Umzug auf offene Systeme – so werden Legacy Anwendungen fit für die digitale Geschäftswelt

Von   Thomas Hellweg   |  Vice President and Managing Director   |  TmaxSoft Deutschland GmbH
29. Januar 2018

Die Ausgaben für Betrieb, Wartung und Pflege von Hardware und Software nahmen in 2017 rund 47,3% der IT-Budgets von Unternehmen in Anspruch. Auf Platz zwei der größten Kostentreiber liegen Updates, Aktualisierungen und Erweiterungen mit 24,4 %. Für die Evaluierung (8,0%) und Umsetzung (13,5%) von Innovationen bleiben somit gemäß einer Capgemini-Studie[1] lediglich etwas mehr als 28% des IT-Investitionsvolumens übrig, was für die Umsetzung von Digitalisierungsinitiativen und IT-Innovationen nicht ausreicht. Neben der Bindung eines Großteils des IT-Budgets erweist sich der Betrieb von Legacy-Systemen aber auch strukturell als Bremsklotz für die Digitalisierung.
Ein typisches Beispiel für diese Legacy-Bremse sind die vielen, noch immer auf Mainframes laufenden Kernanwendungen. Obwohl gerne schon totgesagt, sind Mainframes nach wie vor bei zahlreichen großen und mittelständischen Unternehmen aus Finanz, Handel, Automobil oder anderen Branchen im Einsatz. Um die geschäftskritischen, jedoch teils stark betagten Legacy-Anwendungen für den digitalen Einsatz aufzurüsten, müssten sie unbedingt in eine moderne, offene Systemumgebung migriert werden. Diese Migration war jedoch bislang stets mit einem immensen Ressourcenaufwand und hohem Machbarkeits-Risiko verbunden – viele Migrationsprojekte wurden nach erheblicher Laufzeitüberschreitung von bis zu 10 Jahren erfolglos abgebrochen.

Trotz seiner unbestrittenen Zuverlässigkeit, Performance und Sicherheit zeigt sich der „IT-Dinosaurier“ Mainframe im Hinblick auf Digitalisierungsprojekte als dramatisch unflexibel. Steigende Betriebs- und Wartungskosten, veraltete Anwendungen und nicht zuletzt der zunehmende Fachkräftemangel an Mainframe-Spezialisten erhöhen den Druck auf IT-Verantwortliche, eine Alternative zu finden. Der Wechsel auf einen Software Defined Mainframe (SDM) ist ein neuer Weg, um die positiven Merkmale eines Mainframes mit der neuen offenen Systemwelt zu verbinden.

Software Defined Mainframe ebnet KELA den Weg zur Digitalisierung

Vor der Herausforderung, ihr Legacy-System für die geplanten Digitalisierungsinitiativen abzulösen stand auch Kela. Die staatliche Behörde in Finnland trägt die Verantwortung für die Zuteilung von Sozialversicherungsleistungen, einschließlich Renten, Kranken- und Wohngeld sowie Krankenversicherungen. Dazu verwaltet Kela rund 40 verschiedene Leistungszahlungen und zahlt jährlich rund 14 Milliarden Euro an finnische Staatsbürger aus.

Finnische Regierungsbehörden wie KELA setzen auf eine umfassende Modernisierung ihrer IT-Infrastruktur, um die Einführung digitaler Technologien zu beschleunigen
Finnische Regierungsbehörden wie KELA setzen auf eine umfassende Modernisierung ihrer IT-Infrastruktur, um die Einführung digitaler Technologien zu beschleunigen

Das Kernelement der IT-Infrastruktur bei Kela war seit Jahrzehnten sein Mainframe – einer der größten in ganz Skandinavien. Obwohl das System viele Jahre lang stabil lief, musste Kela feststellen, dass sich die Zukunftspläne der Organisation nicht mit dieser Infrastruktur umsetzen ließen. Zum einen wurde die Instandhaltung des Mainframes immer schwieriger und teurer, und zum zweiten behinderte er die Digitalisierungspläne.

