Blockchain: Hype oder over-hyped?

Von   Maximilian Möhring   |  Geschäftsführer   |  Keyp GmbH
27. Juli 2017
Blockchain und Bitcoins sind Begriffe, die mehr und mehr in unseren Berufsalltag einziehen. Wir benutzen sie, aber wenn es dann einmal ins Detail geht, fällt vielen auf, dass noch kein klares Bild besteht, wie diese neue Technologie überhaupt funktioniert, oder wofür man sie einsetzen kann.
Aber ist es wirklich notwendig genau zu verstehen wie die Blockchain funktioniert? Wie viele Menschen verstehen das TCP/IP-Protokoll, welches die Grundlage des Internets darstellt – nutzen und verstehen das Web aber im Allgemeinen?Das Wesentliche ist hier also aus meiner Sicht wohl eher das „wofür“ als das „wie“ zu betrachten, was auch den Zugang zu diesem nicht unkomplizierten Thema maßgeblich erleichtert.
Bitcoins ist wohl das zentrale Thema, wenn man die Blockchain einleitend beschreiben will – zumindest gemessen an ihrer Medienpräsenz. Um die Abgrenzung zwischen Bitcoins und Blockchain zu vereinfachen lässt sich wieder das Internet als Vergleich heranziehen: So wie die E-Mail auf dem Internet läuft, läuft Bitcoin auf der Blockchain. Die Blockchain ist folglich die Technologie oder auch der technische Prozess der Kryptowährungen, wie bspw. Bitcoins, ermöglicht. Das Spannende und Wesentliche hierbei ist allerdings, dass die Blockchain eben nicht nur für Bitcoins oder andere Kryptowährungen, sondern deutlich universeller eingesetzt werden kann.
Sehr stark vereinfacht ist sie eine Technologie, welche via eines dezentralen Systems, die verifizierte und öffentlich aneinandergereihte Transaktionen durchführt. Im Falle von Kryptowährungen kann man sich einen Geldschein vorstellen, der von jedem, der ihn einmal in den Händen hielt, die persönliche Unterschrift mit dem Datum und Zeitpunkt, zudem er den Schein erhalten hat, bekommt. Die Unterschriften werden von einem dezentralen System von Computern auf ihre Echtheit überprüft. Dies passiert in einer Art technischem Wahlverfahren, welches die Verifikation bestätigt, sobald die einfache Mehrheit des Systems der Echtheit zustimmt. Dieser Verifikationsvorgang wird „Block“genannt und aufgrund des Zeitstempels bildet sich so eine chronologische Kette an Blöcken, zu Englisch: „Blockchain“ genannt.

Das Besondere hier ist zum einen die Transparenz – jeder kann sich diese Blockkette ansehen – und zum Anderen das Wegfallen einer zentralen Einheit – wie beispielsweise eine Bank – welche die Echtheit prüft. Dieser Ablauf ist relativ simpel und dadurch schnell und kostenarm. Transaktionen können mit einer wesentlich höheren Geschwindigkeit durchgeführt werden. Eine Bitcoin-Transaktion dauert beispielsweise knapp 10 Minuten, wohingegen eine Banküberweisung mindestens einen Werktag in Anspruch nimmt.

Bitcoins als digitale Währung verhält sie sich grundsätzlich gleich wie eine bestehende Währung. Der Geldschein kann als eine Art Wertversprechen zwischen zwei Parteien betrachtet werden: Du gibst mir eine Ware mit einem genauen Wert und ich gebe dir im Gegenzug diesen Wert in Form eines Bargeldscheins. Es besteht folglich ein Kaufvertrag zwischen zwei Parteien – eine Transaktion mit klar definiertem Rahmen. Da in der Blockchain verifizierte chronologisch aneinandergereihte Transaktionen gespeichert werden, ist nun der Gedanke nicht ganz fern, auch andere Transaktionen als digitales Geld darin abzubilden: bspw. einen klassischen Vertrag. Diese sogenannten „Smart Contracts“ sind im Endeffektnichts anderes als Vereinbarungen zwischen den Parteien, die für die automatisierte Ausführung in der Blockchain gespeichert werden. Genau wie bei der Transaktion von Zahlungsmitteln, können auch andere Transaktionen, wie bspw. bei Hypotheken automatisierte Zinsrückstellungen gewählt werden, oder auch dieAbwicklung von Lizenzgebühren – die Einsatzgebiete sind hier vielfältig.
Einen Schritt weitergedacht, ließe sich auch Eigentum in der Blockchain (dann „Smart Property“ genannt) abbilden. Darunter ist Eigentum zu verstehen, dessen Besitz über die Blockchain unter der Verwendung von Verträgen kontrolliert wird.

