Die drei Ausprägungen des IoT und was wir dafür tun können, dass unsere digitale Zukunft eine gute Zukunft wird

Von   Harald A. Summa   |  Geschäftsführer   |  eco e.V.
19. Februar 2018

Das Internet of Things gibt es, Stand heute, in drei Ausprägungen: Smart Home, Smart World und Industrial IoT. Die drei Bereiche sind unterschiedlich weit entwickelt und auch die Prognosen decken sich nicht vollständig – daher lohnt sich ein Blick auf die Details. Die entscheidende Frage, die sich danach stellt, ist jedoch immer die gleiche: Was können wir dafür tun, dass das Internet of Things – und damit unsere digitale Zukunft – gut wird?
„Das Tempo des Wandels war noch nie so schnell und wird nie mehr so langsam sein wie heute.“ So hat es Justin Trudeau, der Premierminister Kanadas auf dem World Economic Forum in Davos formuliert. Besser kann man nicht ausdrücken, was die steil ansteigenden, teilweise exponentiell verlaufenden Kurven bedeuten, die für uns Tecchies zum Alltag gehören. Trudeau diktierte der versammelten Elite auch, wie wir mit diesen „enormen Chancen“ und dem „riesigen Potenzial“, wie wir mit den „Verheißungen“ auf ein „besseres Leben, Innovationen, bemerkenswerte Produkte“ umgehen sollten: „Wir müssen diesen Wandel annehmen und vorantreiben. Jeder einzelne von uns.“

Um den Wandel anzunehmen, muss man ihn erst einmal verstehen. Für das IoT hat eco – Verband der Internetwirtschaft e.V. daher gemeinsam mit Arthur D. Little detaillierte Studien und Analysen vorgelegt über die Bereiche Smart Home[1], Smart City[2] und Industrial IoT[3], jeweils für den deutschen Markt. Hier die wichtigsten Fakten:

Smart Home: Die ersten Erfahrungen und die größten Bedenken

Smart Home ist bereits ein umkämpfter Markt. Die Studie erwartet, dass der Markt in den nächsten Jahren jährlich weiter stark wächst, und zwar um knapp 27 Prozent pro Jahr. 2022 kann der Markt für Smart Home-Lösungen in Deutschland bereits 4,3 Milliarden Euro erreichen.

Im Smart Home geht es im wesentlichen um die Frage: Wie können wir effizienter und komfortabler wohnen? Im Kern stehen Herausforderungen wie steigende Energiepreise, mangelnde Zeit für Hausarbeiten, Sicherheit und der Anstieg von Pflegebedürftigen. Viele der damit verbundenen Aufgaben können wir mit einem vernetzten Zuhause effizienter und zuverlässiger lösen.

Das Smart Home ist nicht nur für IT-Unternehmen ein wichtiger Markt, ein wirklich sinnvoll vernetztes Zuhause ist ein Ökosystem, das neben Telekommunikationsdienstleistern auch Versorger, Handwerker und Haushaltsgerätehersteller, Logistiker und Lebensmittellieferanten umfasst. Diese Akteure lassen sich in sechs Segmente einteilen: Energiemanagement, Licht- und Fenstersteuerung, Sicherheit und Zugangskontrolle, Unterhaltung, Haushaltsgeräte sowie Gesundheit und betreutes Wohnen.

Aus Sicht der Bewohner eines Smart Homes ist angesichts dieser Vielfalt klar: Wirklich sinnvoll sind die vielen verschiedenen Lösungen nur dann, wenn sie alle miteinander über eine einzige, zentrale Steuereinheit bedient werden können. Ein Beispiel für ein sogenanntes offenes System ist ein smartes System von Überwachungskameras, welches bei Betreten der Wohnung nicht nur per Gesichtserkennung registriert, wer im Haus ist, und das Abschalten der Alarmanlage auslöst, sondern die Tür automatisch entriegelt, das Entertainment-System aktiviert und die Lichter im Eingangs- und Wohnbereich einschaltet.

