Das Gesicht wahren – biometrisch bezahlen?

Von   Tamara Obielum   |  Head of Marketing and Telesales   |  CCV Schweiz
14. Dezember 2020

Mobile Bezahlterminals mit kontaktloser Technologie haben das Shopping revolutioniert. Seit dem Ausbruch der hartnäckigen COVID-19-Pandemie sind die Point-of-sales (POS)-Stationen, also Bezahlapparaturen für Smartphone und Debit- und Kreditkarten [1], an Kassen und an Schaltern im Détailhandel zudem ein willkommenes Instrument, um das Berühren von Oberflächen einer Apparatur, die von Tausenden tagtäglich benutzt wird, zu unterbinden. Auf diese Weise kann das Risiko, sich mit SARS-Cov-2 zu infizieren, bedeutend vermindert werden.
Die Pandemie gibt einer Technologie Auftrieb, die es gestattet, das Bezahlen schneller und sicherer zu gestalten. Biometrie (frei übersetzt: den Menschen vermessen) lautet das Zauberwort. Ob beim Einchecken am Flughafen oder der Beantragung eines Arbeitsvisums in den USA: die Gesichtserkennungssoftware hielt in den letzten Jahren schnell Einzug an sensiblen privaten und staatlichen Institutionen. Aber auch die biometrische Karteninhabererkennung per Fingerabdruck bleibt ein beliebtes Instrument, um kriminellen Missbrauch an der Kasse auszuschliessen.

Die Vorteile der biometrischen Technologie für den Einzelhandel liegen auf der Hand:

Verbraucher sind mehr denn je bestrebt, eine sichere, bequeme und sauberere Zahlungsmethode zu verwenden.

Hohe Sicherheit: Fingerabdruck-Biometrie wird nur auf der Karte gespeichert, um sicherzustellen, dass die Daten eines Karteninhabers geschützt sind.

    • Hardware-Upgrades nicht erforderlich: Die biometrische Karte ist so konzipiert, dass sie mit vorhandenen Zahlungsterminals kompatibel ist, die weltweit kontaktlose oder chipbasierte Zahlungen akzeptieren.
    • Selbstaufladung: Der biometrische Sensor wird vom Zahlungsterminal mit Strom versorgt, um sicherzustellen, dass kein eingebetteter Akku vorhanden ist oder die Karte neu aufgeladen werden muss.
    • Höhere Zahlungslimits: Aus Sicherheitsgründen variieren die Ausgabenlimits je nach Region, liegen jedoch normalerweise im Schnitt bei CHF 53 oder EUR 50. Mit der zusätzlichen Sicherheit der Biometrie wären solche Grenzwerte jedoch nicht erforderlich.

Laut einer Umfrage der Marktforschungsfirma Comparis [2] bei der 1.011 Personen befragt wurden, war die Anhebung des Limits der Hauptgrund, warum die Verwendung der kontaktlosen Zahlungsoption stark anstieg. 75 Prozent der Verbraucher in der Schweiz nutzen kontaktloses Bezahlen, gegenüber 60 Prozent vor einem Jahr.

Über ein Drittel der Verbraucher gibt an, modernere und persönlichere Zahlungskarten verwenden zu wollen, und Biometrie steht neben Metallkarten, maßgeschneiderten Designs und anderen Innovationen, um genau das zu erreichen.

In Europa sagen 42%, dass durch die biometrische Authentifizierung die Notwendigkeit mehrerer Passwörter und PIN-Codes entfallen könnte, was auf 46% der Menschen in Schweden und Polen ansteigt.

    • 78% würden biometrischen Zahlungsdiensten ihres Kartenzahlungsanbieters vertrauen
    • Satte 84% sagen, dass sie der biometrischen Authentifizierung vertrauen würden, wenn sie von ihrer Bank bereitgestellt würde
    • 37% der Männer in ganz Europa werden wahrscheinlich von ihren Banken wechseln, wenn sie keine biometrische Zahlungsmethode anbieten, verglichen mit 29% der Frauen
    • 71% der Männer geben an, dass sie biometrische Authentifizierungsmethoden bevorzugen, um zu zahlen, im Vergleich zu 66% der Frauen
    • Etwa 48% möchten die biometrische Authentifizierung für Zahlungen im öffentlichen Verkehr verwenden
    • 47% möchten die biometrische Authentifizierung verwenden, wenn sie in einer Bar oder einem Restaurant bezahlen
    • Und 46% möchten damit Waren und Dienstleistungen auf der Hauptstraße kaufen, z. Lebensmittel, Kaffee und in Fast-Food-Läden.  