Ein komplettes Re-Engineering der Applikationen für eine neue Umgebung stellte sich schnell als nicht praktikable Option heraus, denn die Programme und Datenbanken, die auf dem Mainframe liefen, umfassten weit über 10 Millionen Zeilen PL / 1-Code. Für diese Menge an Neu-Programmierung gab es nicht nur zu wenige Ressourcen bei Kela, es wäre laut IT-Chef Markku Suominen auch eine sehr demotivierende, nicht endende Aufgabe für jeden Programmierer gewesen. Nach einer ausgiebigen Recherche von Optionen entschied sich Kela in Zusammenarbeit mit dem lokalen Systemintegrator CGI für ein Rehosting seiner Programme und Datenbanken auf den Software Defined Mainframe OpenFrame von TmaxSoft.

Open Frame Anwendungsmodell
Open Frame Anwendungsmodell

Für Kela war es entscheidend, dass die CICS-Programme (Customer Information Control System), die hochvolumige Online-Transaktionen verarbeiten, reibungslos in die neue Umgebung verlagert wurden, sodass die finnischen Bürger weiterhin auf die Web Services von Kela und ihre Sozialleistungen zugreifen konnten.

Mit OpenFrame konnten die Programme und Datenbanken mithilfe eines mehrstufigen Ansatzes 1:1 in eine offene x86-Umgebung migriert werden. Der Software Defined Mainframe ermöglicht es, Programme von Mainframes in eine offene Systemumgebung, wie beispielsweise Linux / UNIX zu übertragen, ohne Anpassungen an den zugrunde liegenden Codes vornehmen zu müssen. Die Lösung bietet Web-Server, Web-Applikationsserver, Mainframe-Level-Sicherheitsfunktionen sowie Tools zur reibungslosen Datenmigration, die den Code automatisiert in eine für die neue Systemumgebung geeignete Sprache übersetzen.

Analyse-Tools identifizieren außerdem „toten“ oder fehlerhaften Code. Damit steigert die Lösung nicht nur die Flexibilität, um neue Online-Dienste zu ergänzen, sondern optimiert auch die Leistung vorhandener Programme. Ein Test-Tool stellt zudem sicher, dass Software und Anwendungen auch nach der Migration voll funktionsfähig sind.

Vorteile der Migration

Nach dem Umzug auf OpenFrame können die migrierten Anwendungen sowohl von Mainframe-Spezialisten als auch von Programmierern ohne Mainframe-Kenntnisse betreut und weiterentwickelt werden. Alle Dateien, Datenbanken, Transaktions-Monitoring und Job Entry Systeme können für Mainframe-Spezialisten exakt im Look & Feel ihrer gewohnten 3270 Interface dargestellt werden. Experten neuerer Programmiersprachen steht zusätzliche eine grafische Benutzeroberfläche zur Verfügung.  Damit verbindet die Lösung zwei Entwickler-Generationen, die nun gemeinsam an der Modernisierung der Unternehmensanwendungen arbeiten können und löst das Problem des Fachkräftemangels.

OFStudio - Programmierumgebung
OFStudio – Programmierumgebung.

Die auf Eclipse basierende Programmierumgebung von macht die Programmierung und Pflege des Codes besonders einfach und sorgt damit laut Kela für eine hohe Akzeptanz der Lösung.

Eines der wichtigsten Argumente für das Rehosting auf einen Software Defined Mainframe und eine offene X86-Plattform ist, dass dieser Ansatz mit weitaus geringeren Risiken und Kosten verbunden als die Alternativen – also ein komplettes Application Re-Engineering oder das Übersetzen von Programmen in andere Programmsprachen.