Smart City: Nachhaltig und ganzheitlich Leben in der Stadt

Deutsche Städte haben bereits damit begonnen, nachhaltige und ganzheitliche smarte Stadtkonzepte zu entwickeln. Die Studie schätzt, dass der zugehörige Markt pro Jahr um mehr als 16 Prozent zulegt und 2022 43,8 Milliarden Euro erreicht.

Die größten Versprechen der Smart City ergeben sich aus den größten Problemen, die das Leben in der Stadt mit sich bringt: Verkehrschaos, zunehmende Verschmutzung und Probleme bei der Altersversorgung, effiziente Versorgung mit essentiellen Gütern wie Energie und Nahrung und natürlich auch das Thema Sicherheit.

Genau wie im Smart Home ist auch die Smart City nur denkbar als Ökosystem. Allerdings ist hier die Vielzahl und Unterschiedlichkeit der Akteure noch größer. Zehn verschiedene Segmente nennt die Studie: Transport und Logistik, Kommunikationsdienste und Netzwerksicherheit, physische Sicherheit, Gebäudeautomatisierung, Gesundheitswesen, Energie, Tourismus und Einzelhandel, Bildung, Finanzdienstleistung sowie öffentliche Verwaltung.

Lösungen im Bereich Smart City sind auf den ersten Blick weniger abhängig von der Akzeptanz von Endkunden, die einzelnen Bewohner stehen dennoch im Vordergrund. Ein Musterbeispiel ist Dubai, eine Stadt, die bereits mehr als 1.000 verschiedene Smart-City-Dienstleistungen aus den unterschiedlichsten Segmenten anbietet und dabei auf ein offenes und segmentübergreifendes Plattformkonzept setzt. Die Verbesserungen spielen sich nicht nur im Hintergrund ab, sondern sind durchaus im Alltag spürbar, beispielweise beim Verkehrsfluss und den CO2-Emissionen.

Industrial IoT: Vorzeigestandort Deutschland

Die Zahlen im Bereich Industrial IoT sehen auf den ersten Blick gar nicht so viel anders aus bei Smart Home und Smart City. Die Studie rechnet mit etwa 19 Prozent jährlichem Wachstum und einem Volumen von 16,8 Milliarden Euro im Jahr 2022. Dennoch unterscheidet sich Industrial IoT deutlich von Smart Home und Smart City. Der Standort Deutschland ist hier im internationalen Vergleich deutlich besser positioniert.

Effizienzsteigerung und Automatisierung: Das sind die beiden großen Ziele, die in der Regel mit Industrial IoT-Projekten verwirklicht werden sollen. Wie weit Unternehmen auf diesem Weg fortgeschritten sind, lässt sich besonders gut an einer Kennzahl ablesen: der Roboterdichte.

Die deutsche Industrie profitiert im Bereich Industrial IoT von ihrem Innovationsgeist und ihrem im internationalen Vergleich höheren Automatisierungsgrad. Hier ist Deutschland neben den asiatischen Industrienationen (Südkorea, Japan) führend. Während die Roboterdichte pro Industriebeschäftigten weltweit bei knapp 70 pro 10.000 Beschäftigte liegt, ist Deutschland mit rund 300 Robotern pro 10.000 Beschäftigte unter den Top 5 Nationen weltweit.

Genau wie in den Bereichen Smart Home und Smart City ist auch im Industrial IoT die Vernetzung, also die Ausbildung von Ökosystemen entscheidend. Hier zeigt sich auch, wo noch Potenzial liegt: Denn die meisten derzeit verwendeten Industrial IoT-Lösungen stehen noch weitgehend für sich allein. Ganzheitliche Projekte, welche idealerweise die gesamte Supply Chain umfassen, sind das Ziel, derzeit aber noch die große Ausnahme.

Sieben Segmente benennt die Studie: Automobil, Maschinenbau, Elektro und Elektronik, Metall, anderes verarbeitendes Gewerbe, Versorger sowie Bau-, Land- und Forstwirtschaft.

Was können wir tun, dass unsere digitale Zukunft eine gute Zukunft wird?

