Einladung zum Interview – und jetzt?

Von   Dr. Lothar Borrmann   |  Senior Advisor   |  Talents4Future
16. Juni 2020

Mein Gott war ich nervös bei meinem ersten Job-Interview! Eigentlich ohne Grund, denn ich war qualifiziert und der Markt war auf der Seite der Kandidaten, weil die Industrie damals händeringend nach Ingenieuren suchte. Vermutlich hatte ich einfach zu viele Ratgeber gelesen, zu viele Do’s and Dont’s verinnerlicht. Dann hat man Angst, etwas falsch zu machen.
Inzwischen habe ich – auf der anderen Seite, als Manager in einem Großkonzern – Hunderte von Bewerbern und Bewerberinnen interviewt und möchte einige Erfahrungen mit Ihnen teilen.

Interview-Ratgeber gibt es ja viele und ich finde, dass die oft von falschen Prämissen ausgehen. Da ist der Bewerber der Bittsteller, der alles tun muss, um dem „Personaler“ zu gefallen, eine sehr asymmetrische Situation. Wenn Sie sich mit einem Abschluss in Informatik auf eine Stelle bewerben, die Talents4Future Ihnen empfohlen hat, dann ist das anders. Dann hat die Wirtschaft einen Bedarf und Sie haben ein Angebot, das diesen Bedarf decken kann. Sie sind mit dem Interviewer auf Augenhöhe. Also kein Anlass für Nervosität!

Tipp 1: Wer aber dennoch zu Nervosität und Lampenfieber neigt, dem empfehle ich Übung. Nicht mit Eltern, Freunden und Partner, sondern echt. Bewerben Sie sich zunächst einmal auf ein, zwei Stellen, die nicht Ihr Traumjob sind. Spätestens ab dem dritten Interview kehrt Routine ein.

Tipp 2: Requirements – Wie oben erklärt geht es beim Interview ja um einen Abgleich, ob Bewerber und Anbieter zusammenpassen, ob der Kandidat die Anforderungen der Stelle abdeckt, und ob die Stelle auch den Bewerber glücklich macht. Während die Anforderungen der Stelle zumindest grob im Angebot beschrieben sind, sind sich viele Bewerber erfahrungsgemäß gar nicht im Klaren, was ihre Entscheidungskriterien sind, wenn sie mehrere Angebote bekommen. Gehalt? Prestige? Coolness? Karriere? Job-Sicherheit? Machen Sie sich bitte vor dem Gespräch klar, was Sie antreibt, was Ihr Traumjob ist! Dann können Sie die richtigen Fragen stellen und die richtige Entscheidung treffen.

Tipp 3: Marketing – Wenn ein neues Waschmittel auf den Markt gebracht werden soll, dann hat der Anbieter vorher den Markt analysiert. Das können Sie auch, und Sie sollten es tun. Nutzen Sie also alle Quellen, um Informationen über die Stelle, die Firma, Ihre Gesprächspartner, den Führungsstil etc. zu sammeln. Nutzen Sie persönliche Kontakte, falls vorhanden, aber natürlich auch Talents4Future, das Internet, und auch Börsennachrichten. Sie möchten ja nicht, dass Sie wegen Insolvenz den neuen Job gleich wieder verlieren! Und die Vorbereitung hilft Ihnen, ein qualifiziertes Gespräch mit dem Interviewer zu führen.

Tipp 4: Verkaufsgespräch – Das eigentliche Interview ist eines, und zwar für beide Seiten. Der Anbieter wird die angebotene Stelle ins rechte Licht setzen, und der Bewerber seine Stärken und seine Eignung für die Aufgabe. Wenn Sie Tipps 2 und 3 befolgt haben, dann wissen Sie vermutlich schnell, ob Sie auf die Stelle passen. Dann können Sie einschätzen, welche Ihrer Stärken, Skills, Erfahrungen für die jeweilige Stelle entscheidend sein können.
Meist werden Sie um eine kurze Zusammenfassung Ihres Werdegangs gebeten. Legen Sie dabei den Schwerpunkt auf diese spezifischen Stärken! Das können konkrete Projekterfahrungen sein, aber manchmal auch scheinbar Nebensächliches. Lernen Sie keinen Text auswendig; die Selbstdarstellung könnte für jede Stelle unterschiedlich ausfallen.
Aber auch wenn Sie Ihre Stärken im schönsten Licht präsentieren dürfen und sollten, bleiben Sie bei den Fakten: Ein Job, der Sie überfordert, oder der nicht zu Ihnen passt, schadet Ihrer Karriere mehr als er nützt.

Tipp 5: Feedback – Beide Seiten sind interessiert, welchen Eindruck der jeweils andere hat, ob er sich für einen Abschluss entscheiden wird oder dagegen. Während die Interviewer meist aus juristischen Gründen mit ihrem Feedback sehr zurückhaltend sein müssen, empfehle ich Ihnen als Bewerber, deutliche Signale zu senden. Das muss keine schnelle Zusage sein; interessierte Rückfragen, leuchtende Augen, eine offene Körpersprache signalisieren Interesse und Begeisterung. Und die Wirtschaft weiß, dass begeisterte Mitarbeiter in der Regel auch die besten Mitarbeiter sind. Das steigert Ihre Aussichten auf ein Angebot.

Tipp 6: Es wird viel über Dresscode geschrieben und anderswo finden Sie detaillierte Vorgaben zur Kleiderordnung, bis hin zu der Empfehlung, nicht in den viel geschmähten weißen Socken zum Interview zu gehen. Nun, ich habe nicht auf die Socken der Bewerber geschaut. Ich habe Bewerber getroffen – und eingestellt, die in Anzug und Krawatte kamen, und solche, die in Sneakers und T-Shirt kamen. Also nicht überbewerten! Falls Sie mit ihrem Dresscode nicht gerade ein Signal setzen wollen, empfehle ich für Informatiker „Business Casual“. Wie das aussieht: Jede Suchmaschine hilft!

Tipp 7: Manchmal kamen Bewerber auch keuchend und verschwitzt in mein Büro. Vielleicht, weil es einen Stau gab, sie dann trotzdem pünktlich sein wollten und den Weg vom Parkplatz im Laufschritt absolviert haben. Ja, Pünktlichkeit zählt und Zuspätkommen kann dicke Minuspunkte geben. Aber deswegen: Zeitreserven einplanen und entspannt bleiben. Vor Ort dann lieber noch einen Spaziergang machen.

Diese sieben Tipps sollen an dieser Stelle genügen. Wir wollten ja nicht zu viele Do’s and Dont’s auflisten. Nur noch: Seien Sie Sie selbst – Sie möchten doch so wertgeschätzt werden, wie Sie wirklich sind.

Ich wünsche Ihnen viel Erfolg beim Interview!

Dr. Lothar Borrmann war bis 2019 in der Siemens AG weltweit für Innovation im Bereich Software- und Systemtechnik verantwortlich. Er unterstützt derzeit die LMU als unabhängiger Berater bei der Nutzung digitaler Technologien.

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