Plötzlich Krise – Wie man als Tech Start-up Chancen erkennt & Herausforderungen meistert

Von   Ezequiel Cura   |  VP of Engineering   |  Badi GmbH
23. September 2020

Gegen Krisen sollte man gewappnet sein – doch mit einer Pandemie dieses Ausmaßes hat niemand gerechnet. Mehr denn je ist es für neu gegründete Unternehmen von entscheidender Bedeutung, sich für das unsichere und herausfordernde Geschäftsklima zu wappnen, das in den nächsten Monaten und möglicherweise Jahren auf sie zukommen wird. Wie führt man ein junges Tech Start-up durch die Krise? Welche Herausforderungen, aber auch Chancen tun sich auf?
Gerade in Krisenzeiten ist es hilfreich, sich an Praxisbeispielen zu orientieren. Zahlreiche Ratgeber geben Empfehlungen, wie man sein Start-up und das eigene Team in herausfordernden Zeiten strukturieren sollte und welche Technologien hierbei hilfreich sein können. Was immer im Mittelpunkt stehen sollte ist dabei der Mensch selbst: Was hat dich zu dem gemacht, der bzw. die du heute bist? Es lassen sich vier Merkmale definieren, die ein erfolgreiches Unternehmen ausmachen: Skaleneffekte, geistiges Eigentum, NetworkingEffekte und Branding [1]. Durch die Krise allerdings wurden diese Eigenschaften nahezu aufgehoben.

Skaleneffekte, also Betriebsgrößenersparnisse, sind in den meisten Branchen von heute auf morgen verschwunden. Unternehmensstrukturen sind plötzlich die größte Belastung, ein Fixkostenfaktor. Drei Strategien können dabei helfen, dieses Problem abzumildern: 1. Abwarten & Perfektionieren/Verbessern, 2. die Situation annehmen, 3. Entscheidungen zurücknehmen. Die ersten beiden Phasen des dreistufigen Prozesses können recht schnell angenommen werden, eine Kursänderung jedoch erfordert eine komplette Umstellung des gesamten Business.

Nicht den Kopf in den Sand stecken

Erst einmal abwarten und weiterzumachen ist die unmittelbare Reaktion der meisten Teams, denn die Situation „ist selten und wird verschwinden“. Allerdings kann die Entscheidung, nur einen Teil des Teams mit den üblichen Projekten fortfahren zu lassen, ein Fehler sein. Immerhin soll die Situation nicht zu besagtem Vogel-Strauß-Algorithmus werden. Statt also das betreffende Problem zu leugnen und einfach fortzufahren wie bisher, sollte man sich fragen, welche Unternehmensbereiche, jetzt mehr denn je benötigt und ausgebaut werden sollten. Beispielsweise die Nutzung digitaler Plattformen, die in den vergangenen Monaten häufig erst einmal in Unternehmen eingeführt und Mitarbeitern sowie Nutzern näher gebracht werden mussten. Auch wir haben nach einer Verhaltensanalyse unserer Nutzer bemerkt, dass wir bestehende Prozesse anpassen und unsere Plattform auf die Bedürfnisse unserer Nutzer anpassen müssen. So haben wir mehr Zeit in neue Formate, wie beispielsweise Videocalls mit unseren Mietern, investiert. Die zu beantwortende Schlüsselfrage, die bleibt, ist: Welche Nutzer werden nach der Krise welche Funktionen am meisten benötigen?

Nicht an alten Entscheidungen hängen

Die aktuelle Situation als „new normal“ anzunehmen, fällt am schwersten. Denn dazu müssen alle vorgefassten Meinungen aus der Zeit vor COVID-19 losgelassen und es muss sich auf eine neue Realität konzentriert werden. Wird ein langfristiges Projekt geplant, denkt man in der Regel im Voraus an potenzielle Probleme, technologische Veränderungen, neue Anforderungen, andere Richtlinien, Funktionen etc. Dies führt zu Planungen, die kurzfristig nicht optimal, langfristig gesehen aber zuverlässig sind. Dasselbe Prinzip muss auch in der aktuellen Situation angewandt werden: Was hilft jetzt am meisten und ergibt in einer Welt nach der Krise noch immer Sinn?

Nicht umsonst steht als letzter Schritt an, Entscheidungen zurückzunehmen. Es ist an der Zeit, sogenannte versunkene Kosten – also Kosten, die aus unvorhersehbaren Umständen entstehen und nicht rückgängig gemacht werden können – als solche anzunehmen. Tatsache ist, man wird viele geplante Projekte auf Eis legen oder ganz aufgeben müssen. Hilfreich dabei kann die Frage sein „Würde man jemals zu diesem Projekt zurückkehren?“ Häufig lautet die Antwort „wenn die Dinge wieder normal sind“ – das sagt schon alles. Denn es ist unglaublich schwierig vorherzusagen, wann für Unternehmen und Verbraucher wieder Normalität einkehren und wie diese aussehen wird.