Aber wo ist hier der Mehrwert? Stellen wir uns ein Haus vor, das derzeit im Grundbuch eingetragen sein muss, indem eine Vielzahl an Informationen festgehalten werden. Möchte man nun das Haus kaufen, besteht im Vorfeld ein verhältnismäßig aufwendiges Prüfungsverfahren, um herauszufinden, ob es Hypotheken gibt, welche Rechte und Pflichten bestehen, ob der Verkäufer wirklich auch Eigentümer ist, welche Firma die Fenster eingesetzt hat, den Putz aufgetragen hat, etc. Folglich ist es für den Käufer immer mit einem gewissen Risiko verbunden dieses Haus zu kaufen, da ihm ggf. wesentliche Informationen fehlen. Aus diesem Grund beauftragt man Anwälte und Notare, die für den Worst Case Regelungen definieren.
Würde dieses Haus nun in der Blockchain liegen, wäre diese Informationsasymmetrie nicht mehr zwangsläufig gegeben, da alle Transaktionen, die rund um das Haus passieren, verifiziert, chronologisch abgespeichert und für jeden einsehbar sind.
Die Transparenz der Blockchain führt folglich zu einer schnelleren, sicheren und informativeren, Warenabwicklung, welche die Grundlage unseres wirtschaftlichen Zusammenarbeitens fundamental verändern kann.

Natürlich lässt sich die Blockchain auch noch in vielen weiteren Themengebieten einsetzen, da de fakto jede Transaktion in ihr abgebildet werden kann. Das reicht von politischen Aktivitäten („Blockchain-Governance“) bis hin zu Apps (decentralized Apps – „dApps“). Durch den universalen Ansatz ist man nun geneigt, die Blockchain in jedem Bereich zur Verwendung zu bringen, da sie ja zweifelsohne neue Möglichkeiten bietet. Jedoch ist nicht jeder Anwendungsbereich aus meiner Sicht geeignet, um dieses auch zu tun. Das hat zum Teil technische aber zum Teil auch ökonomische Gründe.
Die Transparenz der Blockchain kann bspw. in gewissen Bereichen schädlich sein, so sollten personenbezogene Daten nicht öffentlich einsehbar sein, wie es bei Profilen oder Identitäten der Fall ist. Es gibt hierfür zwar Maßnahmen, mithilfe welcher man diese verbergen kann, jedoch erwächst hieraus ein weiteres zentrales Thema: Die Blockchain ist im Vergleich zu vielen Prozessen, wie bspw. Geldtransaktionen, schneller und einfacher, doch hält dieses Argument nicht jedem Vergleich stand. Oder einfacher: 10 Minuten auf eine Banktransaktion zu warten ist super, 10 Minuten auf das Öffnen meiner Haustüre zu warten weniger. Es gilt folglich die prozessuale Komplexität bei der Entscheidung über das Einsatzgebiet der Blockchain zu berücksichtigen.

Die eingangsgestellte Frage nach Hype oder over-hypedist sicherlich nicht leicht zu beantworten und auch stark individuell. Deswegen helfen mir für die Betrachtung die drei folgenden Parameter, um herauszufinden, ob für ein Einsatzgebiet über die Nutzung der Blockchain überhaupt nachgedacht werden sollte:

  1. ​Werden keine sensiblen Daten in der Blockchain gespeichert?
  2. Handelt es sich um einen technisch komplexen Prozess, der durch die Blockchain kürzer wird?
  3. Entsteht durch die Nutzung der Blockchain ein echter, entscheidender Mehrwert für den Nutzer?

Wenn nun alle drei Fragen mit „Ja“ beantworten werden können, macht es aus meiner Sicht durchaus Sinn die Blockchain für das gewählte Einsatzgebiet als Möglichkeit zu betrachten. In jedem Fall hilft uns aber die Blockchain mit einer neuen Perspektive auf den Status Quo und bietet alleine dadurch ein immenses Disruptionspotenzial.

Maximilian Möhring, Fachreferent für den Einsatz von Smart Contracts & Blockchain Technologieinnerhalb von Konzernen, ist Geschäftsführer der Keyp GmbH, Spezialist für dezentrale Multifaktor-Authentifizierung. Keyp verfolgt das Ziel digitale Identitäten im Rahmen dezentraler Systeme abzubilden, um maximale Sicherheit und Datenhoheit zu gewährleisten. Maximilian Möhring ist Seriengründer und hat in den letzten 10 Jahren 7 Technologie-Startups in den unterschiedlichsten Bereichen erfolgreich aufgebaut.

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