Auch der ROI ist beim Einsatz der SDM-Lösung wesentlich schneller erreicht als bei langwierigen, ressourcen- und kostenintensiven Re-Engineering-Projekten. Kela erwartet eine Kostensenkung von 8 Millionen Euro im Jahr auf 2 Millionen Euro. Die eingesparten Mittel können unter anderem zum Ausbau neuer digitaler Angebote und Services genutzt werden.

„Wir sind stolz darauf, stets den bestmöglichen Kundenservice zu bieten. Es war uns daher sehr wichtig, vorhandene Programme reibungslos auf OpenFrame zu übertragen – nicht nur um Geld für den Betrieb des Mainframe einzusparen, sondern weil es uns die Flexibilität gibt, modernste Online-Dienstleistungen für unsere Nutzer bereitzustellen“, so Markku Suominen, ICT Director bei Kela. „Wir wissen, dass unsere Benutzer in Zukunft immer stärker auf digitale Dienstleistungen zugreifen werden. OpenFrame gibt uns die Möglichkeit, sie auf diesem Weg der digitalen Transformation zu begleiten.”

1. Rehosting auf einen Software Defined Mainframe

Schritt 1: Ein Diagnose-Tool analysiert den gesamten Anwendungs-Quellcode und identifiziert dabei auch „toten“, inaktiven oder „missing“ Code. Bei totem Code können die Verantwortlichen entscheiden, ob dieser gelöscht werden kann. Das führt häufig zu einer deutlichen Verringerung des Quellcode-Footprint. (Bei GE Capital wurde der Code beispielsweise von 71 auf 16 Millionen Zeilen reduziert.)

Schritt 2: Migration auf einen Standard-Server. Im Idealfall übersetzen SDM Compiler-Tools automatisiert den Quellcode sodass er 1:1 übertragen werden kann. Das ist notwendig, denn der EBCDIC (Extended Binary Coded Decimal Interchange Code) einer Mainframe Quelle verwendet einen anderen Hexadezimalcode als ASCII (American Standard Code for Information Interchange).

Schritt 3: Funktionstests für notwendige Anpassungen und Systemjustierungen.
Aufgrund der vollständigen Migration von Programmcode und Geschäftslogik der Anwendung ist die Testphase meist erheblich kürzer ist als mit bisherigen Rehosting-Methoden.

Schritt 4: Übernahme des SDM in den Effektivbetrieb.

2. Anwenderbeispiel

Unternehmen:

KELA – staatlicher Dienstleister zuständig für die Auszahlung von Sozialleistungen

Herausforderung:

  • Hohe und weiter wachsende Kosten für den Mainframe-Betrieb
  • Mangel an Fachkräften für den Betreib und Entwicklungsaufgaben am Mainframe
  • Fehlende Flexibilität für notwendige Digitalisierungsinitiativen, um neue Applikationen zu Entwickeln und den Kundenservice zu verbessern

Lösung:

Rehosting auf Software Defined Mainframe OpenFrame von TmaxSoft

Ergebnis:

  • Reibungsloses 1:1 Rehosting auf eine flexible Plattform, ohne das Applikationen neue entwickelt oder angepasst werden müssen
  • Betriebskosten um rund 75 Prozent gesenkt
  • Ermöglicht Entwicklung neuer Anwendungen und Programme mit vorhandenem IT-Personal
  • Verbesserter Kundenservice und Kundenbindung

[1] http://www.searchenterprisesoftware.de/sonderbeitrag/IT-Budgets-2017-Deutsche-Unternehmen-rechnen-mit-hoeheren-IT-Ausgaben

Thomas Hellweg ist Vice President und Geschäftsführer des Enterprise Applications Anbieters TmaxSoft und verantwortet die Expansion des Unternehmens in Deutschland, Österreich sowie in der Schweiz und Luxemburg. Er verfügt über umfassende Erfahrung im Bereich relationaler Datenbank-Managementsysteme. Vor seiner Berufung zu TmaxSoft war Hellweg u.a. bei Oracle, IBM, Insight Technology und Microsoft tätig.

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