Smart Home, Smart City und Industrial IoT: In allen drei Bereichen steckt ein enormes Potenzial und in allen drei Bereichen sind es ähnliche Faktoren, die über den Erfolg entscheiden. Einer der wichtigsten, der vielleicht wichtigste ist die Frage, ob uns die Vernetzung gelingt. Nicht Einzellösungen gehört die Zukunft, sondern Ökosystemen. Offene Schnittstellen, gemeinsame Standards, zentralisierte Bedienung, einheitliche Benutzerführung, Kooperation statt Konkurrenz: Das sind die Faktoren, auf die es im IoT ankommt.

Wir sollten das volle Potenzial nutzen: Nicht nur von IoT – sondern der Digitalisierung insgesamt; nicht nur für die Wirtschaft – sondern für die Gesellschaft insgesamt. Wollen wir das schaffen, müssen wir noch an unserer digitalen Kompetenz arbeiten. Digitale Kompetenz ist nicht ausschließlich technischer Natur. Sie beginnt in unseren Köpfen und hat viel zu tun mit Eigenschaften wie Zuversicht, Voraussicht und Souveränität. Sie hat zu tun mit dem Willen, sich auf den Wandel einzulassen und die Zukunft zu gestalten.

Im Smart Home, in der Smart City und im Industrial IoT heißt das: Über Grenzen hinweg denken, vor allem die im eigenen Unternehmen. Kompetenzen bündeln. Gemeinsame Standards schaffen, auch und gerade beim Datenschutz und der Transparenz. Auf die Kunden hören und das nicht erst, wenn das Produkt ausgeliefert ist, sondern schon beim Design. Die richtige Balance finden zwischen Kontrolle und Offenheit. Darauf vertrauen, dass alle Beteiligten besser fahren, wenn sie gemeinsam fahren. Kurz: Sich auf das digitale Ökosystem einlassen.

Justin Trudeau hat in seiner Rede auch über die Angst vor dem Wandel gesprochen und die Verantwortung der Politik betont: Für manche Leute sei „Technologie vielleicht ein Vorteil im Privatleben, aber eine Bedrohung für ihren Arbeitsplatz.“ Diese Angst müsse man erst nehmen und viele Politiker müssten noch umdenken. Mehr in zukunfts- und tragfähige Konzepte investieren.

Als Vertreter der Industrie freue ich mich über derartige Einsicht und Entschlossenheit. Was das IoT angeht, kann ich sagen: Hier zeigt sich, dass der Wandel – langfristig und global betrachtet – mehr Sicherheit und Wohlstand bringen kann. Oder wie es Lars Riegel, Principal von Arthur D. Little, formuliert: „Wenn man die globale Perspektive einnimmt, so ist gerade eine Führungsposition im Industrial IoT langfristig ein Garant von Arbeitsplätzen, denn die zunehmende Automatisierung führt zu einer Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen im globalen Umfeld.“

Klingt wie eine große Aufgabe? Ist es auch. Ob uns der digitale Wandel am Ende wirklich gelingt? Ist noch nicht entschieden. Aber immerhin haben wir es selbst in der Hand.

[1] „Der deutsche Smart-Home-Markt 2017-2022. Zahlen und Fakten“

[2] „Der deutsche Smart-City-Markt 2017-2011. Zahlen und Fakten“

[3] „Der deutsche Industrial-IoT-Markt 2017-2022. Zahlen und Fakten“

Harald A. Summa ist Gründer und Geschäftsführer von eco – Verband der Internetwirtschaft e. V. (https://www.eco.de) Der gelernte Betriebswirt ist zudem Geschäftsführer der DE-CIX Management GmbH, dem Betreiber des weltweit größten Internetknotens. Summa ist Mitgründer der European Internet Services Providers Association EuroISPA und berät Wirtschaft und Politik in Gremien wie dem Beirat „Junge Digitale Wirtschaft“ des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie und dem „Beirat Digitale Wirtschaft NRW“. Mehr Texte von Harald A. Summa finden Sie unter http://harald-a-summa.de.

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