Wo haben Konsumenten Bedenken?

Interessant ist, dass 30% der Befragten angaben, dass sie die peinliche Situation einer nicht funktionierenden biometrischen Apparatur von einem allfälligen Gebrauch biometrietauglicher Zahlungsmittel abhält.

Ähnlich ergeht es ja Konferenzteilnehmern, die Minuten lang in der Schlange stehen und dann am Willkommensdesk erfahren müssen, dass Ihr persönliches Teilnehmer-Badge sich nicht unter den zig Badges befindet, die fein säuberlich vor einem ausliegen.

Ausserdem fand eine Studie in Grossbritannien laut Iseepr [3] die folgenden Hürden:

    • 33% der Konsumenten machen sich Sorgen über eine allfällige Verwundbarkeit biometrischer POS-Stationen, wobei 32% sagen, Sicherheitslücken hielten sie von der Benutzung derselben Apparatur ab.
    • 38% der Konsumenten sind im Schnitt von der Sicherheit der Biometrie nicht überzeugt – dieser Anteil liegt bei älteren Verbrauchern bei fast 50%.
       

Wie stehen Europäer zu biometrischen Zahlungsmitteln?

    • Etwa ein Viertel der Konsumenten in Europa (23%) [4] äussern Ihr Unbehagen bei Gesichtserkennungssoftware in Bezug auf das Bezahlen. In Schweden und Deutschland steigt dieser Anteil auf 31% respektive 30%.
    • Dennoch sticht Schweden heraus als das Land in Europa mit dem höchsten Interesse an einer fortgeschrittenen biometrischen Technologie. Die Schweden sind i. Vgl. zu ihren europäischen Pendants mehr interessiert an Venenerkennungssoftware (13% gg. 9%), Chipimplantate (13% gg. 7%) und DNA-Erkennung (10% gg. 8%).

Wie sind die Marktaussichten [5]

Der weltweite Markt für kontaktlose Biometrie-Technologien wurde 2019 auf ungefähr 6,9 Mrd. USD geschätzt und wird voraussichtlich zwischen 2020 und 2027 mit einer gesunden Rate von mehr als 20,3% wachsen.

Der Markt für biometrische Gesichtserkennung [5] wird durch die COVID-19-Pandemie gestärkt, die von 3,8 Milliarden US-Dollar in diesem Jahr auf 4,5 Milliarden US-Dollar bis 2021 ansteigt – ein Zuwachs von 17,1 Prozent gegenüber Schätzungen vor der Pandemie von 13,5 Prozent auf 4,2 Milliarden US-Dollar.

Digitale Geldbörsen mit biometrischen Daten und QR-Codes sind seit Beginn der Pandemie auf dem globalen mobilen Geldmarkt immer beliebter geworden, und die Marktprognose wird von 2020 bis 2030 voraussichtlich um 21,4 Prozent steigen.

Beispiele:

Banken im Nahen Osten und in Nordafrika werden biometrische Zahlungskarten im Rahmen einer Partnerschaft zur Verfügung gestellt, durch die Zwipe seine biometrischen Zahlungslösungen Zwipe Pay ONE an den Finanztechnologieanbieter Areeba in den Nahen Osten liefern wird, so lautet eine Pressemitteilung.[6]

Zwipe hat außerdem eine neue Partnerschaft [7] ins Leben gerufen, um biometrische Zahlungslösungen mit dem nordischen Software- und Digitalbankdienstleister TietoEVRY auf der Basis der Zwipe Pay ONE-Plattform einzuführen.

Die digitale Währung der Zentralbank von China [8] wurde bereits für Pilottransaktionen im Wert von 1,1 Milliarden Yuan verwendet. Die Entwicklung des E-Yuan erfolgt im Rahmen einer Digitalisierungsstrategie zur Transformation der chinesischen Wirtschaft. Die neue elektronische Zahlung in digitaler Währung (DC / EP) wurde für Transaktionen in einer Vielzahl von Szenarien verwendet, von Rechnungszahlungen bis hin zu staatlichen Dienstleistungen. Insbesondere in Städten wie Shenzhen und Xiongan wurden mit DC / EP insgesamt 3,13 Millionen Transaktionen abgewickelt.

