Blockchain als Schlüsseltechnologie für das Internet der Dinge?

Von   Dr. Stefan Hopf   |  Senior Consultant   |  Nunatak Group
18. Juli 2017

Blockchain-Technologie wird inzwischen in zahlreichen Branchen pilotiert und teilweise bereits produktiv eingesetzt. Konsortien in der Finanzbranche haben sich zum Ziel gesetzt, jahrzehntealte Technologie durch Blockchain-basierte Infrastruktur zu ersetzen und damit Finanztransaktionen schneller, effizienter und kostengünstiger abzuwickeln.
Durch ihre Abhängigkeit von bisherigen Strukturen (u.a. existierende Technologien, Prozesse, regulatorische Rahmenbedingungen) werden in diesen Initiativen vor allem sogenannte „Brownfield-Projekte“ verfolgt, die einen hohen Abstimmungsaufwand erfordern und komplizierte Abhängigkeiten berücksichtigen müssen.

Blockchain und das Internet der Dinge

Das Internet der Dinge dagegen stellt ein neues Anwendungsfeld dar, das als sogenanntes „Greenfield“ bisher kaum etablierte Technologien und Standards aufweist. So prognostiziert Gartner, dass bis zum Jahr 2020 über 20 Milliarden Gegenstände mit Konnektivität ausgestattet sein werden und daraus ein Markt von drei Billionen US-Dollar entstehen wird. [1] Blockchain-Technologie und das Internet der Dinge sind dabei hochgradig komplementär. Warum?

Das Internet der Dinge führt zunehmend zu einer Verschmelzung der physischen und virtuellen Welt. Physische Gegenstände erhalten damit ein virtuelles Abbild, das gesichert und durch Verfügungsrechte zugänglich gemacht wird. Um die Rechte der Beteiligten zu wahren sind aufwändige Sicherheitslösungen sowie die Einschaltung vertrauenswürdiger Dritter erforderlich, z.B. in Form eines zentralen Rechtemanagements und spezialisierter Sicherheits- und Vertrauensdienstleister. Diese zentralisierten Ansätze werden insbesondere im Internet der Dinge zunehmend als limitierendes Problem erkannt. Viele der möglichen innovativen Produkte und Geschäftsmodelle benötigen, wenn sie gelingen sollen, autonom abwickelbare, nahtlose und dynamische Transaktionen zwischen heterogenen Partnern in Echtzeit und teilweise in sehr feiner Granularität. Man denke insbesondere an Machine-to-Machine (M2M) Kommunikation, wie sie etwa für autonomes Fahren, Smart Grids oder vernetzte Industrie-4.0-Applikationen erforderlich ist.

Die noch junge Blockchain-Technologie scheint hier einen Lösungsansatz zu bieten. Eine Blockchain erlaubt es, Gegenstände in einem globalen Netzwerk zu registrieren und genau zu verfolgen, wer welche Verfügungsrechte an einem Gegenstand besitzt. Interaktionen erfolgen dabei direkt zwischen den Beteiligten (Peer-to-Peer), ohne eine zentrale Instanz einschalten zu müssen. Diese aus der Theorie des verteilten Rechnens auf Computern sowie aus der Kryptographie hervorgegangene Technologie erzeugt ein Vertrauensnetzwerk, in dem nur der rechtmäßige Eigentümer u.a. Rechte an Gegenständen weitergeben und nur der berechtigte Adressat sie in Empfang nehmen kann; ein Gegenstand und zugehörige Verfügungsrechte existieren nur einmal (sind also nicht duplizierbar), die getätigten Transaktionen und die aktuelle Eigentümersituation sind von Jedermann jederzeit transparent überprüfbar. [2]

Für zahlreiche Anwendungen im Internet der Dinge könnte Blockchain damit eine Schlüsseltechnologie darstellen:

  • Industrielle Produktion: Bereitstellung von Informationen über den gesamten Produktlebenszyklus hinweg (u.a. Produktentwicklung, Produktion, Wartung) zur Optimierung von Just-in-Time Supply-Chain Prozessen und einer Auslastung von Fertigungskapazitäten
  • Smart Grids: Management von Peer-to-Peer Energiehandel und Organisation dezentraler erneuerbarer Energiequellen in Microgrids
  • Vernetzte Mobilitätslösungen: Austausch von individuellen Bewegungsdaten und Bereitstellung sicherer Vehicle-to-Vehicle Kommunikation und Transaktionen für nahtlose Mobilitätsdienstleistungen
  • Smart Home: Informationsaustausch und Management von vernetzten Gegenständen zur Automatisierung von übergreifenden Smart-Home-Anwendungen (z.B. Energiemanagement)
  • Einzelhandel: Individuelle Bereitstellung von persönlichen Produktpräferenzen (z.B. Farben und Größen) zur Optimierung des Beratungsangebots, der Kundeninteraktion und weiterer Dienstleistungen (z.B. elektronischer Self-Checkout)

Herausforderungen

Trotz offensichtlicher Vorteile von Blockchain-Technologie existieren auch einige zentrale Herausforderungen. So erfordern viele Anwendungen im Internet der Dinge einen hohen Transaktionsdurchsatz nahezu in Echtzeit. Die Bitcoin-Blockchain dagegen verarbeitet aktuell nur ca. sieben Transaktionen pro Sekunde mit einer bis zu 60-minütigen Wartezeit zur sicheren Bestätigung einer Transaktion. Rechenintensive Kryptographieverfahren verursachen zudem einen hohen Energieaufwand, der eine nachhaltige Skalierung eines öffentlich zugänglichen Blockchain-Netzwerks erschwert.

Für viele Anwendungen im Internet der Dinge ist zudem die Gewährleistung der Privatssphäre von Nutzern (Personen oder Gegenstände) unbedingt notwendig – eine Anforderung, die bisher nur wenige Blockchains erfüllen. Zudem gestaltet sich eine Community-basierte Governance von Blockchain-Protokollen nach wie vor kompliziert, wie die aktuelle Diskussion zur Anpassung der Transaktionskapazität der Bitcoin Blockchain aufzeigt. Um die Anforderung des Internet der Dinge zu erfüllen, müssen ggf. eigens dafür entwickelte Blockchain-Protokolle entstehen (z.B. IOTA). Bis diese reibungslos funktionieren, steht noch ein ganzes Stück Arbeit bevor.

Referenzen:

[1] http://www.gartner.com/newsroom/id/3598917

[2] https://dealbook.nytimes.com/2014/01/21/why-bitcoin-matters/

Dr. Stefan Hopf ist Senior Consultant bei The Nunatak Group. Zuvor promovierte er an der Forschungsstelle für Information, Organisation und Management von Prof. Dr. Dres. h.c. Arnold Picot an der Ludwig-Maximilians-Universität und der UC Berkeley zum Thema „The Impact of Digitization“ und begleitete verschiedenen Praxisprojekte im Bereich der digitalen Transformation.

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