Industrial Internet of Things (IIoT): Darauf kommt es auf

Von   Andreas Odenkirchen   |  Technology Consulting Manager   |  PwC
21. Februar 2018

Bei den Konsumenten haben sich Geräte auf der Basis von Internet of Things (IoT)-Technologien schon etabliert: Sportbegeisterte setzen auf Fitness Tracker – kleine elektronische Geräte, die am Körper getragen werden und gesundheitsrelevante Daten aufzeichnen. Bei technikaffinen Menschen kommen Smart Watches zum Einsatz – schlaue Uhren, die nicht nur die Zeit, sondern viele weitere Informationen anzeigen. Und das ist erst der Anfang: Trends wie Smart Home und Connected Car stehen längst in den Startlöchern.
In der Industrie sind IoT-Technologien noch keine Selbstverständlichkeit. Die 2017 veröffentlichte Studie „Digital Factories 2020“ des Beratungsunternehmens PwC belegt: Erst rund ein Drittel der Industrie-Unternehmen nutzt digitale Technologien zur Konnektivität und Datenanalyse. In fünf Jahren wird dieser Anteil jedoch schon bei zwei Dritteln liegen. Neun von zehn Industrieunternehmen investieren in die Digitalisierung ihrer Werke. Das Industrial Internet of Things (IIoT) steht vor dem Durchbruch.

Der Kunde im Mittelpunkt

Industrielle Unternehmen aller Branchen – von der Fertigungs- und Prozessindustrie über den Energiesektor bis zur Logistikbrache – haben das riesige Potenzial erkannt und IoT in ihrer Strategie für die Digitalisierung und Industrie 4.0 verankert. Unternehmen konzentrieren sich vor allem auf die Vernetzung von Produktionsanlagen. So lassen sich die Produktionsprozesse auf der Basis von Daten optimieren oder Wartungsbedarfe vorhersagen.

Haupttreiber dieser Entwicklung ist zum einen der Kunde: Durch den Einsatz von digitalen Technologien können die Firmen schneller auf neue Kundenanforderungen reagieren. Zum anderen verbessert der Einsatz von IoT die Effizienz, da die Anlagen z.B. seltener still stehen und damit produktiver sind.

Es mangelt nicht an guten Ideen, sondern…

Mit den klassischen Anwendungsfällen für das IIoT sind die Unternehmen vertraut: Condition Monitoring – die Zustandsüberwachung von technischen Anlagen – oder Predictive Maintenance – die vorausschauenden Wartung – sind nur zwei Beispiele von vielen. Allerdings hapert es bei der Umsetzung. Firmen haben zuweilen Probleme, den konkreten Nutzen der Anwendungen zu bestimmen und eine solide Investitionsrechnung aufzustellen.

Sie beschränken sich zunächst auf Strategien und führen Machbarkeitsstudien oder Pilotprojekte durch. Das ist ein guter Weg, um sich der neuen Technologie zu nähern und das Potenzial besser zu verstehen. Denn viele Entscheider in der Industrie tun sich verständlicherweise schwer, größere Implementierungsprojekte für IIoT-Lösungen anzugehen.
Aktuell stehen viele Unternehmen vor zwei konkreten Herausforderungen: die Umsetzung von Data Analytics auf den IIoT-Daten, sowie die Auswahl der geeigneten IIoT-Plattform. Und so kann das erfolgreich gelingen:

1. Kein IIoT ohne Analytics

IIoT-Technologien dienen zunächst einmal nur der Anbindung von technischen Anlagen an das Internet. So lassen sich die Messwerte zentral verfügbar machen und sammeln. Sensoren messen Daten – etwa Schwingungen, Temperatur oder Stromaufnahme einer Anlage – und senden diese Informationen an eine Cloud-Plattform. Fehlt jedoch die tiefe Expertise im Datenmanagement und der Datenauswertung, liefern die gesammelten Daten kaum Mehrwert.

Das zeigt ein Beispiel: Die Zeitreihe eines Schwingungssensors wird an einer Produktionsmaschine visualisiert. Nur ein erfahrener Techniker kann daraus Rückschlüsse auf den Zustand der Anlage ziehen und einschätzen, ob die Maschine heruntergefahren und gewartet werden sollte. Um aus den Daten konkrete Handlungsempfehlungen abzuleiten, braucht es komplexe analytische Modelle.

Datenaufbereitung bindet Ressourcen

Dabei sollten Unternehmen die Ressourcen und Fähigkeiten für eine erfolgreiche Datenauswertung keinesfalls unterschätzen. Es ist sinnvoll, 60 Prozent des Zeitaufwands in einem Analytics-Projekt für die Datenaufbereitung einzuplanen.