Das Unified Biometrics System [9] in Russland soll bis Ende 2020 von Geschäften und Restaurants übernommen werden, berichtet die Tageszeitung Izvestia.

Die Unified-Technologie wird von Rostelecom, dem größten Anbieter digitaler Dienste in Russland, verwaltet. Sie wurde bereits in Lenta-Verbrauchermärkten getestet und ist für eine Kette von Cafés geplant.

Amazon hat ein neues Zahlungssystem für reale Geschäfte angekündigt, das eine einfache Handbewegung verwendet. Der neue Amazon One-Scanner registriert ein Bild der Handfläche des Benutzers und lässt ihn bezahlen, indem er seine Hand „etwa eine Sekunde lang“ in der Luft schweben lässt. Das Produkt wird in zwei physischen Geschäften von Amazon in Seattle getestet.

Die französische Bank BNP Paribas [10] ermöglicht Kunden kontaktlose Zahlungen mit höherem Wert mithilfe der Technologie zur Erkennung von Fingerabdrücken. Die Bank führt eine Visa-Karte ein, auf der Fingerabdruckinformationen gespeichert werden können. Während Kunden weiterhin in der Lage sind, kontaktlose Zahlungen bis zum Ausgabenlimit ohne Fingerabdruck zu tätigen, sind sie in der Lage mit der neuen Karte kontaktlose Zahlungen mit einem höherem Wert ausführen.

Visa hat mit der Mountain America Credit Union [11] und der Bank of Cyprus ein Pilotprojekt für eine neue biometrische Zahlungskarte mit zwei Schnittstellen (chip- und kontaktlos) gestartet. Dies stellt das erste Pilotprojekt in den USA dar, das einen biometrischen Sensor auf der Karte auf kontaktloses Bezahlen testet. Die Karte testet die Verwendung der Fingerabdruckerkennung als Alternative zum PIN oder zur Signatur, um den Karteninhaber während einer Transaktion zu authentifizieren.

Inzwischen hat die staatliche Fluggesellschaft Emirates Airline [12] am 23. Oktober bekannt gegeben, dass Passagiere am Terminal 3 des Flughafens in Dubai biometrisch einchecken und so jeglichen physischen Kontakt mit einer Apparatur oder Oberfläche vermeiden können. Vielleicht benötigt es eine Renaissance des Reisens in der Post-COVID-Ära, um die Biometrie salonfähig zu machen.

 

Quellen und Referenzen

[1] https://www.ccv.eu/ch-de/mobile-terminals-2/

[2] https://www.comparis.ch/comparis/press/medienmitteilungen/artikel/2020/banken/zahlungsmittel/corona-gibt-debitkarten-schub

[3] https://iseepr.co.uk/consumers-are-ready-for-biometric-payment-cards/

[4] https://reportedtimes.com/contactless-biometrics-technology-market-to-witness-astonishing-growth-by-2027-aware-inc-fingerprint-cards-ab-fujitsu-limited-gemalto-n-v/

[5] https://www.biometricupdate.com/202006/biometrics-backed-mobile-money-and-facial-recognition-markets-to-grow-as-everything-goes-contactless

[6] https://www.biometricupdate.com/202010/zwipe-partners-up-to-bring-biometric-payment-cards-to-mena-banks

[7] https://www.biometricupdate.com/202010/zwipe-to-help-nordic-banks-roll-out-biometric-payment-cards-with-new-partnership

[8] https://www.scmp.com/business/banking-finance/article/3104281/peoples-bank-chinas-digital-currency-already-used-pilot

[9] https://www.biometricupdate.com/202010/russias-biometric-payment-system-ubs-to-reach-official-operation-by-end-of-the-year

[10] https://www.computerweekly.com/news/252485402/BNP-Paribas-uses-biometrics-to-increase-contactless-payment-limit

[11] https://usa.visa.com/visa-everywhere/security/biometric-payment-card.html

[12] https://gulfnews.com/uae/emirates-launches-biometric-pathway-for-contact-less-passage-at-dubai-airport-1.74765654

 

 

TAMARA OBIELUM ist Head of Marketing & Telesales bei CCV Schweiz, dem führenden Anbieter von kontaktlosen Bezahl-Terminals für den Handel. Zuvor war sie beim US-Technologiekonzern Cisco Systems, Schweiz, im Bereich Digital Marketing. Abschluss in BWL, Universität St. Gallen.

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