, d. h. Daten kreieren. Die Möglichkeit wäre gegeben.

Aktuelle Grenzen für Quantencomputer

Aber warum ist das Quantumcomputing nicht bereits Realität? Und was können Quantencomputer in ihrem derzeitigen Entwicklungsstand leisten?

Wir befinden uns in einer Übergangsphase, in der das Quantumcomputing immer mehr Aufmerksamkeit erregt. Für eine erste Demonstration im Jahr 2019 realisierte Google eine Berechnung von Zufallszahlen mit einem Quantencomputer. Ihre Beispielanwendung sollte zeigen, dass die „Quantum Supremacy“, also die Überlegenheit eines Quantencomputers, keine theoretische Aussage mehr ist. Der Quantencomputer war in der Lage, eine Berechnung in etwa 200 Sekunden durchzuführen, für die ein herkömmlicher Computer 10.000 Jahre gebraucht hätte.[4] Laut Google wären die Kosten um einen Faktor von 1.000 reduziert worden.[5]

Der Fakt, dass ein Quantencomputer schneller arbeitet als ein herkömmlicher Computer, bedingt per se noch keinen Nutzen, ist aber jedoch ein Vorgeschmack auf das, was kommen könnte. Derzeit sind die Hardware-Geräte noch zu klein, und die Anzahl der Qubits und die Anzahl der Operationen sind zu begrenzt, um reale Anwendungsfälle auf Quantencomputern auszuführen.

Werden also Quantencomputer bald die klassischen Computer ersetzen? Die einfache Antwort lautet nein. Google hat mit seinem veröffentlichten Experiment bewiesen, dass es Probleme gibt, die nur mit einem Quantencomputer in angemessener Zeit gelöst werden können. Es geht nicht um die allgemeine Vormachtstellung von Quantencomputern, sondern mehr um die prinzipielle Überlegenheit in einigen Fällen.

Aber mit der Existenz des Quantenvorteils gibt es einen guten Grund, bald weitere bahnbrechende Neuigkeiten auf dem Gebiet der Quantenberechnung zu erwarten.

Wann müssen Sie sich mit dem Thema Quantumcomputing befassen?

Besser früher als später. Es kann Jahre dauern, das Wissen über das Gestalten und Konstruieren von Quantenberechnungen zu erlangen und aufzubauen. Die Implementierung einer Governance, die sich mit der Verfügbarkeit von Quantumcomputing befasst, kann bei den meisten etablierten Unternehmen langwierig sein.

Die Operationen und Berechnungen traditioneller Computer lassen sich mit unserer täglichen Erfahrung mit physikalischen Prozessen beschreiben. Quantencomputer nutzen jedoch quantenmechanische Phänomene. Die Gesetze der Quantenphysik stehen oft im Widerspruch zu unseren täglichen Beobachtungen, was diese Prozesse nicht intuitiv und nur schwer nachvollziehbar macht. Weitere Forschung ist notwendig, um die Grenzen und Möglichkeiten vollständig fehlerkorrigierter Quantencomputer zu entdecken.

Die derzeitige Quantencomputer-Hardware ist nicht umfangreich und nicht fehlerresistent. Im Gegenteil, die aktuellen Geräte sind eher klein dimensioniert und fehleranfällig bei der Ausführung von Algorithmen. Dennoch, in den kommenden Jahren sollten und werden Unternehmen beginnen „quantentauglich“ zu werden und sollten Schritte zur Einbeziehung von Quantencomputern in ihre Geschäftsprozesse gehen. In vielen Bereichen werden Quantencomputer entscheidende Anwendungen und Upgrades für derzeit unlösbare Probleme finden. Sie sollten in jeder Strategy Roadmap 2030 eines größeren Unternehmens thematisch enthalten sein.

Eine Zukunft ohne Quantumcomputing ist kaum vorstellbar

Zusammenfassend ist zu sagen, dass diese neue Form der Datenverarbeitung Möglichkeiten schafft, Themen wie Risikomodellierung, Modellierung finanzieller Zeitreihen oder die Erforschung von Krankheiten effektiv und effizient mit Methoden des maschinellen Lernens zu bearbeiten. Wie schnell diese Technologie sich etabliert, bleibt abzuwarten. Es hängt von Faktoren, wie der Stabilität und Größe des Quantencomputers ab. Derzeit rechnen große Computerhersteller damit, dass bis 2025 (Honeywell) bzw. 2030 (IBM) die Quantum Supremacy erreicht wird.[6] Es könnte wettbewerbsentscheidend für Unternehmen sein, sich frühzeitig mit Anwendungsfällen zu beschäftigen, die betroffenen Themenfelder in ihren Geschäftsmodellen zu analysieren, Anwendungsfälle zu erarbeiten und eine Strategie zu entwickeln, wie das Quantumcomputing genutzt werden kann. Diese Strategie muss Richtlinien und Maßnahmen beinhalten, wie z. B. der Wissensaufbau zum Quantumcomputing in der Organisation umzusetzen ist oder wie die Berechnungen durchzuführen sind (On-Premises vs. Cloud Lösungen). Fakt ist, Unternehmen sollten sich mit dieser Technologie beschäftigen, besser jetzt als zu spät.

 

Quellen und Referenzen:

[1] Rieffel, Eleanor / Polak, Wolfgang: Quantum Computing: A Gentle Introduction, MIT Press, 2011

[2] Chuang, Isaac L. / Nielsen, Michael: Quantum Computation and Quantum Information, Cambridge University Press, 2011.

[3] Desai, Sujay B. / Madhvapathy, Surabhi R. / Sachid, Angada B. / Llinas, Juan Pablo / Wang, Qingxiao / Ahn, Geun Ho / Pitner, Gregory / Kim, Moon J. / Bokor, Jeffrey / Hu, Chenming / Wong, H.-S. Philip / Javey, Ali: MoS2 transistors with 1-nanometer gate lengths, Science, Volume 354, 2016.

[4] Arute, Frank / Arya, Kunal / Babbush, Ryan / Bacon, David / Neven, Hartmut / Martinis, John M.: Quantum supremacy using a programmable superconducting processor, Nature, Issue 574, 2019.

[5] Arute, Frank / Arya, Kunal / Babbush, Ryan / Bacon, David / Neven, Hartmut / Martinis, John M.: Quantum supremacy using a programmable superconducting processor, Nature, Issue 574, 2019.

[6] Wang, Brian: Quantum Volume is Not Over 9000 Yet, https://www.nextbigfuture.com/2020/06/quantum-volume-is-not-over-9000-yet.html, 22.07.2020.

 

ist globaler Leiter Technologie bei BearingPoint. Seit über 25 Jahren berät er Kunden unterschiedlichster Branchen zu Technologielösungen. Seine Schwerpunkte liegen auf innovativen IT-Mehrwertlösungen sowie IT-Strategien, inkl. Quantumcomputing und KI.

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