Erfolgsmodell statt Elektroschrott: 5 Designprinzipien für das Internet of Things

Von   Dr. Peter Klein   |  Head of Research & Innovation   |  User Interface Design GmbH
  Martina Uhlig   |  User Experience Consultant   |  User Interface Design GmbH
18. April 2018

Das Internet of Things (IoT) ist aus unserer Gesellschaft nicht mehr wegzudenken. Dennoch belegen aktuelle Umfragen, dass der Großteil der Nutzer IoT-Anwendungen bisher skeptisch gegenübersteht. [1] Das verwundert nicht, denn der IoT-Markt ist nach wie vor stark technologiegetrieben. Im Fokus stehen nicht etwa der Nutzer und sein Nutzungserlebnis, sondern die technische Machbarkeit.
Für Unternehmen birgt diese Marktlücke Chancen: Gelingt es ihnen mit sinnhaften IoT-Produkten positive Nutzungserlebnisse zu schaffen, sichern sie sich nachhaltige Wettbewerbsvorteile. Was simpel klingt, ist sehr anspruchsvoll. Wie anspruchsvoll zeigen viele gefloppten IoT-Beispiele wie etwa eine smarte Zahnbürste [2] oder der selbstkochende Toasterofen [3], die dank hippem Design oder hohem Kuriositätsgrad (bestenfalls) einen kurzen Hype erleben und dann in der Versenkung verschwinden. Ein Patentrezept dafür, wie man Kunden und Nutzer begeistert, gibt es nicht. Die erlebte Qualität und das Nutzungserlebnis (User Experience) entscheiden über den Erfolg. Dennoch lassen sich aus unserer Erfahrung fünf grundlegende Design-Prinzipien für nutzergerechte IoT-Lösungen ableiten.

Design-Prinzipien für IoT

Mehrwert schaffen

Das Auto per App öffnen? Für manche Autohersteller klingt das nach einer guten Idee. [4]; [5] So gibt es Apps, die den Fahrer in 13 Schritten zur offenen Autotür führen – obwohl es manuell weitaus schneller geht. Solche und ähnliche IoT-Fails haben eines gemeinsam: Sie bieten keine Vorteile, die sich dem Nutzer unmittelbar erschließen. Um langfristig erfolgreiche IoT-Produkte zu etablieren, reicht es nicht aus, Alltagsgegenstände bloß mit dem Internet zu verbinden. Wirklich interessant werden IoT-Devices erst, wenn sie Probleme lösen, die die Nutzer beschäftigen. Wer solchen Mehrwert generieren will, muss seine Nutzer gut kennen. Intensive Nutzerstudien (User Research) können helfen, relevante Nutzergruppen und deren Bedürfnisse zu identifizieren und herauszufinden, welche Features für sie relevant sind.

Aufs Wesentliche konzentrieren

Wesentliche Aufgabe von User-Experience-Designern ist es, Produkte zu entwickeln, die sich unkompliziert und schnell bedienen lassen ohne dem Nutzer auf die Nerven zu gehen. Das gelingt mithilfe von durchdachten, aufs Wesentliche reduzierten Bedienkonzepten und Design-Elementen. Die Devise „Less is more“ gilt dabei auch für den Funktionsumfang: Ein IoT-Gerät, das ein Nutzerproblem zuverlässig löst, ist besser als das hippste Gadget, dass viel verspricht und wenig hält.

Privatsphäre & Sicherheit hochhalten

Welche Daten speichert mein IoT-Gerät? Was passiert damit? Bin ich vor Hacker-Angriffen geschützt? Das Nutzungserlebnis von IoT-Geräten steht und fällt mit dem Sicherheitsempfinden. Dennoch endet die Nutzerfreundlichkeit vieler IoT-Geräte bei den Sicherheitseinstellungen, die häufig versteckt oder unverständlich sind. Nutzer möchten wissen, was mit ihren Daten passiert und wie sie darauf Einfluss nehmen können. Wer Sicherheit als Designaufgabe versteht und bei der Produktentwicklung konsequent in den Fokus rückt, kann das Vertrauen und die Akzeptanz seiner Nutzer gewinnen.

Nutzerinteraktion weiterentwickeln

So wie Touch-Screens vor einigen Jahren neue Bedienmetaphern wie beispielsweise Swipe, Tap oder Pinch eingeführt haben, verändern auch IoT-Devices die Interaktion mit digitalen Interfaces. Neue Bedienmetaphern können mit geltenden Konventionen brechen, dürfen die Interaktion aber nicht verkomplizieren, wie beispielsweise die oben erwähnte App zum Öffnen des Autos. Idealerweise knüpfen sie an vorhandene Denkmuster der Nutzer an und sind möglichst haptisch gestaltet. Ein aus UX-Sicht gutes Beispiel passend zur Türproblematik setzte Daimler bereits 2000 ein: Beim Berühren des Türgriffs kommuniziert das Auto mit dem Autoschlüssel. Ist dieser in unmittelbarer Nähe, geht die Tür auf.

Kontext einfließen lassen

Um sich nahtlos in das Leben der Nutzer einzufügen, muss auch der Kontext ins Nutzungserlebnis einfließen. Idealerweise erkennen IoT-Geräte äußere Umstände und Zusammenhänge und stellen sie dem Nutzer als konkretes Wissen zur Verfügung, das nicht erst noch interpretiert werden muss. So hilft einem ortsfremden Nutzer, der Entfernungen nicht einschätzen kann, die Information „Nach 600 m bitte in die Wilhelm-Bleyle-Straße einbiegen!“ nur bedingt weiter. Weitaus hilfreicher wäre die schlichte Anweisung: „An der nächsten Kreuzung bitte links abbiegen“.

Zusammenspiel von Technik und UX Design

Gerade das letzte Beispiel macht deutlich, dass Technik und Nutzungserlebnis Hand in Hand gehen müssen. Erst wenn technische Möglichkeiten auf sinnvolle Anwendungsszenarien treffen, entfaltet sich das volle Potenzial des Internet of Things. Statt pseudo-intelligenter „Datenspucker“, die den Nutzer mit Informationen überfrachten, braucht es smarte und lernfähige Devices, die Kontexte erfassen und den Nutzer durch bessere Informiertheit und nützliche Features befähigen.

Quellen und Verweise:
[1] https://www.jasper.com/resources/reports/iot-value-and-trust-survey?ecid=af_700000005
[2] https://www.watson.ch/Digital/Gadgets/909278645-21—smarte—Gadgets–die-endgueltig-beweisen–dass-wir-am-Verdummen-sind
[3] https://www.fastcodesign.com/3065667/this-1500-toaster-oven-is-everything-thats-wrong-with-silicon-valley-design
[4] https://www.engadget.com/2011/01/07/ford-tells-us-all-about-myford-mobile-for-smartphones/
[5] https://www.androidcentral.com/my-bmw-remote-app-unlocks-car-doors-starts-ac-and-more

Dr. Peter Klein ist Diplom-Informatiker und promovierter Informationswissenschaftler mit Spezialisierung auf Information Design und Visualisierung. Als Head of Research & Innovation bei der User Interface Design GmbH (UID) kümmert er sich um das gezielte Aufgreifen disruptiver Technologien und deren gestalterischen Transfer in nutzerzentrierte Produkt- und Prozessgestaltung. Dieses langjährige Interesse verwirklicht er zudem in Auftrags- und geförderten Forschungsprojekten, regelmäßigen Publikationen in der Design- und Forschungscommunity sowie in der Betreuung von Lehrveranstaltungen und Abschlussarbeiten.

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