Neue Möglichkeiten nutzen

Die globale Pandemie hat ein Vorher und Nachher in unserem Leben markiert, zweifellos waren wir auf diese Situation nicht vorbereitet. Aber sie hat uns auch ermöglicht,  Learnings zu generieren, um voranzukommen und die Dinge zukünftig zu verbessern. Eine der offensichtlichsten und unmittelbarsten Lehren aus dieser Krise war, dass wir auch von zu Hause aus Werte schaffen können. Die Arbeit im Homeoffice war bereits vor der Coronakrise ein wachsender Trend und wurde von den Arbeitnehmern zunehmend gefordert. Dennoch gab es viele Unternehmen, die dem gegenüber noch skeptisch waren. Die letzten Monate haben aber viele Vorteile und ein großes Potenzial von Remote Work aufgezeigt: Es ermöglicht, uns noch besser zu vernetzen und ein globales Bewusstsein zu erlangen, das von Neugierde geschürt ist und eine sehr menschliche Sehnsucht erzeugt hat: das Bedürfnis zu erforschen. Dieser Trend steht in perfektem Zusammenhang mit der Lebensweise der Digital Nomads – eine neue Ära an Arbeitnehmern, die mit der Digitalisierung aufgewachsen sind und von überall auf der Welt mit lediglich einem Internetanschluss arbeiten können. Eine Generation von Arbeitnehmern, die selbstverständlich mit digitalen Tools und Social Media in ihrem Alltag agieren und kommunizieren.

Wie wichtig den Menschen der Austausch miteinander ist, hat sich auch während des coronabedingten Lockdowns bzw. wäjhrend der Kontaktbeschränkungen bemerkbar gemacht. Das wird allein am boomenden Kanal TikTok deutlich. Bei allen negativen Effekten bot der Lockdown auch das Potenzial, die eigene Gemeinschaft zu stärken. Wie nutzt man diese Chance als Unternehmer*in? Indem man sich auf gemeinsame Erfahrungen konzentriert. Besonders in Krisenzeiten ist es wichtig, Ressourcen in Projekte zu stecken, die zu einer engeren Bindung des Teams beitragen. Je nach Branche kann das Ermöglichen gemeinsamer Erfahrungen sehr unterschiedlich aussehen. Wichtig dabei ist aber immer, dass die Initiative vom Unternehmen ausgeht, um die Community zusammenzubringen.

Eigenes Unternehmen als Mittelpunkt

Kann diese Erkenntnis auch dabei helfen, das eigene Unternehmen wieder zum Mittelpunkt der Aufmerksamkeit machen? Wie kommt das Business in herausfordernden Zeiten wieder in Schwung? Auch, wenn es grundlegend klingt: Vor allem sollte man sich auf den Zweck des eigenen Unternehmens besinnen und überlegen, wie man Kräfte wieder mobilisieren kann, um dem nachzukommen. Ein (erzwungener) Kurswechsel bedeutet Herausforderungen, aber eben auch Chancen. Wie kann man diese Chancen nutzen? Je nach Geschäftsmodell zum Beispiel, indem man sich die Bedürfnisse der Menschen, wie das Verlangen nach gemeinsamen Erlebnissen und Gemeinschaft, zunutze macht. Wer das ursprüngliche Ziel in den Mittelpunkt stellt, kann viel eher neue Lösungen und Produkte entwickeln, die das eigene Start-up nach vorn bringen.

Eine derartige Umstrukturierung erfordert eine völlige Umstellung der Denkweise. Um in Krisenzeiten als Unternehmen zu überleben und voranzukommen, muss man jedoch Herausforderungen annehmen und Chancen erkennen. Wer sich im Kern darauf konzentriert, was in der gegebenen Situation getan werden kann, kann Mutlosigkeit und Resignation überwinden und neue Möglichkeiten entstehen lassen.

 

Quellen und Referenzen:

[1] Peter Thiel, „From Zero to One“

 

ist Badis VP of Engineering und leitet ein Team, das benutzerzentrierte Funktionen für Badis Plattform entwickelt.

Um einen Kommentar zu hinterlassen müssen sie Autor sein, oder mit Ihrem LinkedIn Account eingeloggt sein.

21700

share

Artikel teilen

Top Artikel

Ähnliche Artikel