Eine besondere Herausforderung ist das Labeling der Daten, also die Kennzeichnung, bzw. Klassifizierung von Datensätzen. Für Predictive Maintenance müssen z.B. die Zeitreihen vor einem Maschinenausfall besonders gekennzeichnet werden, sodass intelligente Algorithmen aus diesen Datensätzen Muster lernen können. Diese Muster dienen dann als Frühwarnindikatoren für zukünftige Maschinenausfälle.

Ein weiterer Aspekt, den Firmen häufig übersehen, ist der benötigte Datenumfang. Hier geht es nicht nur um die Menge an Messwerten eines Sensors, sondern auch um die Anzahl an beobachteten Events. Erreichen die Ereignisse – etwa der Ausfall einer Maschine – keine kritische Menge, lassen sich auch keine Machine-Learning-Algorithmen auf Basis der Daten trainieren.

2. IIoT-Plattformen – die Qual der Wahl

Aktuell diskutiert die Industrie zudem angeregt darüber, welche IIoT-Plattform am besten geeignet ist. Im Mittelpunkt dieser Diskussion stehen zwei Aspekte: Zum einen geht es um die IT-Architektur zur Anbindung von technischen Anlagen an Cloud-Plattformen. Zum anderen drehen sich die Überlegungen um die Auswahl der passenden Cloud-Plattform und -Anbieter.

Vielen Unternehmen fällt es schwer, die Unterschiede zwischen den vielen Anbietern zu erkennen und eine fundierte strategische Entscheidung zu treffen. Zumal die Tragweite der Entscheidung groß ist: Die IIoT-Plattform bildet die Basis, auf der digitale Lösungen aufbauen, die wiederum die Kernprozesse der Unternehmen nachhaltig verbessern und automatisieren sollen. Die IIoT-Plattform schafft zudem die Grundlage für ein digitales Ökosystem mit Lieferanten und Partnerunternehmen.

Die Anbieter von IIoT-Plattformen lassen sich vier Gruppen aufteilen:

  1. Klassische Softwareanbieter wie Microsoft, IBM oder SAP: Basierend auf Ihrer langjährigen Erfahrung in der Entwicklung von Software-Lösungen für Unternehmen haben sie ihre Cloud-Plattformen modular aufgebaut und nutzerfreundlich gestaltet. Sie bieten ein breites Portfolio an IoT- und Analytics-Software.
  2. Jüngere Technologie-Unternehmen wie Google oder Amazon: Sie spielen eine immer wichtigere Rolle im Enterprise-Software-Business und zählen zu den größten Anbietern von Cloud-Infrastruktur. Sie bieten zusätzlich aber auch eigene Software Services für IoT und Analytics in der Cloud.
  3. Industrielle Unternehmen wie GE, Siemens oder Bosch: Diese sind zum Beispiel mit speicherprogrammierbaren Steuerungen (SPS) stark in der Industrie verankert. Ihr Fokus liegt auf der Konnektivität von industriellen Maschinen zur Cloud. Sukzessive erweitern sie ihre Cloud Services aber auch um die Visualisierung und Analyse der Daten.
  4. Start-ups und IoT-Spezialanbieter: Sie besetzen Nischen und ergänzen das Angebot der drei anderen Anbietergruppen.

Die Wahl kann auch auf mehrere Anbieter fallen

Eine strukturierte Vorgehensweise hilft bei der Auswahl der passenden IIoT-Plattform: Anhand von einigen Anwendungsfällen lässt sich ein grobes Konzept entwickeln. Daraus können Unternehmen die Kernanforderungen ableiten. Auf dieser Basis können sie die Vor- und Nachteile der verschiedenen Anbieter besser identifizieren und bewerten.

Die gute Nachricht: Unternehmen müssen sich nicht auf einen einzigen IIoT-Anbieter festlegen. Denn Kooperationen zwischen den Anbietern sind mittlerweile eher die Regel als die Ausnahme. In den kommenden Jahren werden sich vermutlich zwei bis drei große IIoT-Plattformen durchsetzen. Und um diese herum wird sich ein Ökosystem aus Partnerunternehmen und Spezialanbietern bilden. Welche Plattformen sich letztlich durchsetzen werden, lässt sich aktuell jedoch noch nicht absehen.

Andreas Odenkirchen ist Manager bei PwC im Bereich Technology Consulting. Er ist Experte für Data & Analytics und unterstützt führende Industrieunternehmen bei der digitalen Transformation: Von der Entwicklung der Strategie bis zur Umsetzung.

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